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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 24.1913

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509

Personalien — Wettbewerbe —

Ausgrabungen — Ausstellungen

510

de Justice und begegnete hier nicht nur sachlich Daumier,
sondern einige seiner besten Blätter könnten wirklich von
Daumier herrühren, — ein Umstand, der den Händlern
schon lange bekannt ist und der vielleicht den einen oder
andern »Daumier« auf den Markt und zu Geldwert gebracht
hat, der in seiner Eigenschaft als »Cottin« unbeachtet und
ungeschützt geblieben wäre.

Im Alter von 50 Jahren ist in Paris der Maler Gaston
Hochard gestorben, ein sehr tüchtiger Künstler, der in
der breiten, kräftigen Art Lucien Simons Darstellungen
aus dem französischen Volksleben gab und dabei zur Würze
auch einen anekdotischen Beigeschmack nicht verschmähte.
Von seinen vortrefflichen Bildern, deren eines dem Luxem-
bourg gehört, seien die Prozession in Orleans, die Bücher-
freunde und die seeländischen Bauern hervorgehoben.

PERSONALIEN
George Mosson, dem bekannten Berliner Maler und
Lehrer an der Zeichen- und Malschule des Vereins der
Künstlerinnen, ist der preußische Professortitel verliehen
worden.

Rom. Für den Direktorposten der spanischen Kunst-
akademie ist Edoardo Chicharro ernannt worden, der vor
etwa zehn Jahren selbst Stipendiat in dem schönen Haus
bei San Pietro in Montorio war. Er ist in Madrid ge-
boren und Schüler von Dominguez.

WETTBEWERBE
Bei dem Wettbewerb für ein Lutherdenkmal auf
der Feste Koburg erhielten von den 150 konkurrierenden
Künstlern je einen ersten Preis von 3000 M.: Bildhauer
Eberhard Enke-Berlin, Prof. Wrba-Dresden und Walther
Bischof-München, einen zweiten Preis von 2000 M. Arthur
Lange und einen dritten Preis von 1000 M. Prof. Gottlieb
Elster und Architekt Kurt Sommer, beide in Weimar.

AUSGRABUNGEN
Veji. Die großen Ausgrabungen, welche die Re-
gierung begonnen hat, gehen mit gutem Resultat weiter.
Zwanzig Gräber, von denen einige auf das neunte vor-
christliche Jahrhundert datiert werden, sind zum Vorschein
gekommen. Noch interessanter ist ein kleines Theater
bei der Akropolis, der uralten Etruskerstadt, dessen wohl-
erhaltene Ruinen in diesen Tagen ans Licht gekommen
Sind.__Fed. h.

AUSSTELLUNGEN
Ausstellung der Pariser Societe nationale. Wer

in den großen offiziellen Ausstellungen des Frühjahrs eine
bestimmende Richtung, eine kenntliche Linie künstlerischer
Tendenzen sucht, kommt nicht auf seine Rechnung. So
etwas ließe sich vielleicht bei den Unabhängigen oder auch
im Herbstsalon finden, in der dereinst als revolutionär
ausgegebenen Societe nationale findet man es so wenig
wie bei den Artistes francais. Übrigens ist es mit dem
revolutionären Geiste der französischen Sezessionisten des
Jahres 1890 nicht weit her. Schon der Name ihres An-
führers Meissonier müßte genügen, um darzutun, daß es sich
wenigstens nicht um eine künstlerische Revolution handelte.
Meissonier war ein überaus eitler Herr, der sich für den
größten Maler seiner Zeit und für einen der größten Meister
aller Zeiten hielt. Als daher im Salon nicht alles unbe-
dingt so geschah, wie er es wünschte, trat er aus, und die
unzufriedene Minorität schloß sich ihm an. Der jetzige
Präsident der Societe nationale, Roll, hat neulich erzählt,
wie es dabei zuging: ergab einem Camelot fünf Franken
und sagte ihm, er solle jedem aus dem Industriepalast,

wo die Generalversammlung der Künstler tagte, Heraus-
tretenden sagen, Meissonier warte auf ihn im Restaurant
Doyen. Geschmeichelt kamen mehr als hundert Leute in
das Restaurant, wo Meissonier in der Tat zu Mittag aß,
Roll und andere Rädelsfüher empfingen sie, und der neue
Künstlerbund wurde gegründet. Einige merkten, daß man
sie hintergangen hatte, und traten wieder aus, darunter
Bonnat. Es handelte sich also eher um die Befriedigung
der persönlichen Eitelkeit Meissoniers als um irgendwelche
künstlerische Tendenzen, die sich gegen den alten Salon
empörten.

