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Verbürgte
Auflage 3000. un d Alterthumskunde.
7 Da
1 IHHIWIIWIWWINHH 2
Abouuemeut:
Deutſchland u. Oeſterreich M 2.50
Stuttgart, 6. Februar 1895,
(Erſcheint wöchentlich.)
Nr. 6.
Anzeigen:
Die Nonpareillezeile oder deren
Raum 20 Pfg., Auktionen 30 Pfg.
3, Jahrgang.
vierteljährlich, Ausland m 3.—.
Vom Heidelberger Schloß.
Reit einer Reihe von Jahren haben Freunde der vaterlän-
diſchen Kunſt, ſowie Sachverſtändige dem leider unaufhaltſamen Ver-
jalle der prächtigen Figuren des Heidelberger Schloſſes ihre Auf-
merkſamkeit zugewendet. Schon im Frühjahre 1886 veröffentlichte
der Karlsruher Bildhauer Heer ein auch im Drucke erſchienenes
Gutachten, in dem die vorhandenen Schäden geſchildert werden. Nach
den in dieſem Gutachten niedergelegten Ausführungen wurden von
den ſechzehn Figuren des Otto Heinrichs⸗Baues damals ſechs als
ſo ſchabhaft befunden, daß die Möglichkeit ihres längeren Verblei-
vens am Baue in Zweifel gezogen wurde. Noch ſchlimmer ſtellte
ſich der Befund bei den Figuren am Friedrichs-Bau. Von den
jechzehn Niſchenfiguren diefes Baues ſind nur vier, nämlich die
Standbilder Ludwig's des Frommen, Rudolf's I, des däniſchen
Konigs Ehriſtof und Ludwig's VI. geeignet, an Ort und Stelle belaſſen zu werden. In noch höherem Grade
-find die auf den Giebeljpigen der heiden Zwerdhhäufer aufgeftellten Putten und das über dem Hauptgefimie
angebrachte Standbild der „SFujftitia“ gefährdet. Der um Heidelberg und jein unvergleichliches Schloß hoch-
“yerdiente RathH May3 hat e3 duͤlch jeine raftlojen Bemühungen duͤrchgeſetzt, daß der große Ausichuß von
Sachverftändigen, der im September 1891 in Heidelberg tagte, den Beſchluß faßte, den plaſtiſchen Schmuck ab-
fornien zu laͤffen, damit bei eintretender völliger Zerſtörung der Bildwerke wenigſtens zuverläßige Vorbilder
für ihre Erneuerung vorhanden ſeien. Bald aber verließ man den umſtändlichen Weg des Abformens. Im Laufe
des verfloffenen Sommerz ſchritt man zur unmittelbaren Nachbildung der Originalfiguren in Stein, zu welchem
Zwecke ein Theil derjelben nach Karlsruhe gebracht wurde. Am 26. und 27. Oktober des vorigen Jahres tagte
im diefer Angelegenheit in Karlsruhe und Heidelberg unter dem Vorſitze des Oberbaudirektors Dr. Durm von
Karlsruhe ein nom großherzoglichen Miniſterium der
Finanzen einberufener Ausſchuß, der außer dem Vor-
ſitzenden aus den Architekten Oberbaurath Schäfer,
Oberbaurath Dr. Warth, Baurath und Direktor
Kircher und den Vorſtänden des einſtigen Schloß-
bau⸗Bureaus, den Architekten Koch und Seitz in
Heidelberg, ſowie den Bildhauern v. Rümann in
München, Profeſſor Heer, Binz, Weltring und
Bauſer in Karlsruhe beſtand. Ueber das Gutaͤchten
dieſes Ausſchuſſes, ſowie über die ferneren Pläne be-
züglich des Heidelberger Schloſſes macht nun im 1,
Heſte des neuen Jahrgangs des „Zentralblattes
der Bauverwaltung Oberbaudirektor Dr. Durm
einige intereſſante Mittheilungen, aus denen wir das
Wefentlichſte hexausgreifen wollen. Der Ausſchuß hat
ſich dahin geäußert, daß die bis jebt gefertigten Nach-
bildungen ihren Zweck erfüllen und als fleißige und
ſorgfältige Arbeiten zu erachten ſeien. Freilich fehlt
den neuen Figuren der Schmelz der Jahre und der
goldige Ton, der die Oberfläche der Vorbilder deckt
Es wurde deßhalb, damit die neuen Skulpturen die
Farbenharmonie der Facade nicht ſtören, heſchloſſen,
eine künſtliche Patinirung vorzunehmen und dabei auch
die noch vorhandenen Spuren der ehemaligen Vergol-
dung wiederzugehen. Vorerſt ſoll mit einer Figur
die Probe geniacht werden, die Rudorfer EFirma
Barth & Co.) in München vornehmen ſoll. Die Ori-
ginalfiguren ſollen in Zukunft als vorbildlicher Lern-
ſtoff für junge Bildhauer dienen und zu dieſem Zwecke
in der Schloßkapelle des Friedrichsbaues aufgeſtellt
werden Bei der Aufſtellung der neuen Figuren ſollen
auch die ſie umgebenden Bautheile ausgebeſſert werden,
wobei ſo zu verfahren iſt, daß das ehrwürdige Gepräge
des Alten nirgends verwiſcht wird. Bei dem bekannt-
lich am beſten erhaltenen Friedrichsbaue iſt noch eine
weitere Wiederherſtellung in' Auge gefaßt. Seitdem
der verſtorbene Rath Mays ſeine umfaͤngreiche Samm-
lung pfälziſcher Alterthümer der Stadt Heidelberg ver-
macht hat, reicht das erſte Obergeſchoß des Friedrichs-
baues, in dem ſeither die ſtädtiſche Kunſt⸗ und Alter-
thumsſammlung untergebracht war, für dieſen Zweck
nicht mehr aus. Deßhalb wird jetzt auch das zweite
Obergeſchot dafür hergerichtet. Bei dieſer Gelegenheit
ſoll nun auch dem Dache des Friedrichsbaues ſeine alte
Form in ſtilgerechter Erneuerung wiedergegeben werden.
