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Baumeister: das Architektur-Magazin — 9.1911

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Heft 2
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Reicke, Emil: Kirchenbauten
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https://doi.org/10.11588/diglit.54602#0030

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DER BAUMEISTER . 1910, NOVEMBER.


♦Kirche in Flensburg. Emporengeschoss.

♦Kirche in Flensburg. Erdgeschoss. (Abb. Seite 23.)

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♦Arch. Jürgensen & Bachmann, Charlottenburg.
Kirche in Karlshorst bei Berlin. (Tafel 11/15.)

kleinerer Teil für Dissidenten be-
stimmt. Abgesondert davon,
durch die Friedhofsbauten ge-
trennt nach Norden zu finden
die Israeliten ihre Ruhestätte.
An der Strasse gegen Osten zu
liegen die Verwaltungsräume, in
der Mitte erhebt sich eine die
ganze Bauanlage beherrschende
Kapelle, zu beiden Seiten der-
selben die Hallen für die Leid-
tragenden und die Leichenhallen.
Dieoffenen Arkaden davordienen
für Privatgrüfte und geben Ge-
legenheit zur Aufstellung von
Grabdenkmälern.
Der Formencharakter der Bau-
ten ist der in dieser schon ganz
nach Italien hinneigenden süd-

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liehen Landschaft heimischen Bauweise
angepasst. Flach abfallende Dächer, ernste,
schlichte Arkaden, ruhig gegliederte Flä-
chen, nichts Aufdringliches, alles atmet
Mass und eine gewisse Zartheit, als ob die
Ruhe der Dahingegangenen ja nicht ge-
stört werden dürfte. „Italien ist das Land
der Toten“, hat Lamartine gesagt. Man kann
sagen, in diesem Campo Santo herrscht die
Architektur der Toten. Das Material ist
ein grau-rötlicher Porphyr, in ortsüblicher
Weise als Bruchsteinmauerwerk verwendet,
für die edleren Teile Marmor. Die äusseren
Fassadenflächen haben Verputz.
Diese kurze Uebersicht über die reiche
Schaffenstätigkeit des Meisters muss hier
genügen. Ein edles Mass herrscht in allen
seinen Bauten, das ist auch das, womit wir
am ehesten die bei Architekturschöpfungen
so sehr viel schwerer als bei anderen Pro-
duktionen der bildenden Kunst zu fassende
Eigenart des Künstlers kurzerhand defi-
nieren können. Etwas Vornehmes ist ihm
zu eigen, lieber begnügt er sich mit der
schlichtesten Wirkung, als dass er dem
Konventionellen, dem nur Gefälligen Kon-
zessionen machte. Vielleicht, wie wir schon
andeuteten, kommt in seinen Bauten auch
ein etwas schwerblütiger Charakter zum
Ausdruck, der bei einem Rheinländer bei-
nahe befremdet, eine gleichgestimmte Seele
aber umso mehr anzuziehen vermag. In
Nürnberg, in Bayern, wo man Schmitzens
Kunst kennt, erfreut er sich deshalb auch
in den weitesten Kreisen der grössten
Wertschätzung, die ihm von seinen Fach-
genossen überall in Deutschland zuteil wird.
Beweis dafür ist der Umstand, dass er nicht
nur wiederholt die ehrendsten Anträge er-
hielt — Anträge, die er alle ausschlug —
die Wiederherstellungsarbeiten bei unseren
vornehmsten Domen zu übernehmen, son-
dern auch zum Hochschulprofessor berufen
wurde. Immer wieder ergehen Aufforde-
rungen an ihn, Gutachten über die Instand-
setzung alter, über die Schaffung neuer
städtischer oder staatlicher Gebäude abzu-
geben oder als Preisrichter darüber zu
fungieren. Dass es ihm auch an äusseren
Ehrungen nicht gefehlt hat, braucht kaum
noch gesagt zu werden. Professor Schmitz
ist u. a. seit 1901 Ehrenmitglied der Münch-
ner Akademie.
Schmitz hat Nürnberg nicht mehr ver-
lassen wollen. So still und zurückgezogen
er lebt — er ist Junggeselle — erfreut er
sich hier doch einer leicht zu erklärenden
Popularität. Nicht zum wenigsten verdankt
 
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