Trotzdem fanden sich, wie das natürlich war, in dem
neuen Salon wirklich die Stürmer und Dränger zusammen,
und gegen seinen eigenen Willen wurde Meissonier zum
Häuptling der Revolutionäre. Sehr lange dauerte das aber
nicht und jetzt sind die Mitglieder der Societe nationale in
jeder Beziehung durchaus ebenso brav und akademisch wie
ihre Kollegen bei den Artistes francais. Bei diesen wie bei
jenen kann man also wohl die Mode und den zeitweiligen Ge-
schmack des Publikums erkennen, aber künstlerische Ten-
denzen lassen sich hier nicht merken. Man kann bei ihnen be-
obachten, was im großen Publikum interessiert, ob man
friedlich oder revanchistisch gesonnen ist, ob das Automo-
bil oder das Luftschiff Beifall findet, von welchen Männern
und Vorgängen man spricht usw. Künstlerische Richtungen,
Gesichtspunkte, Linien lassen sich hier nicht festlegen, und
wenn man die Ausstellung besprechen will, muß man auf
alle großen ästhetischen Gesichtspunkte verzichten und ein-
fach mit dem Kataloge in der Hand die Säle durchwandern,
um anzustreichen, was einem gefällt oder auffällt. Erst
wenn sich das Gebräu im Hexenkessel der Unabhängigen
geklärt hat, also so ungefähr zehn Jahre nach ihrem ersten
Auftreten, werden wir die jeweiligen Neuerer künstlerischer
Anschauungen in den offiziellen Salons sehen.

In dem Ehrensaal, wo man sonst Zuloaga bewundern
konnte, glaubt man ihn auch diesmal begrüßen zu können.
Man wundert sich sogar, daß er so viele Arbeiten ausstellen
darf, denn da hängen wenigstens fünfzehn große Spanio-
lerien, seine beliebten Modelle, Stierkämpfer und Mädchen
in Mantilla und Manta, Bauern, Bettler, blinde Musikanten.
Erst beim nähern Hinschauen merkt man, daß nicht eines
dieser Bilder von Zuloaga herrührt. Unendlich scheint die
Zahl seiner Nachahmer zuzunehmen, außer Spaniern und
Franzosen stellen auch Italiener und HolländerZuloagabilder
aus, und einige darunter unterscheiden sich eigentlich nur
durch die Signatur von ihrem Vorbilde. Sollte Zuloaga in
dreihundert Jahren noch auf dem Kunstmarkt existieren, so
werden ohne Zweifel sehr viele von diesen Bildern dann
unter seinem Namen gehen, und die dereinstigen Kunst-
historiker werden viele dicke Bücher schreiben und in der
Nachprüfung der Echtheit ihre Weisheit zeigen können.

Den Clou der diesjährigen Ausstellung hat ein anderer
Spanier geliefert, ein Spanier, der allerdings schon so lange
in Paris wohnt, daß er kaum noch als Landsmann des
Cervantes gelten kann. Vielleicht hat er, gerade um sein
unverfälschtes spanisches Blut zu zeigen, dieses Bild ge-
malt, diesen Don Quijote, der ohne Zweifel das tiefste
und bedeutendste Werk von Antonio de Ia Gandara ist.
Vermißt man in seinen mondänen Bildnissen nur zu oft
jedes innerliche Leben, wird man häufig versucht, sie ein-
fach für angekleidete Gliederpuppen, für »Mannequins« und
Probiermamsellen zu halten, so erlebt man vor diesem Ritter
von der Mancha eine überaus angenehme Überraschung.
Dieser Don Quijote ist vielleicht das beste Bild, das man
jemals von dem Helden Cervantes und des spanischen
Volkes gemalt hat. Er ist arm, zerlumpt, ausgehungert,
geschunden und zerschlagen, aber stolz und kühn, aber
edel und groß. Er ist närrisch, aber seine Narrheit kommt
 
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