*
ULTE
IIIIIII
Verbürgte
Auflage 3000.
Verſteigerungen und Alterthumskunde.
IIIII
Verbürgte
” Stuttgart 1894,
— _ Mündhen 1895.
Abonuement:
Deutſchland u. DefterreiH A 2,50
vierteljährlich, Ausland M 3.—.,.
Nr. 45.
Stuttgart, 6. November 1895.
Erſcheint wöchentlich.)
Auzeigen:
Die Nonpareilezeile oder deren
Naum 20 Pfg., Auttionen 30 Pfg.
3. Jahrgang.
Welchen Nutzen gewährt uns
die Fachzeitung?
Von J. Kurth.
Nachdruck verboten.)
1) Als archäologiſche Zeitſchrift.
Gine unſerer lieblichſten
Weil nun aber die Archäologie noch relativ jung jſt,
ſo liegt in ihrem Studium eine große G efahr für
die objektive Forjhung. Wir find ſehr leicht geneigt,
aus einzelnen Funden ausgedehnte Konſequenzen zu
ziehen, unſern eigenen Vorurtheilen die Bedeutung neuer
Exrungenſchaften unterzuordien, Syſteme aufzu -
richten, odne genügendes Baumaterial zu haben; ja,
in jede neue Entoͤeckung eine Beſtätigung unjerer Lieb-
(ingsfheorien einzutragen. Hier ſpringt nun insbeſondere
Scheuern geſammelt worden find, ehe wir daran gehen
dürfen, aus dem Vorhandenen Thegrien zu erzerpiren
und den Stoff nach beſtimmtem Schemg zu ordnen.
Darum wird unſer Blatt gerade Denen ſchaͤtzenswexth
jein, die ſich fern von ſpeziellen Streitigkeiten der
Selehrtien eine objektive Kenntniß der Details erwerben
wolNen. Aber noch einen anderen Nutzen gewährt uns
eine derartige Zeitſchrift, der mit dem vorigen im
engſten Zuſaͤmmenhange ſteht. Es iſt ſchwer, dem Un-
eingeweihten das Entzücken zu
ſchildern, welches einen Forſcher
Volksſagen, die ſchon im nor-
diſchen Walkürenmythus ein Pro-
totjp hat, erzählt von dem ſchla-
fenden Dornröschen, das ein Prinz
aus tauſendjährigem Schlummer
erweckt. Man hat dieſes Märlein
oft allegoriſch verwerthet, ſo Uh-
Yand auf die in ſeiner roman-
tiſchen Epoche wiederauferſtandene
Minneſängerzeit. Auch wir wol-
len es auf's Neue für unſere
Biſſenſchaft anwenden: Ver-
ſunkene Weltreiche ſind uns wie-
der durch moderne archäologiſche
Forſcher aus tauſend jährigem
bei einem neuen Funde, einer
neuen Entdeckung beſeelt. Man
kann hierbei an des Famu:
lus Wagner Worte denken-
„Und ach! entrollſt du gar ein
würdig Pergamen, ſo ſteigt der
ganze Himmel zu dir nieder.“
Diefe Goethe ſche Figur iſt ſo recht
das Abbild eines for-
ſchenden Gelehrten, der-
wie die Biene ihren Saugrüſſel
in jedes noch ſo unſcheinbaxe
Blümlein ſenkt, um ein Tröpflein
Honig einzuheimſen, ſo auch die
8 2
Schlafe erweckt worden, Helden — geringjten wijfenjhaftlidhen De-
der Wiſſenſchaft haben die be— * rails mit Bienenfleiß unterſucht,
fchwerlichen Dornenheken nieder 2 um etwas Neues für ſein gelieb-
2
und uns den Eingang verſchafft
in die Pforten einer vorher un-
enträthjelten Vergangenheit. Die⸗ 2—
ſe Zauberreiche auch breiteren
Maſſen zu erſchließen, ſie einzu-
weihen in früher unbekannte
Sphären, ſie mit warmer Liebe
zu begaben für die Reliquien
odter Völker, die uns oft reiche
Fundgruben ihrer geiſtigen Ent-
wickelung bieten, das muß die
erſte Aufgabe einer Zeitung üher
Alterthuiuskunde ſein. das i ſt
Auch die erſte Aufgabe,
die HO un ſexe Fachzei-
tung geſtellt hat. Denn im
Meere der Vergangenheit
ſiegen die Schlüſſel für die G e-
genwart verſentt; ſie empor-
zuheben, unſerer Zeit zu zeigen,
wie andere Aeonen gedacht haben,
und daß ſie im Grunde ebenſo
genoſſen und entbehrt, geliebt und
*
2
(Text Seite 356.)
tes Studium zu entdecken. Es
iſt daher ganz fal ſch, wenn man
den Waßner als humoriſt-
iſche Perſon auffaßt, wenn er
auch natürlich neben dem
Cherubzgeiſte eines Fauſt.