S, k. H. der Großherzog und das großherzogliche Mi-
niſterium der Finaͤnzen haben dieſe Anträge des Aus-
ſchuſſes gutgeheizen. Es beſteht kein Zweifel, daß die
baͤdiſche Abgeordnetenkammer die erforderlichen Mittel
bewilligen wird, ſo weit e& nicht ſchon geſchehen iſt.
Bei dieſer Gelegenheit wollen wir gleich einige No-
tizen zur Geſchichte des berühmten Heidelberger Faſſes
anfügen.
Das rieſige Faß, welches in den Ruinen des auf
dem Jettenbühel oberhalb Heidelbergs gelegenen Schloſ-
ſes der ſtaunenden Mitwelt als ein gewichtiges Monu-
ment des Kunſtfleißes unſerer Vorfahren gezeigt wird,
iſt keineswegs ſo alt, als man allgemein annimmt. €3
wurde 1751 von dem Hofkeller (Küper) Johann Jakob
Engler, dem Jüngeren, gebaut und ſoll zirka 80,000 Gul-
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7 Da
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Deutſchland u. Oeſterreich M 2.50
Stuttgart, 6. Februar 1895,
(Erſcheint wöchentlich.)
Nr. 6.
Anzeigen:
Die Nonpareillezeile oder deren
Raum 20 Pfg., Auktionen 30 Pfg.
3, Jahrgang.
vierteljährlich, Ausland m 3.—.
Vom Heidelberger Schloß.
Reit einer Reihe von Jahren haben Freunde der vaterlän-
diſchen Kunſt, ſowie Sachverſtändige dem leider unaufhaltſamen Ver-
jalle der prächtigen Figuren des Heidelberger Schloſſes ihre Auf-
merkſamkeit zugewendet. Schon im Frühjahre 1886 veröffentlichte
der Karlsruher Bildhauer Heer ein auch im Drucke erſchienenes
Gutachten, in dem die vorhandenen Schäden geſchildert werden. Nach
den in dieſem Gutachten niedergelegten Ausführungen wurden von
den ſechzehn Figuren des Otto Heinrichs⸗Baues damals ſechs als
ſo ſchabhaft befunden, daß die Möglichkeit ihres längeren Verblei-
vens am Baue in Zweifel gezogen wurde. Noch ſchlimmer ſtellte
ſich der Befund bei den Figuren am Friedrichs-Bau. Von den
jechzehn Niſchenfiguren diefes Baues ſind nur vier, nämlich die
Standbilder Ludwig's des Frommen, Rudolf's I, des däniſchen
Konigs Ehriſtof und Ludwig's VI. geeignet, an Ort und Stelle belaſſen zu werden. In noch höherem Grade
-find die auf den Giebeljpigen der heiden Zwerdhhäufer aufgeftellten Putten und das über dem Hauptgefimie
angebrachte Standbild der „SFujftitia“ gefährdet. Der um Heidelberg und jein unvergleichliches Schloß hoch-
“yerdiente RathH May3 hat e3 duͤlch jeine raftlojen Bemühungen duͤrchgeſetzt, daß der große Ausichuß von
Sachverftändigen, der im September 1891 in Heidelberg tagte, den Beſchluß faßte, den plaſtiſchen Schmuck ab-
fornien zu laͤffen, damit bei eintretender völliger Zerſtörung der Bildwerke wenigſtens zuverläßige Vorbilder
für ihre Erneuerung vorhanden ſeien. Bald aber verließ man den umſtändlichen Weg des Abformens. Im Laufe
des verfloffenen Sommerz ſchritt man zur unmittelbaren Nachbildung der Originalfiguren in Stein, zu welchem
Zwecke ein Theil derjelben nach Karlsruhe gebracht wurde. Am 26. und 27. Oktober des vorigen Jahres tagte
im diefer Angelegenheit in Karlsruhe und Heidelberg unter dem Vorſitze des Oberbaudirektors Dr. Durm von
Karlsruhe ein nom großherzoglichen Miniſterium der
