4
(3
x T
Verbürgte
Auflage 3000.
*
Verſteigerungen und Alterthumskunde.
1
Verbürgte
Auflage 3000.
Stutſgart 1894.
Abonnement:
Deutſchland u. Oeſterreich 2.60
vierteljahrlich, Ausland 3
Nr. 37.
Stuttgart, II. September 1895,
Erſcheint wöchentlich)
Auzeigen:
Die Nonpareilezeile oder deren
Raum 20 Pfg., Auttionen 30 Pfg.
3. Jahrgang.
Die Steinzeit und die
Metallzeit.
˖— —
In einer Generalverſammlung des Vereins für
Geſchichte und Alterthumskunde in Hohenzollern hielt
“Dr. Zulius Naue aus München einen Vortrag Naue
„erging ſich über die zwei Haupiperioden der prähſtoriſchen
Alterthuniskunde: Die Steinzeit und die Metallzeit.
Hinweiſend auf die epochemachen-
den Entdeckungen eines Schlie-
mann in Troja, Mykenä, Tiryns,
Sitz des Perſeus und Geburtsort
des Herakles, und Archomenos,
Flinders Petrie's Ausgrabungen
in Aeghpten, wobei die Beziehun-
gen Griechenlands mit Aegypten
zu Tage traten, ferner Orſi's
Entdeckungen in Sizilien, der
Nekropole von Plemyrio, wodurch
die Gleichartigkeit mit den Schacht-
gräbern von Mykenä feſtgeſtellt
wurde, die Arbeiten Pigoriniſs,
Strobel's u. ſ. w., hob der Red-
ner zunaͤchſt die großartigen Er-
folgẽ dieſer Forſcher für die Wiſ-
fenſchaft hervor und zeigte, wie
in Folge deſſen auch in Deutſch-
land dieſes Gebiet der Alterthums-
kunde zu Anſehen und Würdigung
gediehen. Noch gibt es ja Leute,
die vornehm auf dieſe neue Wiſſen-
ſchaft herabſchauen, theils aus
Uukenntniß, und doch wird ge-
rade das Studium der prähiſto-
riſchen Alterthumskunde auf ver-
ſchiedenen Gebieten der Voͤlkerge-
ſchichte umwälzend und aufklärend
wirken, jetzt ſchon Geſichtspunkte
eröffnend, deren Tragweite von
Vieien noch vor wenigen Jahren
nicht erfaßt wurde. Ünſere Wiſ-
ſenſchaft begründet ſich auf ſtreng
ſyſtematiſche Ausgrabungen ge-
ſchloſſener Gebiete. An dieſe
müſſen wir ohne Vorurtheile, aber
auch ohne vorgefaßte Meinungen
herantreten. Das nächſte Arbeitsfeld iſt draußen im
Walde, in den Feldern, und unſer Werkzeug: Spate,
Hacke und Schaufel. Nur ſo lernen wir ein Erfaſſen
jener längſt entſchwundenen Zeiten. In den Grabhügeln,
in den Ruͤheſtätten der Urbewohner liegen unſere Ur-
kunden, die dem Sehenden Aufſchlüſſe geben über Sitten
und Gebraͤuche, über Leben und Treiben, üher Kultur
und Technifk, über Glauben und Stagtsverfaſſung, üher
Tod und Begrabnitz der Menſchen, die vor vielen Jahr-
hunderten dieſelbe Scholle bebauten, auf welcher jetzt
uͤnſer Landmann für ſich und Andere arbeitet. Die 10
gemachten Grabfunde ſind der Untergrund für unſere
Forſchungen in der Vergleichung unteremander und mit
den Srabfunden anderer Gebiete und Länder. Der
Redner ging nun dazu über, in lichtvoller Weiſe die
einzelnen Perioden zu karakteriſiren, die Hauptmerkmale
der älteren (palaolithiſchen) und jüngeren (neolithiſchen)
Steinzeit anzuführen. Roh, ungefittet, noch in den
Kinderſchuhen der menſchlichen Enlwicklung ſtehend, be-
weiſt ſich die erſtere, während die Menſchen der jüngeren
Steinzeit, die Zeitgenoſſen der Rennthiere, ſchon einen
bedeutenden Foͤrtſchritt in der Kultur aufweiſen. Von
Die Geheimniſſe der Nitterburg. (Tert Seite 292.)
