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Verbürgte
Auflage 3000.
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und Alterthumskunde.
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Stuttgart 1894.
Abonnement:
Nr. 4.
Stuttgart, 23. Januar 1895.
Erſcheint wöchentlich.)
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3. Jahrgang.
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Helme und Rüſftungen aus
der Ritterzeit.
(Mit 7 Illuſtrationen.)
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Im raufluſtigen Mittelalter war die liebe Haut
ein vielgefährdeter Artikel, und namentlich die Herren
vom Schwert, ob im Dienſte des Rechts oder des
Unrechts, hatten alle Urſache, die koſtbare und em-
pfindliche Körperhülle nicht zu leichtfertig zu Markt
zu tragen. Wo die Natur nicht zulangen will, muß
die Kunſt herhalten; Stahl und Eiſen wider Stahl
und Eiſen!
Der Waffenſchmied ſtand im höchſten Anſehen,
aber er durfte auch nicht feiern, weder am Ambos
noch am Zeichenbrett, denn ſeine Kunſt ſchritt vor-
wärts. Panzerhemd und Ringelpanzer,
Hirnkappe und Topfhelm waren von den
Plattenrüſtungen und Viſierhelmen über-
holt worden. Es war kein kleines Stück Arbeit. eine
ſolche Rüſtung zu hämmern, all' die einzelnen Theile
und Theilchen genau und richtig zu ſchmieden, daß
eins in's andere griff, ohne die Beweglichkeit zu
hemmen und ohne dem feindlichen Stahl eine Blöße
zu bieten. Da durfte kein Scharniex ſtocken, keine
Spalte klaffen, keine Kette reißen. Am beſten wird
ſich die kunſtvoͤlle Einrichtung einer ſolchen Schutz-
decke veranſchaulichen laſſen, wenn wir dieſelbe in
ihren einzelnen Theilen und Zuſammenſetzungen
vorführen.
Die Plattenrüſtung, welche den ganzen
Körper mit Ausnahme des Gefäßes und der Hinter-
ſchenkel, der Ellbogenbeuge und der inneren Hand
duͤrch ſtählerne Platten und Plättchen deckte, kam
gegen Ende des 13. Jahrhunderts in Aufnahme und
erreichte ihre höchſte Entwickelung zu Anfang des
16. Jahrhunderts.
! Die Halsberge bildete den oberſten Theil der
Rüſtung, das Verbindungsſtück zwiſchen Helm und
Harnkſch. Ihr Hauptzweck war, wie ſchon der
Name beſagt, den Hals des Ritters zu ſchützen, zu
bergen. An ihr wurden der eigentliche Harniſch
oder Panzer und die Achſelſtücke mit Riemen
befeſtigt.
deckte, beſtand aus einem Bruſt⸗ und aus einem
Rückenſt ück! Beide waren in der Regel aus je einer
ganzen Stahlplatte hergeſtellt, das Rückenſt ück platt
5der ſchwach gewölbt, das Bruſt ſtück ſpitz gewölbt oder
in der Mitte mit einem von oben nach unten laufenden
Grat verſehen, wodurch die höchſte Widerſtandsfähigkeit
gegen Lanzenſtöße erreicht wurde, da die Spitze auf der
Wölbung keinen Anhaltspunkt finden konnte und in
Folge deſſen nach der Seite abgleiten mußte. Außer
dieſem ganzen, aus e inem Stück beſtehenden Harniſch,
Prachtharniſch aus dem 17. Jahrhundert.
war noch der ſogenannte ganze Krebs, ein aus ein-
gefertigt, deren Bruſtſtück Vorderflüge und deren
Hinterftuͤck Hinterflüge genannt wurden. Der rechte
Vorderflug war, da die Lanze hier eingeſetzt wurde,
etwas kürzer, wodurch die Achſelhöhle bloßgelegt exſchien,
weßhalb man dieſe durch eine am Harniſch angebrachte,
mit einem nach aufwärts gebogenen Horn verſehene
Platte, die Schwebeſcheibe zu ſchützen ſuchte.
