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Zeitschrift für christliche Kunst — 7.1894

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Schnütgen, Alexander: Neuer gothischer Beichtstuhl im Kölner Dom
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https://doi.org/10.11588/diglit.3824#0228

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Abhandlungen.

Neuer gothischer Beichtstuhl im
Kölner Dom.

Mit Lichtdruck (Tafel XII).

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'.*>•)&fam 1 heils im Chorumgang, theils in
den Chorkapellen des Kölner
Domes sind die zehn Beicht-
stühle aufgestellt, welche
sämmtlich im letzten Jahr-
zehnt neu beschafft sind. Die
Hälfte derselben ist sauber,
aber schematisch ausgeführt
nach einem von einem Architekten entworfenen
Muster. Viel mehr Beachtung verdient das
von einem andern Baumeister gezeichnete, gut
gearbeitete Exemplar (der Sakristeithüre gegen-
über), welches aber zu prätentiös in seinem Auf-
bau und etwas zu starr in seinen Einzelheiten
ist. Recht bescheiden aber korrekt wie in der
Konzeption so in der Durchführung sind zwei
weitere Exemplare, die unmittelbaren Vorgänger
der beiden erst im vorigen Jahre vom Bildhauer
Wilhelm Mengelberg in Utrecht gelieferten
Muster, die wegen ihrer Vorzüge in Lichtdruck-
bildern hier vorgeführt und erklärt werden sollen.
Sie sind an der Brüstungsmauer des südlichen
Chorumgangs aufgestellt, und der in diesem
Heft abgebildete nimmt dem Hochaltar zu die
erste Stelle ein. Bei der Beschreibung desselben
werden zunächst die Grundsätze skizzirt werden
müssen, nach denen der Beichtstuhl im Allge-
meinen zu gestalten ist, sodann die Eigenthüm-
lichkeiten zu erörtern sein, welche hierbei der
Kölner Dom verlangt, also die Stelle, für welche
der Beichtstuhl bestimmt, und der Stil, in wel-
chem er auszuführen ist.

Aus dem einfachen Sitze, dem steinernen
Sessel, hat der Beichtstuhl sich entwickelt, und
wesentlich ist er auch darüber im Mittelalter
nicht hinausgegangen, selbst da nicht, wo er
sich, wie in der Marienkirche zu Lübeck, in
eine Art von Chorbank flüchtete. Die kasten-
artige Erweiterung, welche bald erfolgte, mag
zunächst und zumeist aus praktischen Beweg-

gründen entstanden sein, aber immer mehr ent-
fernte sich der Beichtstuhl von seiner ursprüng-
lichen Gestalt, deren Erinnerung nur der Name
festhielt, und es ist die höchste Zeit, dafs dieser
wieder zur Wahrheit, das Bufsmöbel wieder zum
Sessel wird (etwa in der Art des Abtstuhles, der
aus dem Altenberger Dom den Weg in das
Berliner Kunstgewerbe-Museum gefunden hat),
freilich mit den Schranken, welche der Pönitent
dem Beichtvater wie dem Publikum gegen-
über beanspruchen darf. Dafs dieser Sessel
hinreichend geräumig, auch nach vorn
nicht ohne Abschlufs und gegen neugierige
Blicke nicht ungeschützt sei, verlangt die Rück-
sicht auf die so beschwerliche und diskrete
Berufsarbeit, und dafs er von einem Baldachin
überdacht sei, wird gewifs durch die höchste
Richtergewalt, die hier ausgeübt wird, hin-
reichend begründet. Aber auf den Richter, auf
den Stellvertreter Gottes, hat dieser Baldachin
sich zu beschränken, nicht auf den Angeklagten
sich auszudehnen, wenn dieser auch nur in der
würdigen Rolle des Selbstanklägers erscheint.

Sollen die in Vorstehendem angedeuteten
Erfordernisse in die Formensprache eines gothi-
schen Holzmöbels übertragen werden, so wird
es, falls nicht Sparsamkeitsrücksichten eine noch
einfachere Lösung empfehlen, auf das konstruk-
tive Gefüge eines baldachinbekrönten Sessels
hinauskommen, der nach vorn mit Wangen-
stücken versehen ist, um die Ausladung der
niedrigen Thüre zu vermitteln, nach der Seite
aber mit Flügeln ausgestattet, um den Pönitenten
zu verdecken. Die Gröfsenverhältnisse sollen
im Allgemeinen von dem praktischen Bedürf-
nisse diktirt, einigermafsen aber auch der Stelle
angepafst werden, für welche der Beichtstuhl
bestimmt ist, und die wiederum auf seine Ge-
staltung im Grofsen wie im Kiemen mafs-
gebenden Einflufs zu üben hat.

Im vorliegenden Falle durften die schönen,
noch mit Resten frühgothischer Gemälde ge-
schmückten Maafswerkblenden der Hochchor-
brüstung möglichst wenig verdeckt, daher auch
das Banket nicht in den Beichtstuhl hinein-
gezogen werden, und für ihn waren, so viel nur
 
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