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Zeitschrift für christliche Kunst — 7.1894

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Schnütgen, Alexander: Gesticktes Antipendium im Kölner Dom
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https://doi.org/10.11588/diglit.3824#0109

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Abhandlungen.

Gesticktes Antipendium im Kölner Dom.

Mit Lichtdruck
(Taf. VI).

ilder des Stamm-
baums Christi sind
schon seit dem
XII. Jahrh. in
Uebung und be-
sesnien sehr häu-
fig in der spät-
gothischen Perio-
de. Die dekora-
tive Behandlung,
für welche er sich
besonders eignet,
>~m|( empfahl ihn auch für den Schmuck der Anti-
pendien, für den, gerade bei der Technik der
Stickerei, die Rankenzüge ein sehr dankbares
Motiv bieten, indem sie zugleich die harmo-
nische Ausgleichung von Grund und Zeich-
nung wesentlich erleichtern.
• Dafs das vorliegende Frontale diesen
Vorzug hat, zeigt schon die beigegebene Ab-
bildung. Es hat eine Breite von 288V2 cm<
eine Höhe von 8872 cm> von denen 14'/2 cm
durch die Borte eingenommen sind. Zunächst
besticht die geschickte Art, mit der die Ran-
ken über die Fläche vertheilt, zwischen ihnen
die liegende Figur des Stammvaters Jesse
und das strahlenkranzumgebene Brustbild der
Gottesmutter ausgespart sind. Die Durch-
schlingung der Verästelungen, die Hineinkom-
ponirung der zehn aus mächtigen Blüthen-
kelchen herauswachsenden Königs-Brustbilder
in die einzelnen Medaillons, die Ausfüllung
der dabei leergebliebenen Parthieen durch sich
abzweigende Blumen und Ranken, die Kühn-
heit und Mannigfaltigkeit, mit der die einzelnen
Spruchbänder (mit den Namen des betreffen-
den Königs) geworfen sind, beruhen auf feiner
malerischer Empfindung, die in der Farben-
gebung ihren Höhepunkt erreicht. Den Grund
bildet nämlich schwere rothe Atlasseide, auf
welche in starken Goldfäden die Ranken auf-
genäht sind, wie sämmtliche von diesen aus-

gehende Zweiglein. Die an diesen befestigten
Blumen und Blätter aber sind, wie alle anderen
figürlichen und ornamentalen Theile, auf Leinen
gestickt und zumeist mit Konturen aufgeklebt.
Hierbei sind die verschiedensten Techniken
zur Verwendung gekommen, namentlich die
so glänzende Lasurtechnik, in der alle Ge-
wänder ausgeführt sind und zum gröfseren
Theile auch die Blüthenkelche. Um an diesen
Blätter und Kapseln voneinander zu scheiden,
überhaupt die Verschiedenheit der Farben-
wie Reliefwirkung zu steigern, sind einzelne
Parthieen in Flockseide ausgeführt mit über-
spanntem Netzwerk. Der Effekt der flattern-
den Spruchbänder wird durch den Silber-
glanz der Kördeichen, aus denen sie ge-
bildet sind, noch erhöht und die fiachrelie-
firten Karnationstheile, die ursprünglich alle
durch Plattstich gewonnen waren, kommen
noch jetzt zur Geltung, obgleich sie arg abge-
griffen sind. Die Attribute und Schmuksachen
(Kronen, Ketten u. s. w.), sind, durch dicke
Goldfäden gebildet, von so feierlicher wie
reicher Wirkung.

Die bekrönende Borte zeigt abwechselnd
Bäumchen und Rosetten als Ornament, die
Verkündigung, Abendmahlsfeier, Auferstehung,
Pfingstfeier und Krönung Mariens als Dar-
stellungen. Die Ornamente sind ausschliefslich
auf dem Webstuhl hergestellt, die architek-
tonischen Einfassungen durch aufgenähte Gold-
kördelchen, die Figuren durch in den Gold-
grund eingestickte farbige Stilstichkonturen
oder Plattstichfüllungen, letztere namentlich
für die Untergewänder, Futterumschläge und
Karnationstheile. In diesem Reichthum er-
scheint dieser Streifen als einer der letzten Aus-
läufer der sogen. „Kölnischen Borten", die, in
dieser Verbindung von Weberei und Stickerei,
in der ersten Hälfte des XV. Jahrh. auftauchen,
bald eine hohe Vollendung erreichen und um
die Mitte des XVI. Jahrh. wieder verschwinden.
— Aus dieser Zeit stammt auch diese Borte,
wie das ganze Antipendium ein glänzendes Er-
zeugnifs der kölnischen Stickkunst aus dem
Beginn der Renaissance. Schnüt'gen.
 
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