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Zeitschrift für christliche Kunst — 7.1894

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Bücherschau
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93

1894.

ZEITSCHRIFT FÜK CHRISTLICHE KUNST — Nr. 3.

94

Bücherschau.

Wanderfahrten und Wallfahrten im Orient.
Von Dr. Paul Keppler. Mit 106 Abbildungen,
einem Plan der Kirche des hl. Grabes und zwei
Karten. Freiburg- 1894, Herder's Verlag (8 Mark).
An Beschreibungen des heiligen Landes und der
angrenzenden Länder ist eher Ueberflufs als Mangel.
In den einen tritt das erbauliche, in den andern das
geschichtliche, in weiteren das topographische Moment
in den Vordergrund, in manchen vornehmlich das
rein subjektive persönlicher Eindrücke und Erlebnisse.
Hier hat der Verstand fast ganz allein, dort fast nur
das Herz bezw. die Phantasie die Feder geführt, hier
Hyperkritik und Zweifelsucht, dort Leichtgläubigkeit,
die an Aberglauben grenzt. Schwer ist es, hier die
richtige Mitte zu halten; sie setzt viel gesunden Sinn,
ein glückliches Naturell und eine Fülle von Kennt-
nissen voraus. In schönem Bunde findet sich dies
und noch mehr vereint bei dem Verfasser der vor-
liegenden, volle 500 Seiten umfassenden Schrift, der
Exeget von Beruf, Archäologe von Fach, sehr reich
an Geist wie Gemüth und mit einer Darstellungsgabe
ausgestattet ist, die ihm längst in den obersten Reihen
seine Stelle angewiesen hat. Sehr verwandt erscheint
daher sein Buch den aus demselben Verlage hervor-
gegangenen, ebenso ausgestatteten Reisebildem von
Baumgartner, die reicher an Beschreibungen sind, aber
vielleicht etwas ärmer an Reflexionen, was freilich zum
grofsen Theil seinen Grund haben mag in der grofsen
Verschiedenheit der bezüglichen Länder.

Die Reise hat nur vom 10. März bis 22. Mai 1892
gedauert, trotzdem Aegypten, Palästina, Syrien,
Kleinasien, Griechenland umfafst, bezw. berührt. Sie
ist mehr Pilgerfahrt als Forschungsreise gewesen, defs-
wegen beherrschen die höheren, die religiösen Gesichts-
punkte das Ganze wie alle einzelnen Theile. Mag er
das Meer beschreiben, oder die Geheimnisse der Wüste
verrathen; mag er die Leichenfelder reden lassen in
Kairo oder um Jerusalem, in Damaskus oder in Kon-
stantinopel ; mag er die Eindrücke schildern der Pyra-
miden oder der griechischen Tempel, der römischen
Bauwerke oder der Moscheen, alle Erwägungen klingen
immer und überall aus in die ewigen Wahrheiten und
das Sursum corda! ist der beständige Refrain. Trotz-
dem wirkt dieser nicht aufdringlich, auch nicht er-
müdend, denn stets sind diese Konklusionen den be-
treffenden Gruppen angepal'st, ihrem Wesen, ihrer
Eigenart, ihrer Geschichte. Weil der Verfasser sie
durch eingehendes Studium längst kennt und jetzt
durch sorgfältige, frische Beobachtung selbstständig
prüft, defswegen erscheinen die Urtheile so unmittel-
bar, so begründet, so zuverlässig. — Viel mehr, als
sonst üblich ist, hat er, der feinsinnige Kunstforscher, den
Kunstdenkmälern seine Aufmerksamkeit zugewendet,
vor Allem den Bauwerken, aber auch den Erzeug-
nissen der Plastik, der Malerei, sogar der Kleinkünste.
Sehr eingehend beschäftigt er sich mit den ägyp-
tischen Denkmälern, deren Ernst, Würde, Gesetz-
mäßigkeit ihm hohe Bewunderung abnöthigen, sogar
den Wunsch, dais das Kunstschaffen unserer Tage in
Manchem von ihnen lernen möge. Ihnen gegenüber er-

scheinen ihm die arabischen Kunstschöpfungen als un-
selbstständig und unorganisch, was aber doch nicht
ausschliefst, dafs die Moscheen für die Bedürfnisse
des Islam speziell eingerichtete Bauwerke von grofser
Mannigfaltigkeit und erstaunlicher Wirkung sind, und
dafs die Araber es nicht blofs im Ornament, worauf
der Verfasser besonders hinweist, sondern in allen
Ausstattungskünsten, in Stein und Holz, in Thon und
Glas, in Metall und Weberei zu einer bis in die
letzten Jahrhunderte anhaltenden staunenswerthen Fertig-
keit nach Form und Technik gebracht haben. Das
in den Ruinen der alten Häkim-Moschee zu Kairo
vor einigen Jahren eingerichtete Kunstgewerbemuseum,
welches vornehmlich aus den Schatzbeständen der
Moscheen sich rekrutirt, liefert dafür glänzende Be-
lege in grofser Zahl. Viel sympathischer steht der
Verfasser wiederum, und mit Recht, den altgriechischen
Tempeln und Götterbildern gegenüber, und gerne ver-
weilt er bei den altchristlichen Kirchen Konstantinopels,
die sämmtlich dem Mohamedanismus zum Opfer ge-
fallen sind. — Die Kirche des hl. Grabes erfährt eine
sehr eingehende Analyse an der Hand zuverlässiger
Abbildungen, wie überhaupt das gesammte Illustrations-
material die Beschreibungen in sehr wirksamer Weise
unterstützt.

Diese wenigen Andeutungen aus dem so inhalt-
reichen Buche mögen genügen, um dasselbe zu kenn-
zeichnen als eine unentbehrliche Anleitung für Jeden,
der den Orient, zumal das heilige Land, besuchen
will, als eine unschätzbare Erinnerung für Jeden, der
es besucht hat, als eine überaus anregende, belehrende,
erhebende, ergreifende Lektüre für Alle, die im
Geiste in den Fufsstapfen des Heilandes wandern
möchten, wie auf den grofsen Heerstrafsen, welche
den Zug der Menschheit bezeichnen im Ablauf der
Weltgeschichte. __________ Schnütgen.

Geschichte der Kunstim Gebiete derProvinz
Posen von Hermann Ehrenberg. Berlin 1893,
Verlag von Wilhelm Ernst & Sohn.
Der Verfasser hat es sich zur Aufgabe gestellt,
die Kunstdenkmäler der Provinz Posen geschichtlich
zu ordnen, und es ist ihm gelungen, den ziemlich
undankbaren Stoff in äufserst knapper anziehender
Form zu behandeln. Undankbar ist die Aufgabe des-
halb zu nennen, weil Meisterwerke der Kunst und
hervorragende Monumentalbauten in dieser Gegend
unseres Vaterlandes eigentlich nicht zu finden sind
und der Leser die Entdeckung ungekannter Kunst-
schätze in diesem Buche nicht erwarten darf. Die
Geschichte der Kunst bleibt fast allein beschränkt
auf das Gebiet der Baukunst, da die Bildhauerei,
Malerei und die meisten Zweige des Kunsthandwerks
hier niemals geblüht haben und auch Erzeugnisse der
Kunst, wegen des geringen Wohlstandes, liier niemals
in starkem Maafse eingeführt worden sind, so dafs
auch davon heute nur wenig noch anzutreffen ist. Die
besseren Denkmäler der Baukunst sind aber wieder
beschränkt auf wenige Jahrzehnte des XVI. XVII und
XVIII. Jahrh., da die Bauten früherer Jahrhunderte
 
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