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Antiquitäten-Zeitung — 3.1895

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Nr. 51 (18. Dezember)
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1 IIII

——

AA



2

Verbürgte

Auflage 3000.

Verſteigerungen und Alterthumskunde.


E



Goldene Medaille



Abounement: Stutt t, 18. D ber 1895 Auzeigen:
Nr. 51. 2— — — wödentlig.) —— — 3. Jahrgang.
( : Bund oder von der Hüfte an bis zum Beſchluß des | der Aufſchlag: Nach dem Ueberzuge zum Kleide wird
Zur Geſchichte der Schneider. Gitrtels unter der Knieſcheibe genommen s und dadurch auch daͤs Unterfutter zugeſchnitten. Nun werden die
— —— bekommt er die Länge der Beinkleider: die Weite | zugefjhnittenen Theile zufammengenähet, theils durch

aber durch Ausmeſſung des Kniegürtels der Milte
und der Hüften.

Nach dem genommenen Maaße ſchneidet der Schuei-
der zu, und bedient ſich dabei, wenn er noch nicht ge-
nug geübt und erfahren iſt, eines papiernen Mſters.

2 VUuſer Gewährsmann ſagt 1804: So verächtlich
auch das Handwerk der Schneider von maͤnchen Men-
ſchen hehandelt wird; ſo unentbehrlich iſt e& doch unter
geſitteten Voͤlkern zur anſtaͤndigen Bekleidung des
menſchlichen Leibes, und in gewiſſer Ruͤckficht de-

die Stoßnath, theils durch Voroͤerſtiche, theils durch
die überwendliche Nath. Die Knopflöcher werden mit
einem feinen Scheerlein geſchnitten, mit Kamelgarın
verſchnürt und hernach verſchlungen, zuletzt vermittelit
des Knopflochholzes oder der Knopflochſchraube auZ-

gebügelt. Die Patten zu den Taſchen werden mit

hauptet das bekannte Sprüchwort: Kleider inachen
Leute; noch immer ſeine Rechte. G3 verarbeitei ;
gher der Schneider alle Arten von Zeugen und — N
Tüchern, um die nöthigen Kleidungsſtücen fuͤr 7 * —
Vanns- und Weihsperſonen daraus zu verfertigen
Daher theilen ſich die Schueider, beſonders in
groſſen Städten, in Manns und Frauͤenſchuͤeider ⸗
‚ab, und ihre Benennung zeiget ſchoͤn an, was fuͤr \

Arten von Kleidern durch fie gemacht werden. Es
giebt auch Theater⸗ und Zeltſchneider; erſtere de-
ſchäftigten ſich blos mit ſolchen Kleidungsſtücken,
die die Schauſpieler nöthig haben; und leßtere lie-
fern die Zelten für die Kriegsheere; machen aber
alle nır eine und eben dieſelbe Zunft aus.

An einigen Orten giebt es auch Kittel- oder
Löckleinſchneider, die allerhand Kleidungsftücke fuͤr
Kinder im Vorrath verfertigen, auch Wämfer, Ca:
miſöler, und andere kleine Kleidungsſtuͤcke auf den
Kauf machen, damit jeder Liebhaber fogteich nach
ſeinen Bedürfniſſen befriediget werden föune.

Jedes Kleid muß nach dem Leibe der Perſon,
die e3 tragen ſoll, gemacht werden; daher nimmt
der Schneider das Maaß zu demſelben, damit e
genau paſſe oder gut auf dem Leibe ſitze, und
ſchneidet e& nach dem genommenen Maaße zu.

Wird ein tuchenes Kleid gemacht, ſo läßt der
Schneider das Tuch vorher einlaufen, (frümpfen)
d, i., er benetzt e& mit Waſſer, damit e8, wenn
S beregnet wird, weder zuſammenſchrumpfe, noch
Flecken bekomme.

Das Maaß des Schneiders beſtehet aus zu-
ſammengelegten Papierſtreifen, wovon er {o viele
zuſammen nähet, daß dadurch die Länge eines
Lleides ausgemeſſen werden kann. SIn diefes
Maaß macht er nun bei jeder Ausmeſfung einen
oder etliche Einſchnitte, (Kerben) und bedient fich
hiebey feiner ſelbftgewaͤhlten Zeichen. Dieſes Maaß
legt er bei Mannsperjonen unter dem Kragen am
Haͤlſe an und mißt von da hinab bis zur Taille;
von der Taille hinab bis zu Ende des Kleides vder
Schoſſes, wodurch er die ganze hintere Länge des
Kleides erhält. Dann mißt er von einer Schulter

* vordern Stichnath aufgeſetzt, und darüber ran-
erirt.

