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Zeitschrift für christliche Kunst — 7.1894

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Justi, Carl: Die Goldschmiedfamilie des Arphe, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3824#0188

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Abhandlungen.

Die Goldschmiedfamilie der Arphe.

Mit 4 Abbildungen.
I.

SSSIurchs ganze XVI. Säculum, vom
ersten Jahrzehnt bis über das
letzte hinaus, beherrschte die kirch-
liche Edelmetallkunst Spaniens,
genauer Castiliens und Leons, die
Familie der Arphe, in drei Geschlechtern. Dafs
der Erste von ihnen, Enrique, aus Deutschland
gekommen ist, sagen die Zeitgenossen,1) und
in einer Frage wie diese ist das Zeugnifs des
Spaniers gewifs unverdächtig. Auch ist Arphe
kein spanischer Name, es ist der deutsche Name
Harf, Harfe, der vielleicht von einem Stamm-
haus mit dem Wahrzeichen der Harfe herge-
nommen ist; ein solches Haus ist noch in
Strafsburg nachgewiesen worden. Er war im
Mittelalter am Niederrhein verbreitet und kommt
in den Kölner Schreinsbüchern des XIII. und
XIV. Jahrh. vor. Man gedenkt hier auch des
alten edlen Geschlechts der Ritter von Harffe,
die auf Schlofs Harff an der Erft im Jülicher
Land erbgesessen sind. Wer kennt nicht den
Ritter Arnold von Harff, der seine Wallfahrt
nach dem heiligen Lande (1496 bis 1499) selbst
beschrieben hat.2)

Die Geschichte dieser Künstlerfamilie ist auch
dadurch anziehend, dafs sie in so einfachen,
typischen Zügen verläuft und den Wechsel des
Kunstgeschmacks in einer sehr bewegten Zeit
wiederspiegelt. Ihre schaffende Thätigkeit bezog

') Andres Gomez de Arce, Licenliat des kanoni-
schen Kechls am Coüeg von Monte Olivete in Sala-
manca, hat für das Buch des Enkels folgende Verse
Über den Grofsvater geschrieben:

Citiits at'us quundam Germana sede relicta,
Online foelici noslras remeavit ad oras,
Ingtniiqut sni Hesperiis monumcnta reliquil.
Crux Legione docet, celel» is Custodia Christi
Corporis immensi nomen proltndit in aevum.
Ampla Toletani pariter Custodia templi,
Cordubae rt illustris lestantur; caetera mitto,
Quiirque olim cedro praecellens digna rcliquit,
Dum plus ardebat totum se tradere Christo,
Qua micuit rirtute dien cum duceret aevi.
2) »Die Pilgerfahrt des Riller Harff«, herausgegeben
von Dr. E. v. Grote, Köln 1860.

sich vorwiegend auf ein der spanischen Kirche
eigenthümliches Kultusgeräth, die Custodie, also
dafs die Erzählung ihres Lebens fast in der
Reihenfolge der Aufträge für diese aufgeht.
Ein engumschriebener Kreis, wo aber noch ganz
andere Eigenschaften als die Geschicklichkeit
des Goldschmieds und Kleinkünstlers sich zu
zeigen hatten. Etwas vom Genie des Architekten
und von der Erfindungsgabe des Bildhauers
mufste dem Custodienkünstler zu Gebote stehen.
Mitten in ihre Tage fiel der Wendepunkt der
Zeiten, der Fall der Gothik, das Vordringen
der wiederbelebten Formen der römischen Bau-
kunst nach dem spanischen Westen. Diese Um-
wälzung wird hier in einer und derselben Fa-
milie durchgemacht; sie fällt zwischen Vater
und Sohn. Aller drei Arphe Namen sind mit
einer typischen Stilform eng verknüpft: der
spätgothischen, der sogenannten Frührenaissance
und des klassischen Cinquento. Von dem Grofs-
vater Enrique sagt sein Enkel: Er brachte die
gothische Manier auf ihren Höhepunkt.3) Die
erste Form des welschen Stils auf spanischem
Boden hat sogar ihren Namen bekommen von
den Silberschmieden, plateros, plateresk, weil
die architektonische Ornamentik, wie sie der
Zweite, Antonio, zuerst auf das Kirchengeräth
übertrug, sich noch besser für diese Feinkunst
zu eignen schien. Der dritte und berühmteste,
Joan, ist der Verfasser einer Lehrschrift, die
alle Gebilde der Natur und Kunst durch feste
Maafsverhältnisse zu regeln unternimmt; und die
Schönheit wohlberechneter Verhältnisse, im
Geist eines Palladio und Vignola war es, durch
die er in den Augen der Zeitgenossen die be-
bewunderten Werke seines Vaters und Ahnen
in den Schatten gestellt haben sollte.

Die Custodia
der spanischen Kirche ist eine Art Taber-
nakel, in Form eines idealen Thurmes, bestimmt
bei hochfestlichem Anlafs die Monstranz aufzu-
nehmen. Sie hat mit dem täglichen Gottesdienst
und den übrigen kirchlichen Jahresfesten nichts
zu schaffen, denn sie wird ausschliefslich bei
dem Fronleichnamfest gebraucht, zu dessen Ver-

3) Llegd hasta el punto de la manera go'tica.
 
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