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Zeitschrift für christliche Kunst — 7.1894

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Bücherschau
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155

1894. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 5.

156

Bücherschau.

Die kirchliche Baukunst'des Abendlandes,
historisch und systematisch dargestellt von G. Dehio.
o. ö. Professor an der Universität Strafsburg und
G. von Bezold, Konservator am bayerischen
Nationalmuseum in München. I. bis VI. Lieferung.
Stuttgart 1884—1894, Verlag der J. G. Cotta'schen

Buchhandlung (Mk. 207___).

Vor 10 Jahren begonnen, hat das grofs angelegte
Werk den gröfseren Theil seiner Aufgabe vollendet,
obwohl diese ihm unter der Hand erheblich gewachsen
ist. Ursprünglich auf 40—45 Bogen Text und auf
400—420 Tafeln berechnet, umfafst es jetzt bereits
40 Textbogen und 445 Tafeln und doch führt der
I. Band des Textes, dem ein Bilderatlas von 3G0 Tafeln
in 5 Mappen oder 3 Bänden entspricht, nur bis an die
Schwelle der Gothik. Mit dieser fängt erst die VI. Liefe-
rung (IV. Band) an, sich zu befassen und zwar mit ihrer
Entstehung und früheren Entwicklung in Frankreich,
Belgien, England, ohne dafs aber zu den 85 Tafeln
mit ihren durch Zahl und Wirkung geradezu bezau-
bernden Grundrissen, Querschnitten, Längenschnitten,
Ansichten, Innenbildern bereits der Kommentar vorläge,
der erst mit der nächsten Lieferung ausgegeben werden
soll. — Der so über den ersten Anschlag weit hinaus-
reichende Umfang wird ganz gewifs von allen Seiten
freudigst begrüfst werden, zumeist von den ausübenden
Baukünstlern und berufsmäfsigen Kunstforschern, ohne
Zweifel aber auch von Allen, die mit dem Studium
der Baukunst, der Grundlage und Voraussetzung aller
modernen Kunststudien, aus Neigung sich beschäftigen,
zumal insoweit dasselbe die heimischen Denkmäler
betrifft, deren Stellung und Bedeutung in der Geschichte
der Architektur. Selbst für solche mehr dilettantische
Bestrebungen reichen die Kompendien, auf die zu
lange bei uns, im Unterschiede von den Nachbar-
ländern, namentlich von Frankreich und England, die
Literatur sich beschränkt hat, nicht aus, und es ist
als ein wahrer Segen zu betrachten, dafs endlich ein
umfassendes und systematisches, durchaus gediegenes
und gründliches Werk Über die kirchliche Bau-
kunst des Abendlandes vorliegt bezw. für die
nächsten Jahre als abgeschlossenes Ganzes mit Be-
stimmtheit zu erwarten ist.

Zu diesem Werke haben in rastloser, konsequenter
Arbeit zwei Männer zusammengewirkt, die für den
grofsen, eines Einzelnen Kraft übersteigenden Zweck
vortrefflich sich ergänzend, in sich vereinigen, was
zur vollkommenen Erreichung desselben unumgänglich
erforderlich ist, den Vollbesitz des praktischen Könnens,
über welches nur ein aus der Konstruktion heraus-
gewachsener Baumeister verfügt, aber auch des theo-
retischen Wissens, welches nur einem planmäfsig ge-
bildeten Gelehrten resp. Kunsthistoriker zu Gebote
steht. Wenn dazu auch dieser noch als guter Zeichner,
jener als erfahrener Archäologe sich bewährt, dann
ist dadurch die Gemeinsamkeit des Eorschens und
Schaffens um so mehr gewährleistet. Während der
Arbeit ist der Eine (Dehio) von der Königsberger an
die Strafsburger Universität berufen, der Andere (von
Bezold) an die technische Hochschule und das National-

museum in München, vor Kurzem an die Spitze des .
germanischen Nationalmuseums in Nürnberg.

Für diejenigen, denen das Werk noch nicht bekannt,
ist, mag zunächst betont werden, dafs der Schwer-
punkt in den Abbildungen liegt, die auch ohne Be-
schreibung und Erklärung dem Beschauer ein eigenes
Urtheil ermöglichen sollen. Deswegen ist nicht nur
auf deren Reichhaltigkeit, Korrektheit, Zuverlässigkeit
der gröfste Werth gelegt, sondern auch, was natürlich
mit aufserordentlichen Umständlichkeiten verbunden war,
ein einheitlicher Mafsstab für die Grundrisse einerseits,
für sämmtliche anderen Aufnahmen (mit Ausnahme der
Details) andererseits, streng durchgeführt. Nur ganz
zweifellose und erprobte Zeichnungen wurden ander-
weitig übernommen, zum Theil aus ganz entlegenen
Quellen, viele für diesen Zweck von den Herausgebern
eigens angefertigt; daher ist schon der äufsere ober-
flächliche Eindruck ein höchst gefälliger, anregender,
belehrender und die wahrlich nicht leichte Gruppirung
derselben auf den einzelnen Tafeln hat schon durch
ihre übersichtliche, zu Vergleichen einladende Behand-
lung etwas sehr Bestechendes.

Für das nähere Verständnifs derselben bietet der
Text, obwohl er dem gewaltigen Abbildungsmaterial
gegenüber viel eher als knapp denn als umfänglich zu
bezeichnen ist, eine Fülle von Gesichtspunkten, da er
sich nicht auf die Erklärung der Tafeln beschränkt,
sondern zu mancherlei Exkursen sich ausdehnt, die
sämmtlich auf unbefangener Anschauung und gründ-
licher Prüfung beruhen, nicht selten mit bisherigen
Ansichten den Bruch bezeichnen, oft ganz neue Auf-
fassungen einzuführen suchen, daher stellenweise etwas
polemisch gefärbt sind. Manche derselben haben An-
erkennung und Zustimmung erfahren, einzelne Wider-
spruch hervorgerufen, alle aber haben reiclfe Beachtung
gefunden, und die Prüfung wie die Diskussion angeregt.
Auch in diesem Sinn hat daher das neue Werk über-
aus anregend gewirkt, was umsomehr zu Gunsten des-
selben spricht, als dessen Studium bei der etwas apho-
ristischen herben Form nicht gerade bequem ist und
einen ernsten Sinn erfordert.

Ein ganz kurzer Ueberblick über den Inhalt des
I. Bandes, dessen einzelne Kapitel in mehrere Ab-
schnitte zerfallen, wird das Vorhergesagte einigermafsen
erläutern bezw. begründen. Das I. Buch behandelt
den „christlich-antiken Stil" und im I. Kap. die
„geschichtliche Stellung", im II. den „Centralbau", im
III. „die Basilika", im IV. „Aufsenbau, Dekoration
und Konstruktion". — Das II. Buch beschäftigt sich
mit dem romanischen Stil und bietet im I. Kap. die
„Grundlegung", behandelt im II., III., IV. Kap. „die
flachgedeckte Basilika" in Deutschland, Italien, West-
europa, im V. Kap. „den Gewölbebau in seinen Grund-
formen", im VI. und VII. Kup. „die einschiffigen Säle
mit Tonnengewölben" bezw. „mit Kuppeln", im VIII.
und IX. Kap. „die Hallenkirchen und die Basiliken mit
Tonnengewölben", im X. Kap. „die kreuzgewölbten
Basiliken Westeuropas", im XI. und XII. Kap. den
„Gewölbebau in Oberitalien und den Alpenländern"
bezw. „in Deutschland', im XIII. Kap. „die Kirchen
 
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