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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 24.1913

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Warschauer Brief
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Madrider Brief
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https://doi.org/10.11588/diglit.6192#0224

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Madrider Brief

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Im weiteren Sinne dient der Denkmalpflege auch
die Gesellschaft für Heimatkunde (Towarzystwo
Krajoznawcze), die die Kenntnis der Denkmäler durch
Ausflüge und Verlagstätigkeit verbreitet.

Die moderne Kunst konzentriert sich in derOe-
sellschaft zur Förderung der schönen Künste
(Towarzystwo Zachenty Sztuk Pienknych), 1860 be-
gründet (Vorsitzender: J. Herman, Direktor: J. Krywult).
In ihrem Kunstpalast in der Mazowieckastraße hat sie
die ständige Ausstellung; ihren »Salon« hat sie im
Herbst, sonst verschiedene Ausstellungen einzelner
Künstler, Künstlerbünde, auch retrospektive Ausstel-
lungen und Ausstellungen ausländischer Kunst. —
Außer den oben genannten, in ihrem Gebäude auf-
gestellten Sammlungen, besitzt sie auch eine eigene:
eine wertvolle Sammlung polnischer Bilder aus dem
19. Jahrhundert und eine Sammlung von Handzeich-
nungen (Vermächtnis Bloch und Vermächtnis Berson).
Die Gesellschaft hat mehrere tausend Mitglieder, denen
sie Jahresprämien verteilt und unter denen sie Kunst-
werke verlost; durch ihre Vermittlung werden Preis-
aufgaben ausgeschrieben und Stipendien ausgegeben.

Neben der Gesellschaft besteht noch eine Anzahl
kleinerer Privatsalons, wie Kulikowski, Richlingu.a.

Weiter sind berufsmäßige Vereine zu nennen, wie
der Baumeisterverein, die Künstlergesellschaft. Maler
und Bildhauer schließen sich zu Vereinen zusammen,
meistens zwecks gemeinsamer Ausstellung; manche
gehören dem auch im Auslande bekannten Krakauer
Vereine »Die Kunst« (Sztuka) an, andere dem Vereine
»Die Null« (Zero), die jüngsten dem Vereine »Die
junge Kunst«.

Schließlich die Kunstschulen. Die Schule der
schönen Künste, 1903 begründet, entwickelt sich glück-
lich, unter Leitung bedeutender Lehrer, wie Lenc,
Pienkowski, Trojanowski u. a. Die Zeichenschule,
ein bescheidenes Überbleibsel der 1817 begründeten
Fakultät der Universität, hat ein niedrigeres Niveau.
Außerdem besteht noch eine Graphikerschule und
eine große Anzahl kleinerer Kunstschulen unter der
Leitung einzelner Künstler. —

Trotz dieser reichen Organisation ist Warschau wohl
nicht die erste Kunststadt Polens. Krakau, dank der
Universität, der Kunstakademie, der Akademie der
Wissenschaften mit ihrer Abteilung zur Erforschung
der polnischen Kunst, dank überhaupt den freieren
Verhältnissen ist noch heute der wichtigste Sitz der
polnischen Kunst und Kunstgelehrsamkeit. — Die
Warschauer Kunstorganisation ist neueren Ursprungs.
Warschau besaß, zur Zeit, wo es Königsstadt war, im
17. und 18. Jahrhundert, reiche Kunstschätze und ein
reges Kunstleben. Von alledem ist fast nichts geblieben.
Die Kunstschätze aus den königlichen Schlössern und
den Privatpalästen sind jetzt in Petersburg und Moskau
zu sehen; in den Bildern der »Eremitage« erkennt
man leicht an den roten Nummern diejenigen, die
der Sammlung des Königs Stanislaus Augustus ent-
stammen. Und was nicht aus Warschau entfernt, was
nicht vernichtet und verbrannt worden ist, das haben
die Kunsthändler, die den Augenblick der materiellen
und geistigen Schwäche Polens wohl auszunutzen

wußten, nach Westeuropa genommen. Es kamen Zeiten,
wo die Musen schweigen mußten und wo es klein-
lich schien, an Kunstaltertümer zu denken. Jetzt fängt
das Kunstleben an, wieder reger zu werden — trotz-
dem die Verhältnisse auch jetzt keineswegs günstig
sind. Vom Staate sind nur Hindernisse und Hemmungs-
versuche jeder Kulturäußerung zu erwarten; alles ist
der persönlichen Initiative und der persönlichen Frei-
gebigkeit überlassen. Das muß man im Auge be-
halten, wenn man das polnische Kunstleben beurteilt.

Dr. W. T.

MADRIDER BRIEF

Während man noch vor kurzem nach Berliner
Zeitungsmeldungen annehmen durfte, daß der viel
umstrittene van der Goes aus Monforte endlich für
das Kaiser-Friedrich-Museum gewonnen sei und seine
Überführung dorthin bevorstände, haben sich die Ver-
hältnisse plötzlich stark verschoben, und es hat fast
den Anschein, als ob das Bild in Spanien bleibt —
als Zierde des Prado.

Es hat sich — etwas reichlich spät — der spa-
nische Nationalstolz bei einigen Madrider Herren
geregt, und man sucht mit allen Mitteln die Ausfuhr
des Bildes zu verhindern. Wie bekannt, wollen die
Escolapios von Monforte das Bild dem spanischen
Staat zur Hälfte des Preises überlassen, den sie von
der Berliner Galerie erhalten würden.

Es ist in Deutschland die Ansicht verbreitet, das
Bild sei bereits gekauft. Allein, mag auch ein Kauf-
vertrag zwischen den Mönchen und einem Vertreter der
Berliner Galerie unterzeichnet worden sein, so wird
die Gültigkeit dieses Vertrages jetzt hier bestritten,
da der Herzog von Alba, der als Patronatsherr zu
dem Verkauf ins Ausland seine Zustimmung geben
mußte und sie auch nachträglich gegeben hatte, diese
Zustimmung wieder zurückgezogen hat! Ob dies
gesetzlich möglich ist, bleibe hier sehr dahingestellt.
Tatsache aber ist, daß man gegenwärtig in Madrid
von diesem Faktum ausgeht und den Herzog von
Alba mit dem Aufgebot aller Kräfte zu bestimmen
sucht, seine Einwilligung zu dem Verkauf des Bildes
ins Ausland zu verweigern. Das Geld zum Ankauf
des Bildes für den Prado soll durch öffentliche Sub-
skription aufgebracht werden. Bis jetzt fließen die
Gelder etwas spärlich, was leicht schon daraus zu er-
klären ist, daß sich der Hof noch nicht beteiligt hat,
ebenso die hohe Aristokratie und die großen Banken.
Dies, wie die abwartende Haltung des Unterrichts-
ministeriums hat vielleicht zum Teil seinen tieferen
Grund darin, daß, wie behauptet wird, nunmehr der
deutsche Kaiser sich für das Bild interessiert und es
in Berlin zu sehen wünscht.

Es ist natürlich das Bild keineswegs von solcher
Wichtigkeit gerade für den Prado, wie man das jetzt
hier hinzustellen sucht. Es wäre viel wichtiger für dieses
Nationalmuseum Spaniens, seine sehr klägliche Kollek-
tion spanischer Primitiven um einige bedeutende Stücke
zu bereichern. Diese Absicht besteht zwar schon seit
einiger Zeit, aber sie ist bis jetzt ebensowenig zur
Ausführung gelangt, wie die überaus notwendige Er-
 
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