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Zeitschrift für christliche Kunst — 7.1894

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Bücherschau
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191

1894. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 6.

192

Bücherschau.

Führer durch das Hamburgische Museum für
Kunst und Gewerbe, zugleich ein Hand-
buch der Geschichte des Kunstgewerbes
von Justus Brinckmann. Mit 431 Abbildungen
zumeist nach Aufnahmen von Wilhelm Weimar.
Hamburg 1894, Verlag des Museums.
Dafs der Direktor des Hamburger Kunstgewerbe-
museums mit der Ausarbeitung eines Führers durch
dessen Sammlungen sich beschäftige, war in den bezüg-
lichen Kreisen längst bekannt, und Alle erwarteten eine
Musterleistung. Endlich ist sie erschienen, und wohl
Alle sind überrascht durch deren Umfang und Be-
deutung, denn der orientirende Katalog hat zum zwei-
bändigen Werke, der Führer zu einem Lehrbuche sich
erweitert, welches die meisten technischen Künste be-
handelt und über sie so viel Neues und Originelles,
so viel Gründliches und Lehrreiches bringt, dafs es
als eine sehr wesentliche, überaus schätzenswerthe Be-
reicherung des das ganze umfassende Gebiet be-
treffenden Wissensschatzes auf das Allerwärmste und
Dankbarste begrüfst werden mufs. Trotz dieser enormen
Ausgestaltung verleugnet der „Führer" nirgendwo seinen
Ursprung, seinen Zusammenhang mit dem Museum,
welches in der Abfolge seiner Räume, bezw. in der
Reihenfolge der einzelnen Gruppen allein mafsgebend
geblieben ist für die Eintheilung des Ganzen, wie für
die Beschreibung der einzelnen Gegenstände, bezw.
Techniken, denen sie angehören. Mit den „Hambur-
gischen Fayenceöfena schliefst der Führer, wie er mit
ihnen beginnt, denn sie bilden die Ausstattung des
ersten wie des letzten Raumes, des den Haupteingang
zur Rechten wie zur Linken flankirenden Saales. Zwischen
ihnen entfalten sich in dem weiten kreuzgangartigen
Gebäude die Bauernmöbel der Eibmarschen, die ham-
burgischen Holz-Bauornamente, die japanischen Korb-
llechtarbeiten, die Gewebe, Stickereien, Spitzen, die
Arbeiten der Bildwirker, die Fächer, Wismuthmalereien,
Bucheinbände, die Arbeiten aus geritztem, gepunztem
und getriebenem Leder, die architektonischen Orna-
mente aus Stein und Terrakotta, die dekorativen Ma-
lereien, die chinesischen Melallarbeiten, die japanischen
Bronzen, die Sammlung japanischer Schwertzierathen,
die metallenen Netzke und die Tabakspfeifen der
Japaner, die japanischen Färberschablonen, die Arbeiten
der Edelschmiede, der Schmuck, die Taschenuhren,
das kleine Geräth der Frauen, das Maler-Email, die
asiatischen Schmelzarbeiten, die Keramik, das Glas,
die Glasmalereien, die Möbel, die niederdeutschen
Truhen, die Schränke aus Niederdeutschland, die Bau-
schreinerarbeiten, die Holzschnitzereien, die Mangel-
bretter, die Blasbälge, die alten Werkzeuge der Holz-
arbeiter, die Kerbschnittarbeiten, die Kuchenformen,
die Stand- und Wanduhren, die Holzbildnereien im
Dienste der kirchlichen Kunst, die Buchsschnitzereien,
die abendländischen Elfenbeinarbeiten, die ostasialischen
Kleinschnitzereien, die Lackarbeiten aus Japan, China,
Korea, Indien, Persien, Europa, die Rronzen, die wissen-
schaftlichen Instrumente, die Arbeilen aus Zinn, die
Aetzarbeiten auf Metall und Stein, die Schmiedeeisen-

arbeiten, die Speisegeräthe, Kammerherrenschlüsse],
Eisengufsarbeiten, die indischen Metallarbeiten, die
Metallarbeiten der Araber, Perser, Türken.

Da die vorstehenden Ueberschriften nur die Haupt-
gruppen bezeichnen, ohne irgend welche Andeutungen
der zahlreichen Unterabtheilungen, so lassen sie die
Mannigfaltigkeit der Sammlungen nur ahnen, immerhin
aber erkennen, welche Förderung die Erforschung des
kunstgewerblichen Gebietes durch diese systematische
Behandlung erfahren hat. Beijeder Abtheilung bietet der
Verfasser zunächst einen Ueberblick über die Geschichte
des betreffenden Kunstzweiges und eine Erörterung der
technischen Gesichtspunkte, und bewährt dabei eine
Fülle und Gründlichkeit der praktischen und theo-
retischen Kenntnisse, wie nur grofse Erleuchtung und
vollständige Hingebung an die Aufgabe sie zu schaffen
vermögen. Ueberall bieten die Gegenstände des Mu-
seums den Ausgangspunkt und das Leitmotiv der
Unterweisungen und in ihnen werden in mehr oder
minder ausführlicher Beschreibung die Grundsätze ent-
wickelt, die Erklärungen geboten. Keine Seite bleibt
da unberücksichtigt, mag sie technischer oder archäo-
logischer, kultur- oder lokalgeschichtlicher, heraldischer
oder ikonographischer Art sein, und die innigen, ja inner-
lichen Beziehungen, in denen der Direktor zu den fast
ausnahmslos von ihm selber erworbenen Sammlungs-
objekten steht, leuchtet aus der Begeisterung, mit
welcher er sie behandelt, so wohlthuend wie glänzend
hervor. Von ganz besonderer Bedeutung ist der Ein-
flufs, den er durch die Sammlungen, (vornehmlich
durch die Leder-, Korbflecht-, Holzschnitzerei-Arbeiten,
Stickereien etc.) auf die lokalen Gewerbe erstrebt und
erreicht hat, deren Aufmerksamkeit er durch private
Anregung, öffentliche Vorträge, Zeitungsnotizen heraus-
zufordern nicht ermüdete. Dafs dieser Einflufs nunmehr
auch auf weitere Kreise sich auszudehnen vermag,
ist vielleicht das gröfste Verdienst des vorliegenden
Werkes, welches als Illustrationsmaterial einen Schatz von
431 vortrefflichen Abbildungen birgt, die, fast alle noch
nicht veröffentlicht, eine ungemein wichtige Bereicherung
des kunstgewerblichen Bilderkreises darstellen. Von
derselben äufserst geschickten Hand unter besonderer
Berücksichtigung des Materials und seiner charakte-
ristischen Eigentümlichkeiten gezeichnet und scharf
reproduzirt, haben sie zugleich den Vorzug, überall
genau an den zuständigen Stellen dem Text ein-
gegliedert und mit erörternden Unterschriften verseilen
zu sein, so dafs sie das Studium wie des Führers so
der Sammlungen wesentlich unterstützen und erleichtern.
Auf sein mühevolles Werk mag der Verfasser, der
seine Thätigkeit zu konzentriren pflegt, mit grofser
Befriedigung schauen, denn des Dankes darf er von
allen Seiten gewifs sein: von den Gelehrten, Künstlern,
Handwerkern, den Sammlern und dem Publikum. Wohl
Alle mögen in dem Wunsche sich begegnen, dafs aus dem
Führer im Laufe der Zeit ein eigentliches grofses Lehr-
buch herauswachsen möge in noch viel weiterem Rahmen
und von universeller Bedeutung. Ein solches bedarf die
neue Zeit mit ihren neuen Zielen. Schnütgen.
 
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