Finanzen einberufener Ausſchuß, der außer dem Vor-
ſitzenden aus den Architekten Oberbaurath Schäfer,
Oberbaurath Dr. Warth, Baurath und Direktor
Kircher und den Vorſtänden des einſtigen Schloß-
bau⸗Bureaus, den Architekten Koch und Seitz in
Heidelberg, ſowie den Bildhauern v. Rümann in
München, Profeſſor Heer, Binz, Weltring und
Bauſer in Karlsruhe beſtand. Ueber das Gutaͤchten
dieſes Ausſchuſſes, ſowie über die ferneren Pläne be-
züglich des Heidelberger Schloſſes macht nun im 1,
Heſte des neuen Jahrgangs des „Zentralblattes
der Bauverwaltung Oberbaudirektor Dr. Durm
einige intereſſante Mittheilungen, aus denen wir das
Wefentlichſte hexausgreifen wollen. Der Ausſchuß hat
ſich dahin geäußert, daß die bis jebt gefertigten Nach-
bildungen ihren Zweck erfüllen und als fleißige und
ſorgfältige Arbeiten zu erachten ſeien. Freilich fehlt
den neuen Figuren der Schmelz der Jahre und der
goldige Ton, der die Oberfläche der Vorbilder deckt
Es wurde deßhalb, damit die neuen Skulpturen die
Farbenharmonie der Facade nicht ſtören, heſchloſſen,
eine künſtliche Patinirung vorzunehmen und dabei auch
die noch vorhandenen Spuren der ehemaligen Vergol-
dung wiederzugehen. Vorerſt ſoll mit einer Figur
die Probe geniacht werden, die Rudorfer EFirma
Barth & Co.) in München vornehmen ſoll. Die Ori-
ginalfiguren ſollen in Zukunft als vorbildlicher Lern-
ſtoff für junge Bildhauer dienen und zu dieſem Zwecke
in der Schloßkapelle des Friedrichsbaues aufgeſtellt
werden Bei der Aufſtellung der neuen Figuren ſollen
auch die ſie umgebenden Bautheile ausgebeſſert werden,
wobei ſo zu verfahren iſt, daß das ehrwürdige Gepräge
des Alten nirgends verwiſcht wird. Bei dem bekannt-
lich am beſten erhaltenen Friedrichsbaue iſt noch eine
weitere Wiederherſtellung in' Auge gefaßt. Seitdem
der verſtorbene Rath Mays ſeine umfaͤngreiche Samm-
lung pfälziſcher Alterthümer der Stadt Heidelberg ver-
macht hat, reicht das erſte Obergeſchoß des Friedrichs-
baues, in dem ſeither die ſtädtiſche Kunſt⸗ und Alter-
thumsſammlung untergebracht war, für dieſen Zweck
nicht mehr aus. Deßhalb wird jetzt auch das zweite
Obergeſchot dafür hergerichtet. Bei dieſer Gelegenheit
ſoll nun auch dem Dache des Friedrichsbaues ſeine alte
Form in ſtilgerechter Erneuerung wiedergegeben werden.
S, k. H. der Großherzog und das großherzogliche Mi-
niſterium der Finaͤnzen haben dieſe Anträge des Aus-
ſchuſſes gutgeheizen. Es beſteht kein Zweifel, daß die
baͤdiſche Abgeordnetenkammer die erforderlichen Mittel
bewilligen wird, ſo weit e& nicht ſchon geſchehen iſt.
Bei dieſer Gelegenheit wollen wir gleich einige No-
tizen zur Geſchichte des berühmten Heidelberger Faſſes
anfügen.
Das rieſige Faß, welches in den Ruinen des auf
dem Jettenbühel oberhalb Heidelbergs gelegenen Schloſ-
ſes der ſtaunenden Mitwelt als ein gewichtiges Monu-
ment des Kunſtfleißes unſerer Vorfahren gezeigt wird,
iſt keineswegs ſo alt, als man allgemein annimmt. €3
wurde 1751 von dem Hofkeller (Küper) Johann Jakob
Engler, dem Jüngeren, gebaut und ſoll zirka 80,000 Gul-
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