der die höchſten Höhen und die
tiefſten Tiefen umfaſſen will,
feine günſtige Rolle
ſpielt. Darum hat auch der greiſe
Dichter im zweiten Theile ſeines
gewaltigen Werkes das fleißige
Suchen des Arbeitenden mit
glücklichem Finden gekrönt. Die-
ſer richtig erfaßte Wagnergeiſt
aber ſoll auch unſere For-
ſcher beleben. Man muß ein-
mal ſelbſt mit zitternder Hand
die Staubhüllen und Leimdecken
von einem zum Bucheinband ge-
mißbrauchten Pergamentblatt ge-
das Gold und den Farbenſchmelz
der neu erſtandenen Initi⸗—
‚gelitten haben, wie wir, aus ihnen
aber au Lehren und Vorbilder für unſere Tage zu
ziehen, das iſt eine Aufgabe, die wohl der beſten und
‚edeliten Kräfte wuͤrdig iſt. Es bedarf aber auch hierzu
yieler RKräfte, und darum wendet ſich unſer Blatt
zuerſt an Laien, um ſie für daS neue „Evangelium“
zır gewinnen, und aus Laien Dilettanten, aus
Dilettanten Kenner, aus Kennern For-
ſcher und Mitarbeiter zu machen für unſere
der Nutzen unſerer Fachzeitung in die Augen. Dadurch,
daß fieaphorifijh in kleinen Artikeln ob-
jeftives Material fammelt und die Syſtematik
den intereſſirten Leſern überläßt, wird ſie zu einem
werthvollen Archio ihrer Kiſſenſchaft,
das den derſchiedenen Richtungen Wilkommenes bietet.
Denn bei einer ſo neu aufſtrebenden Wiſſenſchaft iſt es
beſonders erforderlich, daß zunächſt einmal konſtatirt
junge Wiſſenſchaft.
wird, wieviele und welche Schätze bereits in ihre
alen geheftet haben, von einer
Mumienhand die Binden gelöft haben, um jene
niedlidhen pfauenblau glaſixten Ringlein zu entdecken,
wenn man Ddiefes Gluͤck des Forſchers mitempfinden
wil. Freilich, den Neophyten wird es kalt laſſen; der
Bauer zerſchneidet achtungslos mit der Pflugſchar eine
praͤhiftoriſche Urne, während dem Gelehrten der Fund
eine& antifen Torſos tauſendmal erguicklicher wäre,
als der einer gefüllten Geldbörſe. Aher wer einmal
dies Iebhafte Jütereſſe hat, wem einmal dies Entzücken
— OE B SE — — SE RE
— — —
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Verbürgte
Auflage 3000.
Verſteigerungen und Alterthumskunde.
IIIII
Verbürgte
” Stuttgart 1894,
— _ Mündhen 1895.
Abonuement:
Deutſchland u. DefterreiH A 2,50
vierteljährlich, Ausland M 3.—.,.
Nr. 45.
Stuttgart, 6. November 1895.
Erſcheint wöchentlich.)
Auzeigen:
Die Nonpareilezeile oder deren
Naum 20 Pfg., Auttionen 30 Pfg.
3. Jahrgang.
Welchen Nutzen gewährt uns
die Fachzeitung?
Von J. Kurth.
Nachdruck verboten.)
1) Als archäologiſche Zeitſchrift.
Gine unſerer lieblichſten
Weil nun aber die Archäologie noch relativ jung jſt,
ſo liegt in ihrem Studium eine große G efahr für
die objektive Forjhung. Wir find ſehr leicht geneigt,
aus einzelnen Funden ausgedehnte Konſequenzen zu
ziehen, unſern eigenen Vorurtheilen die Bedeutung neuer
Exrungenſchaften unterzuordien, Syſteme aufzu -
richten, odne genügendes Baumaterial zu haben; ja,
in jede neue Entoͤeckung eine Beſtätigung unjerer Lieb-
(ingsfheorien einzutragen. Hier ſpringt nun insbeſondere
Scheuern geſammelt worden find, ehe wir daran gehen
dürfen, aus dem Vorhandenen Thegrien zu erzerpiren
und den Stoff nach beſtimmtem Schemg zu ordnen.
