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Zeitschrift für christliche Kunst — 7.1894

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125

1894. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST

Nr. 4.

126

Nachrichten.

Baron Bethune f. Am IS. Juni starb, un-
gefähr 7-1 Jahre all, auf seinem Schlosse Marcke bei
Courtrai in Belgien der Baron Jean Bethune, wegen
seiner grofsen Verdienste um die kirchliche Kunst
bekannt und verehrt weit über die Grenzen seines
Vaterlandes, namentlich auch in Deutschland. Auf An-
regung des Grafen Montalembert verliefs der reich-
begabte Jüngling vor mehr als einem halben Jahr-
hundert die Verwaltungslaufbahn, der er sich, den
Traditionen seiner Familie folgend, kaum gewidmet
hatte, um sich ganz der kirchlichen Kunst zu weihen.
Mit dem Bleistift in der Hand durchzog er Belgien,
Frankreich, England, Deutschland, Italien, und als er
nach mehreren Jahren ernstester Studien auf dem Ge-
biete der mittelalterlichen Kunst in Brügge sich nieder-
liefs, konnte er als gewiegter Archäologe, als ge-
wandter Zeichner, als tüchtiger Baumeister, als ge-
schickter Maler eine so umfassende und gesegnete
Thätigkeit beginnen, dafs, dank der Mitwirkung gleich-
gesinnter Freunde, die sich um ihn schaarlen, die neue
Richtung, deren Ideal die Golhik war und blieb, trotz
vieler Widersacher, bald Anerkennung und Aufnahme
fand. Von edelster Begeisterung getragen, unterstützt
durch eine seltene Arbeitskraft und unvergleichliche
Anregungsfähigkeit baute der durchaus uneigennützige,
aufopferungsvolle Künstler zahlreiche Kirchen und
Klöster, deren vollständige, durchaus einheitliche Aus-
staltung zu seinen liebsten Beschäftigungen gehörte.
Zu diesem Zwecke gründete er selber ein Atelier für
Glasmalerei, rief er Werkställen für Bildhauerei, Gold-

und Eisenschmiedekunst, Kunstgiefserei, Stickerei,
graphische Künste etc. in's Leben, und durch die
Gründung der „Ecole de St. Luc", die er den Schul-
brttdern übertrug, gelang es ihm, sein System im
ganzen Lande derart einzubürgern, dafs die fünfund-
zwanzigjährige Jubelfeier dieser Anstallen vor zwei Jahren
zu einer Art von Nationalfest sich gestaltete. Die
Vivekapelle bei Brügge, die Grand Beguinage bei
Gent, seinem späteren Wohnorte, die Benediklinerabtei
Maredsous sind seine gröfslen Schöpfungen, und nicht
nur durch die musivische Ausstattung des Oklogons
vom Aachener Münster bewährte er auch in Deutsch-
land das Uebergewicht seiner künstlerischen Bedeutung,
die er auch durch zahlreiche Veröffentlichungen doku-
mentirte, überall die Fahne vorantragend, wenn es
sich darum handelte, Triumphe zu erringen auf dem
Gebiete der kirchlichen Kunst, und auch der welt-
lichen, wenn sie jener sich anschlofs. Als geschlossene
Phalanx, als durchaus einheitliche Schöpfung steht die
Schule da, deren Gründer er ist, deren Spitze und
Mittelpunkt er bis an's Ende seines arbeitsvollen, viel-
beweglen Lebens blieb. — Längst hätten alle diese
Veranstaltungen, denen Belgien die gegenwärtige Blüthe
der kirchlichen Kunst im Sinne ernsten, einmülhigen
Schaffens verdankt, in den Nachbarländern Nach-
ahmung verdient, denen auch der Gewinn einer so
gotlbegeisterten, anregenden, einflufsreichen Persönlich-
keit zu wünschen wäre, wie namentlich auch unsere
Zeitschrift sie verehrt in dem uns leider durch den Tod
entrissenen väterlichen Freunde. R. I. P. Schnütgen

Bücherschau.

Der Dom zu Speyer und verwandte Bauten (die
Dome zu Mainz und Worms, die Abteikirchen zu
Limburg a. Hardt, Hersfeld und Kauffungen etc.).
Aufgenommen unddargestelll von Wilh elm Mey er-
Schwartau, Stadtbauralh. Mit Unterstützung des Mi-
nisteriums der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal-
angelegenheiten. Berlin 1893, Verlag von Julius
Springer.
„Unsere Kenntnifs der Entwicklungsgeschichte der
gewölbten Basilika auf deutschem Boden ist noch eine
sehr lückenhafte. Wir wissen vor Allem nicht, wann,
wo und wie zum ersten Male das Mittelschiff mit
Kreuzgewölben überspannt wurde." Mit dieser sehr
treffenden Bemerkung beginnt der Verfasser die vor-
genannte, für die Kunstgeschichte überaus wichtige
Arbeit, die thatsächlich so manche Lücken ausfüllt,
welche bisher die Geschichte der Denkmäler roma-
nischer Bauweise, insbesondere diejenige der mittel-
alterlichen Domkirchen zu Mainz, Speier und Worms
aufwies. Zum ersten Mal wohl wird eine vollständige,
das ',) Jahrhunderte lang währende Enstehen des ge-
waltigen Kaiserdomes zu Speyer behandelnde Dar-
stellung in Wort und Bild hier dargeboten, mit ihr
erschliefsl sich eine Reihe ganz neuer Gesichtspunkte
bezüglich der verwandten Bauten im südwestlichen

Deutschland, von denen neben den Domen zu Mainz
und Worms die Klosterkirchen zu Limburg a. H., Hers-
feld und Kauffungen an erster Stelle zu nennen sind.
Bei keinem Kirchenbau war während der umfassenden
Wiederherstellungsarbeiten, welche sich in der Milte
unseres Jahrhunderts vollzogen, eine so günstige Ge-
legenheit zu eingehenden Studien und Nachforschungen
geboten, als eben hier; bedauerlicher Weise hat man
früher davon keinen Gebrauch gemacht, und selbst
dem Verfasser des Buches ist es nicht gelungen, für
solche jetzt bei geistlichen wie welllichen Behörden sie
zu erreichen. Er übergibt sein Werk in gewisser Hin-
sicht daher als Fragment der Oeffentlichkeit, aber auch
so vermag es uns volle Anerkennung abzuringen, und
ein ebenbürtiger Platz gebührt ihm neben der Arbeit
Friedrich Schneider's, welche über die Geschichte des
Mainzer Domes sich erschöpfend verbreitete (Friedr.
Schneider. Der Dom zu Mainz, Geschichte und Be-
schreibung des Baues. Berlin 1886).

Die Geschichte des Bauwerkes von der Gründung
des Bisthums Speyer bis zur Gegenwart, Briefe und
Privilegien, sowie die Darstellung der Kirche auf
Münzen und Siegeln erfahren eine eingehende Behand-
lung; in erweitertem Maafse die Beschreibung des
Baues selbst, die Lage der Kirche, Krypta, Ostchor,
 
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