uns ihre Todten ſchon in Gräbern (Hocker). Bemer-
kenswerth iſt, daß nach Hervs die Maaße der Schädel
der Hoͤhlenbewohner Frauͤkreichs und Belgiens auffal-
lend mit jenen der Eskimos von Grönland und von
Labrador übereinſtimmen, indem ſie denſelben Naſen-
und Augenbrauenindex und denſelben Grad der Hume-
rustorſioͤn befizzen. Und Hamy beweiſt, daß alle die
Gegenſtände, die heute noch bei den Nordländern im
Geoͤrauche ſind, jenen volllommen gleichen, die man in
den neolithiſchen Niederlaſſungen Frankreichs, Belgiens,
der Schweiz und Württembergs gefunden hat. Das
kuͤnſtleriſche Gefühl der nordöſtlichen Stämme Sibiriens
und bei den Alaskas iſt ebenſo entwickelt wie bei den
Trogloditen der Dordogne, und nicht minder ſtimmen
die Sitten und Gebräuſche der arktiſchen Völkerſtämme
mit denen der früheſten Bewohner Frankreichs, Belgiens,
der Schweiz und Süddeutſchlands überein. Wir haben
alſo mit einer nahen Verwandtſchaft aller dieſer Stämme
zu rechnen. Das Ende der Steinzeit macht ſich durch
das Auftreten des Kupfers bemerklich, das noch in der
den Steinwerkzeugen nachgebildeten Form ſich darſtellt.
Die Beftattung ändert ſich, die hockende Stellung wird
aufgegeben. Der Körper iſt nur noch in den Lnieen ge-
bogen. Wir ſtehen in der Ueber-
gangsperiode zur Broncezeit. Neue
Völkerſchaften dringen ein in un-
ſere Gegend und führen aus ihrer
bisherigen Heimath ein neues Me-
tall ein: die Bronce. Die ältere
Broncezeit kennt nur erſt einfache
gegoſſene Formen, ſchlicht, ſchwer,
die Ornamentik gering, ebenſo
das Grabinventar karg und gering.
Wie in der Steinzeit dient auch
jetzt noch Dolch und Beil zu glei-
cher Zeit als Waffe und Werkzeug.
Die Entwicklung der Formen läßt
ſich gut verfolgen. Verbindungen
mit befreundeten Stäumen, Ein-
dringen von Händlern aus dem
Norden, die mit dem Bernſtein
ſicher auch künſtleriſch beſſer aus-
geaͤrbeitete Broneeſachen einführen,
ziehen eine Entwicklung des Ge-
ſchmackes, der Technik nach ſich.
Nadeln, Dolche, Palſtäbe werden
geſtaltreicher, und das Schwert tritt
auf. Gegen das Ende der ältexen
Broncezeit iſt eine Zunahme des
allgemeinen Wohlſtandes unver-
kennbar; die Teicher werdenden
Grabinventare beweiſen es. Die
Dolche und Schwerter werden
beſſer ausgebildet, die Nadeln
profilirt, die Axmbänder ſtärker
gegoſſen und mit ſchönen Orna-
menten verſehen. In Steinhügeln
ruht der beſtattete Frühbronce-
mann und ſein Weib in vollem
Schmucke. Die Gefäße ſind noch
nicht ſo zahlreich. Zum Jenſeits
genügt 1—2 Gefäße. Die jüngere Broncezeit tritt auf,
bemerkbar am veränderten Grabhügel, dem ſchichtenweiſe
Boden zugegeben iſt. Die Leichenverhrennung wird ein-
geführt. Immer reicher iſt die Erweiterung der Formen
und Ornamente, die Profilirung der Nadeln und Arm-
händer. Der Bronceguß, hergeftellt durch Wachswodelle,
iſt tadello3 geworden. Palſtab, Dolch und Schwert
wird kunſtreicher. Das Meſſer tritt auf. Die Frauen
erſcheinen mit Broncegürteln. die lang und dünn Herge-
flellt werden. Die Thongefäße werden mannigfaltiger-
bielfach vortrefflich geaͤrbeitet, jedoch aus der Hand-
nicht auf der Drehſcheibe. Noch iſt das Geld ſehr ſelten.
