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Zeitschrift für christliche Kunst — 7.1894

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Beissel, Stephan: Ueber die Ausstattung des Innern der Kirchen durch Malerei und Plastik, [3]
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Bücherschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.3824#0182

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1894. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 9.

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Werth. Dies Beste wird theuer. So wird man
langsam vorankommen, aber Gutes schaffen.

Warum nicht beim Neubau, wie die Alten
thaten, in die Säulen des Mittelschiffes und am
Choreingang Sockel und die ersten Steine des
Baldachins einlassen. Der Rest wird folgen,
vielleicht erst nach einem halben Jahrhundert.
Was thut's? Er folgt. Beim Neubau müfste
man Schulden, oder noch mehr Schulden machen,
wollte man alle die Statuen mit in Rechnung
bringen. Man lasse sie. Später wird man mehr
Geld haben und darum Besseres hinstellen.

Warum gleich die ganze Kirche mit Glas-
fenstern und Malerei ausstatten? Ein Fenster,
die Ausmalung eines Chores, wo möglich nicht
des Hauptchores, diene als Versuch. Ist diese
erste Probe fertig, so lasse man sich nicht vom
Maler und Glaswirker drängen, ihm Arbeit zu
geben. Möge die Sache einige Jahre ruhen,
damit das Unheil feste Klarheit gewinne. Ist
es klug, gleich zwei Seitenaltäre zusammen zu
bestellen? Hätte man mit einem begonnen, so
wäre es möglich gewesen, die Fehler oder
Mängel des ersten beim zweiten zu verbessern.
Aber die Lieferanten bieten natürlich Alles auf
gleich zwei Altäre zu machen, das ermäfsigt
die Herstellungskosten und erlaubt mehr fabrik-
mäfsig vorzugehen. Viele Theile können ja
dann zusammen gemacht werden. Wo und
wann haben überdies die Alten die Seitenaltäre

so gebildet, dafs sie sich gleichen wie Zwillinge,
wie ein Ei dem andern. Die Schönheit dieser
Symmetrie ist ein Ideal der oberflächlichsten
Aesthetiker.

Je mehr in der Kirche unfertig bleibt, desto
eher bekommt man Geld, es zu vollenden. Wenn
die Leute sehen, dafs es langsam und gut voran-
geht, sind sie opferwillig. Es herrscht aber
oft leider eine Hast bei Ausstattung von Kirchen,
als ob dieser Vorstand Alles fertig machen
müfste. Wird er keinen Nachfolger haben?
Warum läfst er dem nicht auch etwas zu thun
übrig?

Sehen wir doch zurück auf die letzten fünfzig
Jahre, auf Altarbauten, die vor dreifsig Jahren
entstanden. Wie urtheilt man heute darüber?
Wenn man damals ruhig überlegte, wenn man
gute Künstler verwandte, wenn man sich an
alte Muster hielt, freuen wir uns noch heute
an diesen Werken. Auch die Zukunft wird sie
loben. Ist aber Alles rasch, billig, handwerks-
mäfsig geschaffen worden, ohne gründliche Nach-
ahmung mittelalterlicher, stilvoller Werke, dann
gibt's nachher arge Enttäuschungen. Ersparen
wir denen, die nach uns kommen, das Be-
dauern, dafs man so etwas gemacht hat, uns
aber eine Kritik, die wir verdienen, wenn wir
das alte Sprüchwort nicht beachten: „Eile mit
Weile."

Exaelen. Sleph. Beifsel S. J.

Bücherschau.

Deutsche Gesellschaft für christliche Kunst.
Jahresausgabe 1894, enthaltend 10 Foliotafeln in
Kupferdruck und Phototypie nebst erläuterndem
Texte mit weiteren Illustrationen, bearbeitet von
Inspektor Staudhamer. München, Verlag von
J. B. Übernetler.
Zu dieser zweiten Jahresmappe haben die Archi-
tekten Hecker und Wetterwald, die Bildhauer Busch,
Gamp, Hefs, Wadere, die Maler Baumeister, Benz,
Defregger, Feuerstein, Fugel, Locher, Müller-Warth,
Schleibner, Walch Beiträge geliefert, welche in 10 vor-
züglich reproduzirten Vollblällern und in 12 Textbildern
bestehen. Dieselben finden je eine eingehende, von
Notizen über den Lebenslauf und die Werke des be-
treffenden Meisters begleitete Beschreibung, die sehr
dithyrambisch gehalten ist. Leider bietet sie keine
vom Künstler selbst herrührende Erklärung, die in der
Regel mehr geeignet ist, das Wesen des Kunstwerkes
zu enthüllen, als die schwungvollste Erörterung, bei
der die Kritik zu leicht in den Hintergrund tritt. —
Im Allgemeinen theilt diese Mappe die Richtung ihrer

Vorgängerin. Durch den Anschlufs an die Kunst des
deutschen Mittelalters zeichnen sich nur die beiden treff-
lichen architektonischen Entwürfe aus, die St. Martins,
kirche in Chikago von Becker und die reizende Brücken-
kapelle von Wetterwald, für welche eine viel gründ-
lichere, namentlich die konstruktiven Gesichlspunkte
betonende Besprechung eine schätzenswerthe Beigabe
gewesen wäre. — Auch die Gruppen von Busch sind
lobenswerthe Leistungen, weil sie innig empfunden und
geschickt modellirt sind. Für einen Altar sind sie aber
zu genrehaft behandelt, und noch weniger geeignet
erscheint ihre in gothisirenden Architekturformen ge-
haltene Fassung. Die Bemerkung, dafs diese auch
durch eine solche in jedem andern Stile ersetzt werden
könne, ist sehr befremdlich und bedenklich, wie die
weitere, dafs das Modell sich zur Ausführung in Marmor
wie in Holz eigne, also für zwei in Bezug auf die Stil-
gesetze so verschiedene Materialien. Das hier für den
Bildhauer in Anspruch genommene Recht, für sein Werk
auch den architektonischen Rahmen zu bestimmen,
unterliegt keinem Zweifel, setzt aber voraus, dafs jener
 
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