Darum wird unſer Blatt gerade Denen ſchaͤtzenswexth
jein, die ſich fern von ſpeziellen Streitigkeiten der
Selehrtien eine objektive Kenntniß der Details erwerben
wolNen. Aber noch einen anderen Nutzen gewährt uns
eine derartige Zeitſchrift, der mit dem vorigen im
engſten Zuſaͤmmenhange ſteht. Es iſt ſchwer, dem Un-
eingeweihten das Entzücken zu
ſchildern, welches einen Forſcher
Volksſagen, die ſchon im nor-
diſchen Walkürenmythus ein Pro-
totjp hat, erzählt von dem ſchla-
fenden Dornröschen, das ein Prinz
aus tauſendjährigem Schlummer
erweckt. Man hat dieſes Märlein
oft allegoriſch verwerthet, ſo Uh-
Yand auf die in ſeiner roman-
tiſchen Epoche wiederauferſtandene
Minneſängerzeit. Auch wir wol-
len es auf's Neue für unſere
Biſſenſchaft anwenden: Ver-
ſunkene Weltreiche ſind uns wie-
der durch moderne archäologiſche
Forſcher aus tauſend jährigem
bei einem neuen Funde, einer
neuen Entdeckung beſeelt. Man
kann hierbei an des Famu:
lus Wagner Worte denken-
„Und ach! entrollſt du gar ein
würdig Pergamen, ſo ſteigt der
ganze Himmel zu dir nieder.“
Diefe Goethe ſche Figur iſt ſo recht
das Abbild eines for-
ſchenden Gelehrten, der-
wie die Biene ihren Saugrüſſel
in jedes noch ſo unſcheinbaxe
Blümlein ſenkt, um ein Tröpflein
Honig einzuheimſen, ſo auch die
8 2
Schlafe erweckt worden, Helden — geringjten wijfenjhaftlidhen De-
der Wiſſenſchaft haben die be— * rails mit Bienenfleiß unterſucht,
fchwerlichen Dornenheken nieder 2 um etwas Neues für ſein gelieb-
2
und uns den Eingang verſchafft
in die Pforten einer vorher un-
enträthjelten Vergangenheit. Die⸗ 2—
ſe Zauberreiche auch breiteren
Maſſen zu erſchließen, ſie einzu-
weihen in früher unbekannte
Sphären, ſie mit warmer Liebe
zu begaben für die Reliquien
odter Völker, die uns oft reiche
Fundgruben ihrer geiſtigen Ent-
wickelung bieten, das muß die
erſte Aufgabe einer Zeitung üher
Alterthuiuskunde ſein. das i ſt
Auch die erſte Aufgabe,
die HO un ſexe Fachzei-
tung geſtellt hat. Denn im
Meere der Vergangenheit
ſiegen die Schlüſſel für die G e-
genwart verſentt; ſie empor-
zuheben, unſerer Zeit zu zeigen,
wie andere Aeonen gedacht haben,
und daß ſie im Grunde ebenſo
genoſſen und entbehrt, geliebt und
*
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(Text Seite 356.)
tes Studium zu entdecken. Es
iſt daher ganz fal ſch, wenn man
den Waßner als humoriſt-
iſche Perſon auffaßt, wenn er
auch natürlich neben dem
Cherubzgeiſte eines Fauſt.
der die höchſten Höhen und die
tiefſten Tiefen umfaſſen will,
feine günſtige Rolle
ſpielt. Darum hat auch der greiſe
Dichter im zweiten Theile ſeines
gewaltigen Werkes das fleißige
Suchen des Arbeitenden mit
glücklichem Finden gekrönt. Die-
ſer richtig erfaßte Wagnergeiſt
aber ſoll auch unſere For-
ſcher beleben. Man muß ein-
mal ſelbſt mit zitternder Hand
die Staubhüllen und Leimdecken
von einem zum Bucheinband ge-
mißbrauchten Pergamentblatt ge-
das Gold und den Farbenſchmelz
der neu erſtandenen Initi⸗—
‚gelitten haben, wie wir, aus ihnen
aber au Lehren und Vorbilder für unſere Tage zu
ziehen, das iſt eine Aufgabe, die wohl der beſten und
‚edeliten Kräfte wuͤrdig iſt. Es bedarf aber auch hierzu
yieler RKräfte, und darum wendet ſich unſer Blatt
zuerſt an Laien, um ſie für daS neue „Evangelium“
zır gewinnen, und aus Laien Dilettanten, aus
Dilettanten Kenner, aus Kennern For-
ſcher und Mitarbeiter zu machen für unſere
der Nutzen unſerer Fachzeitung in die Augen. Dadurch,
daß fieaphorifijh in kleinen Artikeln ob-
jeftives Material fammelt und die Syſtematik
den intereſſirten Leſern überläßt, wird ſie zu einem
werthvollen Archio ihrer Kiſſenſchaft,
das den derſchiedenen Richtungen Wilkommenes bietet.
Denn bei einer ſo neu aufſtrebenden Wiſſenſchaft iſt es
beſonders erforderlich, daß zunächſt einmal konſtatirt
junge Wiſſenſchaft.
wird, wieviele und welche Schätze bereits in ihre
alen geheftet haben, von einer
Mumienhand die Binden gelöft haben, um jene
niedlidhen pfauenblau glaſixten Ringlein zu entdecken,
wenn man Ddiefes Gluͤck des Forſchers mitempfinden
wil. Freilich, den Neophyten wird es kalt laſſen; der
Bauer zerſchneidet achtungslos mit der Pflugſchar eine
praͤhiftoriſche Urne, während dem Gelehrten der Fund
eine& antifen Torſos tauſendmal erguicklicher wäre,
als der einer gefüllten Geldbörſe. Aher wer einmal
dies Iebhafte Jütereſſe hat, wem einmal dies Entzücken
— OE B SE — — SE RE
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