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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 24.1913

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Ausstellungen

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gar nicht bestehen, weil sie nicht mit lauter Genies und
führenden Persönlichkeiten, sondern auch mit redlich
strebenden Talenten zu rechnen hat, die gerade das Füllsel
zwischen den großen Meistern der älteren Moderne und
der stürmischen Jugend bilden müßten. Vielleicht sieht
man das jetzt auch ein und es bereitet sich langsam eine
Versöhnung vor, die allen Berliner Kunstfreunden will-
kommen sein wird. Denn wir brauchen hier die Sezession
wie's liebe Brot und würden in den Sumpf geraten, wenn
sie geschwächt oder gesprengt würde.

Im Kunstsalon Gurlitt sieht man zurzeit bemerkens-
werte neue Arbeiten von Henri Matisse. Sie sind auf der
Durchreise nach Moskau, wo ein Gönner des Pariser
Malers mehrere der Bilder bestellt hat. Matisse selbst war.
schon vorher in der Zarenstadt, und man sieht deutlich,
daß ihm dort von altrussischer Kunst her, namentlich von
den Miniaturen der frühen Zeit, Anregungen zugeströmt
sind, die ihn in Farbenwahl wie Komposition befruchtet
haben. Er verband das dann mit den funkelnden Hellig-
keiten Nordafrikas, wo er die Themata dieser Gemälde
fand. Am meisten interessieren davon drei zusammen-
gehörige Bilder. Zwei Blicke aus einem Fenster und durch
einen maurischen Rundbogen in die Ebene und aufs Meer,
wo sich zwischen tiefblauen und grünen Schatten märchen-
hafte Sonnenhelle auftut. Zwischen ihnen als Mittelstück
der Hof eines marokkanischen Hauses, in dem ein junges
Mädchen auf dunklem Gebetteppich kniet. Das Matissesche
Prinzip der Zerlegung und Vereinfachung gewählter Aus-
schnitte in stark leuchtende Felder reiner Lokalfarben, die
alle bräunlichen und schwärzlichen Schatten und Model-
lierungen strikt vermeiden und fast im Sinne alter Mosaiken
das völlig ins Malerische umgesetzte Wirklichkeitsbild streng
an die Fläche halten, läßt sich an diesen Beispielen vor-
trefflich studieren. Ähnlich an diesem wundervollen neuen
Stilleben aus Callablüten, Iris und Mimosen zwischen ver-
schiedenfarbigen, etwas ausgeklügelt, aber delikat ge-
wählten Vorhängen, einem Werke von außerordentlicher
Qualität. Weniger, scheint mir, an den großen neuen
Figurenstücken, in denen die Manier jener alten Miniaturen
aufs Gemälde, das Aquarellartige auf die Öltechnik über-
tragen ist, wodurch sehr leicht eine Gefahr des Leeren,
Plakatmäßigen entsteht. Die Farbenzusammenstellung in-
teressiert auch hier ungemein, aber man findet mehr Ge-
schmack als Qualität dabei, und keine sinnliche Kraft, die
unmittelbar wirkte.

Vorher war bei Gurlitt eine Gruppe jüngerer Dresdener
Künstler vertreten, die viel Beachtung fanden. Es waren
drei Maler, Schüler von Gotthardt Kuehl: Ernst Müller-
Graefe, der seine bemerkenswerten Vorarbeiten für die
Wandgemälde im Treppenhause des Altenburger Museums
zeigte; der Skandinave Johan Johansson, bei dem sich die
Dresdener Schule mit nordischen Einflüssen, besonders
Zügen von Zorn, mischt; G. A. Schreiber, der gute Porträt-
studien schickte. Dazu dann ein sehr talentvoller junger
Bildhauer Paul Pils, der vor allem an einem großen weib-
lichen Bronzekopf ein außerordentliches Gefühl für die
abstrakte Reinheit der plastischen Form bekundet, die sich
mit individueller Beseelung verbindet. — Zu gleicher Zeit
stellte der junge Münchener Rudolf Hesse lustig kritzelnde
und schnörkelnde Zeichnungen und Karikaturen aus, in
denen sich eine starke Begabung offenbarte. Es scheinen
darin Züge vom seligen Wilhelm Busch, ja, von Büschs
Vorahner Rudolf Töpffer wieder lebendig geworden zu
sein, ohne daß man von Nachahmung sprechen könnte.
Ein wirklich witziger Kopf führt hier Bleistift und Feder.

