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Zeitschrift für christliche Kunst — 7.1894

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Beissel, Stephan: Ueber die Ausstattung des Innern der Kirchen durch Malerei und Plastik, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3824#0180

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279

1894. — ZFITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 9.

280

Ueber die Ausstattung des Innern der Kirchen durch Malerei und Plastik.

III. (Schlufs.)

Fenster und Wände zur Darstellung eines
fortlaufenden Cyklus, also z. B. der Stationen,
zu benutzen, verstöfst doch so sehr gegen alle
Regeln der Architektur, dafs die Frage nach
der Zulässigkeit eigentlich gar nicht aufgeworfen
werden sollte. Wände und Fenster stehen archi-
tektonisch zu einander im Gegensatz wie Oeff-
nung und Verschluss. Auch die Fülle des
Lichtes, das dieFiguren eines Glasfensters heraus-
hebt, läfst sich doch nicht in Harmonie setzen
zu einer noch so hellen und farbenreichen
Wandmalerei. Entweder bilden die Malereien
der Wände eine Art Rahmen zu den Fenstern
oder aber einen von den Fenstern streng ge-
schiedenen Cyklus. Am ersten liefse sich eine
Harmonie noch mit Mosaiken erreichen, aber
da würde die Architektur leiden und der Licht-
effekt noch zu verschieden sein.

7. Der Fufsboden.
Den schönsten Fufsboden der Welt hat der
Dom von Siena; denn in Graffito, in eingelegtem
Marmor und Mosaiken zeigt er Philosophen und
Sibyllen, Propheten und Szenen aus dem Alten
Testament. Auch andere Kirchen, z. B. St. Ge-
reon zu Köln,2) besitzen Fufsbodenmosaiken
mit Bildern aus der Geschichte des Alten Bundes,
des Thierkreises, der Lebensalter, Monate, Para-
diesesflüsse u. s. w. Reste reicher oder einfacher
gemusterter Böden ohne Figuren findet man
überaus oft. Es ist nicht der Ort, darauf hier
näher einzugehen; es genügt der Hinweis. Mit
Recht scheut man sich heute, Figuren der Bibel
oder Heiligenbilder so anzubringen, dafs sie mit
Füfsen getreten werden. Zur figuralen Ver-
zierung der Böden empfiehlt sich darum nur
Zeitliches, Natürliches, Unvollkommenes, Ver-
gängliches, Alles das, worüber der Christ sich
erheben, was er unten lassen soll. Alles Höhere,
Uebernatürliche gehört auf die Wände, in die
Fenster und Gewölbe. Man dürfte die im
Hebräerbrief 2, 8 angeführte Stelle Psalm 8, 8 f.
als Motiv für einen Fufsboden nehmen: „Alles
hast du seinen Füfsen unterworfen, Schafe und
alle Rinder, überdies die Thiere des Feldes, die

_6. Ausmalung der Seitenschiffe.

o das Mittelschiff dem Künstler keine
Wände und Fenster liefert, werden
viele der sonst in ihm anzubrin-
genden Bilder in die Seitenschiffe
kommen müssen. Da drängen sich nun die
wichtigen Fragen auf: Darf oder soll man
denn die Fensterreihe oder die Wand-
flächen der Seitenschiffe zur Darstellung der
vierzehn Stationen verwerthen? Ist es thunlich,
die Fenster mit den Wänden als ein Ganzes
aufzufassen und in sie nur einen Cyklus zu
setzen? Die vierzehn Stationen in die Fenster
zu malen, ist so ungewöhnlich und weicht so
sehr von der Gepflogenheit des Mittelalters ab,
dafs man doch davor warnen kann. Selbst der
Plan, sie in grofser Ausdehnung auf die Wände
zu malen, ist lange zu überlegen. Die „An-
dacht zu den vierzehn Stationen" ist vortrefflich,
ist zu befördern, aber sie ist kein wesentlicher
Theil des eigentlichen kirchlichen Gottesdienstes,
sondern bleibt eine von der Kirche aufs Ent-
schiedenste empfohlene Privatandacht. Jeden-
falls sind es zwei verschiedene Fragen, ob man
das zum Mefsopfer in so enger Beziehung
stehende und für jeden Christen so wichtige
Leiden des Herrn in den mit Rücksicht auf die
hh. Orte zu Jerusalem angeordneten „Sta-
tionen" mit Betonung der wegen dieser Orte
hervorgehobenen Einzelheiten, oder ob man es
nach den Evangelien mit Hervorhebung an-
derer Ereignisse schildern will. Im letzteren
Falle würde der Cyklus nach alter Sitte schon
mit dem Einzug in Jerusalem beginnen und
mit der Auferstehung enden; dann geht aber der
Nutzen, den die Stationen als solche bringen, ver-
loren. Zu überlegen ist auch, ob die Kreuze,
welche doch die Hauptsache sind, im Vergleich
zu den Bildern nicht zu sehr verschwinden.1)

') Vergl. Beringer »Die Ablässe«, 10. Aufl.
Schöningh, Paderborn (1893) S. 252 f. »Decreta authen-
tica sacrae congregationis indulgentiis sacrisque reli-
quiis praepositae.« Pustet, Ratisbonae (1883) p. 233
Nr. 258. Cum ad lucrifaciendas indiilgentias, quae.
pro stationum Viae crucis visilatione conceduntur,
minimc requiratur tabvlarum ereclio, «ed crucium.
p. 245 v. 275 (lmagines) necessariae non sunt. Vgl.
Keppler »Die vierzehn Stationen des' heiligen Kreuz-
wegs. « Eine geschichtliche und kunstgeschichtliche
Studie, zugleich eine Erklärung der Kreuzwegsbilder der
Malerschule von Beuron. 2. Aufl. Herder, Freiburg 1893.

-) Ernst aus'm Weerth »Der Mosaikboden in
S. Gereon«. Bonn 1873. Mit Abbildungen anderer
mittelalterlicher Fufsbodenmosaiken und einer Ueber-
sicht der Geschichte derselben.
 
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