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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 24.1913

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Die italienische archäologische Tätigkeit in dem neuerworbenen afrikanischen Gebiet
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https://doi.org/10.11588/diglit.6192#0335

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KUNSTCHRONIK

Neue Folge. XXIV. Jahrgang 1912/1913 Nr. 44. 19. September 1913

Die Kunstchronik und der Kunstmarkt erscheinen am Freitage jeder Woche (im Juli und August nach Bedarf) und kosten halbjährlich 6 Mark.
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leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Oewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Leipzig, Hospitalstr. IIa.
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DIE ITALIENISCHE ARCHÄOLOGISCHE TÄTIG-
KEIT IN DEM NEUERWORBENEN AFRIKANI-
SCHEN GEBIET

In diesen Tagen wird von dem Collegio di Scienze
politiche e coloniali der dritte Band der wichtigen »Raccolta
sulla Libia« herauskommen, der unter Parlaments- und
Regierungsakten, die auf Tripolis und die Cyrenaica Bezug
haben, unter anderm auch eine archäologische Note bringt,
die das »Giomale d'Italia« zur Vorauspublizierung erhalten
hat. Wir entnehmen daraus einiges Interessante über die
archäologische Tätigkeit, welche die Italiener während des
Krieges und nachher in dem neuerworbenen afrikanischen
Gebiet bereits entwickelt haben.

Vom Beginn der militärischen Okkupation Libyens hat
das Ministerium des öffentlichen Unterrichts begriffen, daß
es sofort Schritte tun müsse, um soviel wie möglich die
Spuren des Altertums und die Monumente aus der alten
großen Zeit zu retten auf diesem Boden, der jetzt zum
zweitenmal unter die Herrschaft Roms gelangt ist. Es
wurde daher sofort ein antiquarischer und künstlerischer
Dienst für diese Region eingerichtet, nachdem schon der
Kommandant des Okkupationskorps ein Dekret vorher er-
lassen hatte, das jede Ausgrabung irgendwelcher Art, jede
archäologische Untersuchung und jeden Export von irgend
einem antiken oder Kunstgegenstand verbot. Denn es war
wohl vorauszusehen, daß bei der Arbeit für die Trancheen
und den anderen militärischen Bauten und Grabungen
Funde gemacht werden könnten.

Diese Dispositionen leisteten sofort gute Dienste. Zu
AVn Zara fanden sich die Überreste eines antiken christ-
lichen Friedhofs, zwar nur mit armseligen Gräbern, aber
mit ungefähr 50 wichtigen lateinischen Inschriften. Seine
Datierung ist nicht genau zu fixieren. Zweifellos ist er
aber aus der Zeit nach dem Konzil von Chalcedon
(451 n. Chr.). Dort wurde auch ein kostbares und großes
Mosaik aus der Zeit der Antonine oder der Severen ge-
funden, das zu irgend einer herrschaftlichen Villa gehören
muß, ferner auch ein halbrundes Marmorgefäß römischer
Arbeit und Münzen des Septimius Severus und des Konstantin.

Auch zu Gargaresh kamen christliche Katakomben mit
Resten antiker Fresken zutage. — Zu Lebda wurde beim
Graben von Trancheen eine Statue der Kybele entdeckt,
die eine Tunika mit Reliefdarstellungen des Zodiakus
trug und zwar in zwei Teile gebrochen, aber sonst
vortrefflich erhalten ist. Dabei kam auch ein schöner
Venus-Torso, eine Inschrift und mehrere Gräber mit Aschen-
urnen zum Vorschein. — Auch zu Bengasi wurden in
geringer Entfernung von den äußersten italienischen Ver-
teidigungslinien drei bekleidete römische Statuen von guter
Arbeit gefunden und bei der Redoute »Artesiano« einige
antike Gräber, in denen sich auch Fragmente gefirnißter
Vasen zeigten.