Im Lichthofe des Kunstgewerbe-Museums ist so-
eben eine Ausstellung der Bauten eröffnet worden, die der
kürzlich verstorbene, ausgezeichnete Architekt der Reichsbank,

Baurat Habicht, im Laufe der letzten Jahre für das Institut
in ganz Deutschland geschaffen hat. Es ist höchst inter-
essant, daß hier von Reichs wegen ein durchaus modern
gesinntes Talent gefördert wurde; vergebens fragt man
sich, warum bei so offenbaren Erfolgen unsere sonstigen
offiziellen Instanzen sich dennoch dauernd mit meist un-
bedeutenden Kräften bei ihren Bauaufgaben begnügen.
Habicht hat mit Geschick und feiner Anpassungsfähigkeit
seine Bauten in den einzelnen Städten jeweilig ihrer Um-
gebung eingefügt, ohne etwa historisierende Stilspielereien
zu treiben, vielmehr rein aus einem untrüglichen Gefühl
dafür, wie er seine aus der Zeitempfindung erwachsene
architektonische Anschauung mit den lokalen Bedingungen
in Einklang bringen könnte.

Magdeburg. In der April-Ausstellung des Kunst-
vereins war als Vertreter der neueren Richtung Karl Caspar-
München zu nennen. Caspar geht mehr auf plastisch-
formale Bestrebungen aus; seine Farben sind etwas stumpf
und matt. Er bevorzugt religiöse Themen, denen er durch
eine vereinfachte Komposition und klare Gliederung der
Figuren neue Seiten abgewinnen will, doch lösen sich seine
Figuren nur schwer von dem Hintergrunde, vielleicht ist
dies eine Folge seiner fleckigen, meist ins Graue über-
spielenden Malweise. Seine Einzelfiguren und Akte ge-
fallen mehr. Rein malerisch genommen sind die Gemälde
der Ines Wetzel-Berlin wohl die stärksten der diesmaligen
Ausstellung. Sie zeigt Landschaftsausschnitte aus der deut-
schen Tiefebene, namentlich aus der Mark. Kräftige, pastos
aufgetragene Farben im Verein mit einer klaren Raum-
darstellung geben den Bildern ihre gute Wirkung. Eine
recht sympathische Künstlerpersönlichkeit ist auch Plinio
Colombi, Wabern bei Bern; seine Darstellungen aus
dem Hochgebirge, besonders Schneelandschaften, fallen
durch ihre lichten und starken Farben auf. Auch ein paar
Stilleben zeigen den feinen Geschmack des Künstlers.
Bei den Stilleben von Robert Breyer-München stört die
etwas verwirrende Fülle der Motive und ihre unruhige
Wiedergabe; weniger würde auch hier mehr sein. Ziem-
lich unbedeutend sind die Bilder von Gustav Wimmer-
Stettin. Trotz einer minutiösen Zeichnung sind seine Bilder
flau und langweilig. In den unteren Räumen herrscht
neben einer Ausstellung von Originalzeichnungen zum
Simplizissimus das Kunstgewerbliche. Grete Asendorff-
Steinmetz, Berlin-Steglitz, stellt recht hübsche kunst-
gewerbliche Kleinigkeiten, hauptsächlich Metallarbeiten aus.
Die Möbel von Professor Richard Dorschfeldt-Magdeburg
sind etwas reichlich schmucklos und glatt. Sehr gefällig
wirken dagegen in Form und Farbe die Keramiken von
Fritz von Heider-Magdeburg.

Frankfurt a. M. Der Kunstverein zeigte im April
Entwürfe und Studien von Brütt (Cronberg) für die Aus-
malung des Bürgersaales. Deutlicher fast als die ausge-
führten großen Bilder zeigen die Studien die geschmack-
volle Gesamtkomposition, deren wesentlichster Faktor die
Farbe ist. — Das Kunstgewerbemuseum stellte Bühnen-
bilder und Figurinen von Ottomar Starke, dem Frank-
furter Theatermaler, aus. Frankfurt hat allen Grund, sich
seiner Tätigkeit dankbar zu freuen. Am besten gelungen
scheinen mir die Dekorationen, Figurinen, Gruppenbildungen
für Glucks Orpheus zu sein. Er erreicht hier sehr starke
Wirkungen mit ganz einfachen, monumentalen, unrealisti-
schen Formen der Landschaft, der Gebäude, mit relief-
artiger Aufstellung und Schiebung des Chores, mit deut-
licher Anlehnung an archaische Vasenbildcr in der Kostü-
mierung und Bewegung einzelner Figuren, in dem Rhythmus
der Bewegung von Gruppen. Weniger sagt mir das
archaisierende Moment in den Figurinen für Mozartsche
 
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