Der Harniſch oder Panzer, der den Oberleib
Panzer gebräuchlich. Zum Schutze des Unterleibs und
der Oberſchenkel erhiell der Harniſch einen aus be-
weglichen Querſchienen beſtehenden Fortſatz, der Leib-
und Hinterreifen, auch Vorder- und Hinter-
ſchurz genannt wurde,
Zuni Schutze der Arme und Beine bediente man
ſich des Arm- und Beinzeugs.
Die Armſchienen theilten ſich in ſolche für den
Ober⸗ und in ſolche für den Unterarm. Sie wurden
an den Achſelſtüſcken befeſtigt und waren durch das
Ellbogenſtück, Ellbogenkachelnoder Mäufeln
genannt, unter ſich beweglich verbunden.
An das Unterarmzeug ſchloſſen ſich die eiſernen
Panzerhandſchuhe, Rüſthand ſchuhe oder Hen-
zen genannt, an. Dieſe waren entweder Fauſthänd-
ſchuhe, bei welchen nur der Daumen eine beſondere
Bekleidung erhielt, während die übrigen Finger eine
gemeinſame Hülle umſchlaß, oder Finger handſchuhe,
welche aus den gegliederten Fingern und dem ge-
ſchienten Hand ſtück beſtanden. Das Handgelenk
zwiſchen Handfchuh und Armſchiene ſchützte
der Stulpen. Als Belegſtück dafür, wie weit es
der Waffenſchmied des 16. Jahrhunderts in der
Kunſt gebracht hatte, den einzelnen, ſelbſt den klein-
ſten Ruͤſtungstheilen Beweglichkeit unter ſich zu ver-
leihen, möge die „eiſerne Hand“ des Goͤtz von
Berlichingen hier erwähnt ſein.
Das Beinzeug zerfiel ebenfalls in das Rüſt-
zeug für Ober⸗ und Unterbein. Den vorderen Theil
des Schenkels bedeckten die Diechlinge (Dielinge)
oder Beintaſchen. Der hintere Theil desſelben,
der, wenn der Ritter zu Pferde ſaß, ohnedies durch
den tiefen eiſenbeſchlagenen Sattel geſchützt war,
blieb gaͤnz frei, Schienbein und Wade verhüllten die
Beinſchienen oder Beinröhren vollſtändig.
Die Verbindung zwiſchen O ber und Unterbein-
zeug ſtellten in derſelben Weiſe wie unter den
Armſchienen die Näufeln, die Knieſtücke
Eniekacheln oder kapſeln) her.
An den Beinſtücken wurden die Eiſen-
ſchuhe befeſtigt, welche geſchient waren und zuerſt
in ſpitzer Schnabelſchuhn Form, ſpäter aber,
gegen das Ende des 15. Jahrhunderts, meiſt vorn
ſtumpf Bärenfüße) getragen wurden.
In den Formen der Helme machen ſich die
verſchiedenſten Arten und Spielarten bemerkbar.
Die urſprüngliche Form des mittelaltexlichen
Helms iſt der Topfhelm, der im 13. Jahrhun-
dert getragen wurde. Im 14. Jahrhundert war er
nur noch als Turnierhelm gebräuchlich und
mußte ſich auch in der Form manche Abänderung
gefallen laſſen. Es entſtanden dadurch: der Stech-
helm, welcher zum Durchſehen nur eine ſchmale
Spalte frei ließ, und der Spangenhelm, welcher
dieſe Spalte ſchon erweitert, dafür aber mit einigen
Schutzbuͤgeln überwölbt aufnahm. Der eigentliche
Streithelm dieſer Zeit zeigte ſchon das bewegliche
Viſter und entwickelte ſich aus der einfachen Sa-
lade, die ungefähr die Form einer Fiſcherkappe hatte,
im Laufe des 15. und 16. Jahrhunderts bis zum voll-
ſtändigen Viſierhelm.
Der Viſierhelm war entweder ſo eingerichtet,
daß der Helmſtürz, das Biſier, ſich ganz auf-
ſchlagen oder theilen, d. h. halb auf und halb herab-
ſchlagen ließ. Den Helm pflegte man mit Wappen-
thieren und Federn zu ſchmücken, welche Zierraten
man Helmkleinodien, Helmſchmuck nannte.
Mit dem Viſierhelm haͤtte die Helmform ihre größte
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