In Tripolis selbst, an dem kleinen nordwestlichen Fort,
kam ebenfalls beim Graben einer Tranchee eine große
Nekropole der antiken Stadt Oea (Civitas Oeensis) zutage.
Sie wurde teilweise untersucht. Viele Gräber, darunter
einige vollständig intakte, sind sorgsam ausgegraben und
aufgenommen worden. Es sind rechteckige, leicht konvexe

Kammergräber, die ganz in den Felsen gegraben sind, mit
einer rechteckigen Tür und einem Zugang. Inhumation
und Kremation wechseln darin; bei den nördlich gelegenen
Gräbern herrscht die letztere vor. Die Leichen oder die
Aschenurnen waren auf dem Fußboden der Gräber mit über-
reichen Grabbeigaben aus Glas, Terrakotta und Bronze
niedergelegt. In einer einzigen Kammer konnten nicht
weniger als 200 Gegenstände gesammelt werden, ins-
besondere Terrakottagefäße mit lokalen Dekorationen und
von charakteristischer Form. Es scheint sicher zu sein,
daß es sich hier um wirkliche Familiengräber handelt, die
in einer sehr langen Zeit in Benützung gewesen sind. In
einem einzigen Grab fand man 17 Aschengläser; die noch
nicht geöffneten Gräber scheinen mindestens aus der
gleichen Zeit zu sein und können in das 4. Jahrhundert
des Kaiserreiches und vielleicht etwas später datiert werden.
80 Kisten Grabbeigaben aus diesen Gräbern sind im Museum
von Tripolis deponiert worden.

In den ersten Monaten der Besetzung, während der
Krieg noch heftig tobte, hatte das Ministerium schon den
Inspektor Salvatore Aurigemma vom Neapler Museum mit
bedeutenden Vollmachten nach Libyen gesandt, damit für
den archäologischen Dienst daselbst eine möglichst wissen-
schaftliche und gediegene Vorsorge getroffen wird. Eine
dreifache Hauptrichtschnur bestimmt die Tätigkeit dieses
Gelehrten; er hatte für die zukünftige Ernte kolonialer
Antiken zu sorgen, zweitens für den Schutz und die Kon-
servierung der noch stehenden Monumente, drittens für
die Aufsicht über die antiken Funde, im speziellen während
der Fortifikationsarbeiten. Bald zeigte sich die Notwendig-
keit, für die gemachten Funde Museen zu schaffen, und
zwar zunächst zwei große zu Tripolis und zu Bengasi,
während man gleichzeitig bereits auch daran denken mußte,
neue und wichtige andere Zentren für Studium und Aus-
grabungen zu suchen. — Für das Museum in Tripolis gab
das militärische Kommando ein passendes Lokal ab,
nämlich die alte Kaserne der türkischen Gendarmerie, die,
was Platzverhältnisse, Lage, Licht und Adaptierungsmöglich-
keiten betrifft, das zurzeit beste Lokal für eine archäo-
logische Sammlung in Tripolis ist. Sowohl das Genie-
korps wie das Ministerium des öffentlichen Unterrichts
gaben die Mittel, um soviel wie möglich in und an diesem
Gebäude herzurichten. Es wurde ein neuer Fußboden ge-
legt, zwei große Fenster hergerichtet und eine schön
dekorierte Tür nach der Außenseite eingesetzt, die ebenso
wie die Fenster mit Smaltdekorationen umgeben wurden,
wofür zahlreiche Mosaikarbeiter, die in dem italienischen
Heer mit einberufen waren, gestellt wurden, die unter
Leitung des Malers Kommandant Ximenes tätig waren.
Vitrinen sind in der Arbeit und es wird nur kurze Zeit
dauern, bis ein großes Museum in Tripolis zugänglich sein
wird, in dem man alle Antiquitäten vereinigt finden wird,
die bis jetzt provisorisch im Kastell des Gouverneurs oder
im Platzkommando aufbewahrt worden waren. Es sind
das vier Statuen, zwei Torsi, Grabcippen, Inschriften,
Kapitelle, Säulen, vier arabische Marmorvasen, ein Relief
und ein ganzer Loculus aus einem Grab von Gargaresh;
dann ferner das Material aus den 80 Kisten aus den nord-
westlichen Forts, von denen schon die Rede war. Wie
 
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