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Verbürgte
Auflage 3000.
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Verſteigerungen und Alterthumskunde.
1
Verbürgte
Auflage 3000.
Stutſgart 1894.
Abonnement:
Deutſchland u. Oeſterreich 2.60
vierteljahrlich, Ausland 3
Nr. 37.
Stuttgart, II. September 1895,
Erſcheint wöchentlich)
Auzeigen:
Die Nonpareilezeile oder deren
Raum 20 Pfg., Auttionen 30 Pfg.
3. Jahrgang.
Die Steinzeit und die
Metallzeit.
˖— —
In einer Generalverſammlung des Vereins für
Geſchichte und Alterthumskunde in Hohenzollern hielt
“Dr. Zulius Naue aus München einen Vortrag Naue
„erging ſich über die zwei Haupiperioden der prähſtoriſchen
Alterthuniskunde: Die Steinzeit und die Metallzeit.
Hinweiſend auf die epochemachen-
den Entdeckungen eines Schlie-
mann in Troja, Mykenä, Tiryns,
Sitz des Perſeus und Geburtsort
des Herakles, und Archomenos,
Flinders Petrie's Ausgrabungen
in Aeghpten, wobei die Beziehun-
gen Griechenlands mit Aegypten
zu Tage traten, ferner Orſi's
Entdeckungen in Sizilien, der
Nekropole von Plemyrio, wodurch
die Gleichartigkeit mit den Schacht-
gräbern von Mykenä feſtgeſtellt
wurde, die Arbeiten Pigoriniſs,
Strobel's u. ſ. w., hob der Red-
ner zunaͤchſt die großartigen Er-
folgẽ dieſer Forſcher für die Wiſ-
fenſchaft hervor und zeigte, wie
in Folge deſſen auch in Deutſch-
land dieſes Gebiet der Alterthums-
kunde zu Anſehen und Würdigung
gediehen. Noch gibt es ja Leute,
die vornehm auf dieſe neue Wiſſen-
ſchaft herabſchauen, theils aus
Uukenntniß, und doch wird ge-
rade das Studium der prähiſto-
riſchen Alterthumskunde auf ver-
ſchiedenen Gebieten der Voͤlkerge-
ſchichte umwälzend und aufklärend
wirken, jetzt ſchon Geſichtspunkte
eröffnend, deren Tragweite von
Vieien noch vor wenigen Jahren
nicht erfaßt wurde. Ünſere Wiſ-
ſenſchaft begründet ſich auf ſtreng
ſyſtematiſche Ausgrabungen ge-
ſchloſſener Gebiete. An dieſe
müſſen wir ohne Vorurtheile, aber
auch ohne vorgefaßte Meinungen
herantreten. Das nächſte Arbeitsfeld iſt draußen im
Walde, in den Feldern, und unſer Werkzeug: Spate,
Hacke und Schaufel. Nur ſo lernen wir ein Erfaſſen
jener längſt entſchwundenen Zeiten. In den Grabhügeln,
in den Ruͤheſtätten der Urbewohner liegen unſere Ur-
kunden, die dem Sehenden Aufſchlüſſe geben über Sitten
und Gebraͤuche, über Leben und Treiben, üher Kultur
und Technifk, über Glauben und Stagtsverfaſſung, üher
Tod und Begrabnitz der Menſchen, die vor vielen Jahr-
hunderten dieſelbe Scholle bebauten, auf welcher jetzt
uͤnſer Landmann für ſich und Andere arbeitet. Die 10
gemachten Grabfunde ſind der Untergrund für unſere
Forſchungen in der Vergleichung unteremander und mit
den Srabfunden anderer Gebiete und Länder. Der
Redner ging nun dazu über, in lichtvoller Weiſe die
einzelnen Perioden zu karakteriſiren, die Hauptmerkmale
der älteren (palaolithiſchen) und jüngeren (neolithiſchen)
Steinzeit anzuführen. Roh, ungefittet, noch in den
Kinderſchuhen der menſchlichen Enlwicklung ſtehend, be-
weiſt ſich die erſtere, während die Menſchen der jüngeren
Steinzeit, die Zeitgenoſſen der Rennthiere, ſchon einen
bedeutenden Foͤrtſchritt in der Kultur aufweiſen. Von
Die Geheimniſſe der Nitterburg. (Tert Seite 292.)