Die meiſten Nathen werden mit dem Bügel-
eiſen gusgebügelt, damit ſie ſich platt niederlegen.
Das Untexrfutſer wird mit Fadenfchlaͤgen unterge-
ſchlagen, d. i, mit weitläufigen Stichen vorläufig
an das Oberzeug heveſtigt, und ſauber auf dem
Tuche ſtaffirt, (feine Tücher aber ſtaffirt man von
auſſen). Die Erniel werden theils mit einer Strick?
nath, theils mit Hinterſtichen eingeſetzt oder ge-
näht. Iſt nun alles fertig, ſo ziehet der Schneider
die Fadenſchläge aus, und bügelt die verſchiedenen
Theile des Kleides aus, und bẽdient ſich zum Aus-
bügeln der Ermel des Ermelholzes.

Die Weſte wird meiſtentheils auf gleiche Weiſe,
wie der Rock, genähet.

Der Frauenſchneider macht alle Arten von
Frauenzimmerkleidern, wie ſie die abwechſelnde
Mode einführet. Beſondexe Geſchicklichkeit foͤrdert
die Verfertigung einer Schnürbruſt, worein der
Oberleih eines Frauenzimmers eingepanzert wird;
Vernünftige Aerzte haben ſchon lauge gegen
das Tragen der Schnurbrüſte geeifert und der
Höchſtſel. Kaiſer, Joſeph der Zweite, hat ſolche
ſogar in ſeinen Erblanden verbolen; allein ſie er-
halten ſich noch immer in vielen Ländern durch
die Tyrannen der Mode, welche gewoͤhnlich die
Stimme der Vernunft nicht hören mag. Es giebt
aber gewöhnliche und engliſche Schnuͤrbruͤſte, in-
gleichen Corſelette. Sie ſind zu belaͤnnt, als daß
man ſich mit einer umſtändlichen Beſchreibung der
Bearbeitung derſelben aufhalten ſollte, und ſtiften
am wenigſten Schaden, wenn ſie mit dünnem Fiſch-
beine oder Darmſaiten geſteifet werden. Höckerichte
Schönen können dadurch am bequemſten den Fehler
ihres Leibes bedecken.

Die wichtigſten Werkzeuge des Schneiders ſind
perſchiedene Scheeren, Nadeln, Pfriemen, Finger-
hut, Ellenmaaß, Bügeleiſen, einige hölzerne Maaße
zum Abzeichnen der Kuopflöchet und dergleichen.
Er nähet mit Zwirn, Faden, Seide und Kamel-
garn, und muß ſich auf den Einkauf dieſer und

bis zur andern; ferner mißt er den Ermel aus von
den Schultern bis zum Ellenbogen, und von da
bis zum Beſchlußz des Aufſchlages kurz vor der Hand;
ingleiden nimmt er das Maaß um den ganzen Arm.
Auf eine ghnliche Art verfährt er auch mit dem
VWaaße in Anſehung des Vordertheils des Kleides,
Weiter mißt er die Weite unter den Armen, um den
Bauch und die Hüften. Gleicher Weiſe nimmt er das
Vaaß zu einer Weſte mit und ohne Ermel. Zu
Beinkleidern oder Hoſen wird das Maaß unter dem

Der Schneider im Jahre 1804, (Tert oben.)

Das Zuſchneiden iſt die Hauptſache bei dem
Schneiderhandwerke, und erfordert einen verſtändigen
Mann, Der Meiſtex ubernimmt es daher insgemein
ſelbſt, oder übergiebt e& nur einem bejahrten und ſehr
geübten Geſellen, oder einem erfahrenen verarmten
Meiſter.

Die Hintertheile werden zuerſt zugeſchnitten; dann
die Vordertheile; ferner die Srmel, die Vatten und

anderer Materialien ſeiner Profeſſion verſtehen, in-

gleichen auch die Guͤte oder den ſchlechten Gehalt
derſelben zu beurtheilen wiſſen.

Der Betrügereien, die man den Schneidern vor-
wirft, ſind gar viele, und ſie erlauben ſich manche
unter dem Titel der Handwerksvortheile; daher das
Sprüchwort entſtanden iſt:

Hier ein Laͤppchen,
dort ein Käppchen,

giebt dem Kinde auch ein Röckchen.
 
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