uns ihre Todten ſchon in Gräbern (Hocker). Bemer-
kenswerth iſt, daß nach Hervs die Maaße der Schädel
der Hoͤhlenbewohner Frauͤkreichs und Belgiens auffal-
lend mit jenen der Eskimos von Grönland und von
Labrador übereinſtimmen, indem ſie denſelben Naſen-
und Augenbrauenindex und denſelben Grad der Hume-
rustorſioͤn befizzen. Und Hamy beweiſt, daß alle die
Gegenſtände, die heute noch bei den Nordländern im
Geoͤrauche ſind, jenen volllommen gleichen, die man in
den neolithiſchen Niederlaſſungen Frankreichs, Belgiens,
der Schweiz und Württembergs gefunden hat. Das
kuͤnſtleriſche Gefühl der nordöſtlichen Stämme Sibiriens
und bei den Alaskas iſt ebenſo entwickelt wie bei den
Trogloditen der Dordogne, und nicht minder ſtimmen
die Sitten und Gebräuſche der arktiſchen Völkerſtämme
mit denen der früheſten Bewohner Frankreichs, Belgiens,
der Schweiz und Süddeutſchlands überein. Wir haben
alſo mit einer nahen Verwandtſchaft aller dieſer Stämme
zu rechnen. Das Ende der Steinzeit macht ſich durch
das Auftreten des Kupfers bemerklich, das noch in der
den Steinwerkzeugen nachgebildeten Form ſich darſtellt.
Die Beftattung ändert ſich, die hockende Stellung wird
aufgegeben. Der Körper iſt nur noch in den Lnieen ge-
bogen. Wir ſtehen in der Ueber-
gangsperiode zur Broncezeit. Neue
Völkerſchaften dringen ein in un-
ſere Gegend und führen aus ihrer
bisherigen Heimath ein neues Me-
tall ein: die Bronce. Die ältere
Broncezeit kennt nur erſt einfache
gegoſſene Formen, ſchlicht, ſchwer,
die Ornamentik gering, ebenſo
das Grabinventar karg und gering.
Wie in der Steinzeit dient auch
jetzt noch Dolch und Beil zu glei-
cher Zeit als Waffe und Werkzeug.
Die Entwicklung der Formen läßt
ſich gut verfolgen. Verbindungen
mit befreundeten Stäumen, Ein-
dringen von Händlern aus dem
Norden, die mit dem Bernſtein
ſicher auch künſtleriſch beſſer aus-
geaͤrbeitete Broneeſachen einführen,
ziehen eine Entwicklung des Ge-
ſchmackes, der Technik nach ſich.
Nadeln, Dolche, Palſtäbe werden
geſtaltreicher, und das Schwert tritt
auf. Gegen das Ende der ältexen
Broncezeit iſt eine Zunahme des
allgemeinen Wohlſtandes unver-
kennbar; die Teicher werdenden
Grabinventare beweiſen es. Die
Dolche und Schwerter werden
beſſer ausgebildet, die Nadeln
profilirt, die Axmbänder ſtärker
gegoſſen und mit ſchönen Orna-
menten verſehen. In Steinhügeln
ruht der beſtattete Frühbronce-
mann und ſein Weib in vollem
Schmucke. Die Gefäße ſind noch
nicht ſo zahlreich. Zum Jenſeits
genügt 1—2 Gefäße. Die jüngere Broncezeit tritt auf,
bemerkbar am veränderten Grabhügel, dem ſchichtenweiſe
Boden zugegeben iſt. Die Leichenverhrennung wird ein-
geführt. Immer reicher iſt die Erweiterung der Formen
und Ornamente, die Profilirung der Nadeln und Arm-
händer. Der Bronceguß, hergeftellt durch Wachswodelle,
iſt tadello3 geworden. Palſtab, Dolch und Schwert
wird kunſtreicher. Das Meſſer tritt auf. Die Frauen
erſcheinen mit Broncegürteln. die lang und dünn Herge-
flellt werden. Die Thongefäße werden mannigfaltiger-
bielfach vortrefflich geaͤrbeitet, jedoch aus der Hand-
nicht auf der Drehſcheibe. Noch iſt das Geld ſehr ſelten.