BEILAGE ZU: R P n D A T T Ä A F I CT F D -monatshefte-
1 r K KAI /VI r > H rv FUR Architektur
1925 : JUNI : H.6 ' JL/1 V 011 O 1 T 1 L/1 U A Lul\ UND BAUPRAXIS
Streiflichter zum Kapitel Wohnungsnot
Mit unendlichen Reden, glatten und wohlfeilen Worten,
grauen Theorien, die von einer bewunderungswerten Un-
kenntnis der Verhältnisse zeugen, überhäuft man heute ein
Volk, das durch die Elendspolitik des letzten Jahrzehntes um
seine heiligsten Güter, das Recht der Arbeit und das Recht
des Heimes, gebracht wurde, um ihm das Bestreben vorzu-
täuschen, eine aktive Arbeit zur Behebung dieser Mängel
zu leisten oder geleistet zu haben. In allen Städten sind
Tausende von Familien ohne Wohnung, Tausende von Fa-
milien in Wohnungen, die jeglicher menschlichen Kultur,
allen moralischen und hygienischen Forderungen unerträglich
gegenüberstehen, und welche Maßregeln wurden ergriffen,
um diese schreiende Not zu beheben?
Ein gemächlich arbeitender gesetzgebender Körper schenkte
den Bedürftigen vor allem das Reichs-Wohnungsmangelgesetz
vom 26. Juli 1923 und eine weitere Steuer-Notverordnung
vom 14. Februar 1924. Genügt das nicht? Man gewährt
den Baulustigen Zuschüsse zur Beschaffung von Wohnungen,
soweit mindestens zwei Drittel der Baukosten von dem Ge-
suchsteller aufgebracht werden können! Gewiß, durch die
Gewährung des Bauzuschusses wurden Wohnungen erbaut,
aber ihre Zahl hatte so gut wie nichts zu bedeuten. Warum,
die Frage ist leicht zu beantworten. Der „beschränkte Unter-
tanenverstand“, der geneigt sein mag anzunehmen, daß die
Millionen von Goldmark, die das Reich aus einer „Mietsteuer“
und einem hochprozentigen „Steuerzuschlag zur Förderung
des Wohnungsbaues“ aus den Taschen der Steuerzahler er-
hält, dem Zwecke, zu dem sie angeblich erhoben werden,
auch tatsächlich zufließen würden, wird bitter enttäuscht sein
müssen, wenn er den minimalen Prozentsatz vernimmt, wäh-
rend ein überaus größerer Teil in Wirklichkeit der „Sanierung
der Staatsfinanzen“ dienlich gemacht wird!
Sanierung der Staatsfinanzen? Entfällt unter diese Rubrik
vielleicht die Errichtung einer in der heutigen Zeit geradezu
unverständlich großen Anzahl von staatlichen Amtsgebäuden,
Riesengebäuden, wie man sie selbst in den guten und reichen
Vorkriegsjahren nicht erbaute? Besonders die Reichspost
hat in den letzten Jahren eine geradezu auffallende Tätigkeit
aufgewiesen, ein mächtigeres Gebäude um das andere er-
stellt, ein Grundstück um das andere angekauft. München
hat in den letzten Jahren auf dem Marsfelde ein riesiges
Posthaus mit einer Baufläche von über 100 Metern im Quadrat,
einer Höhe von 6 Stockwerken erhalten, das in seinem In-
neren Räume enthält, die wohl und sicherlich auch in besseren
Zeiten entbehrlich gewesen wären. Diesem Riesenblocke,
den der gesunde Münchener Volkswitz schon während der
Bauzeit den „Neubau des Asyls für abgebaute Beamte“ dank
seiner Größe und geradezu „einfachen“ architektonischen
Außengestaltung nannte, folgten in verhältnismäßig kurzen
Abständen zwei neue Postbauten in der Winthirstraße und
Isabellastraße, viergeschossige Häuser, deren obere Stock-
werke je zwei Wohnungen für höhere Postbeamte von 6 bezw.
8 Zimmern pro Wohnung bergen! Gewiß, es ist schließlich
allgemein bekannt, daß nach einem längst veralteten Gesetze
einer guten Vorkriegszeit dem Beamten mit dem oder jenem
Titel und Range eine Wohnung von soundsovielen Zimmern
zuerkannt worden war; trotzdem aber wird sich jeder ob-
jektive Mensch heute nicht zu Unrecht die Frage vorlegen
müssen, inwieweit ein derartiges Gesetz in der heutigen Zeit,
unter derart veränderten Verhältnissen noch Geltung haben
könne und dürfe, wo andererseits Familien mit sechs bis
zehn Köpfen sich mit Zwei- und Dreizimmerwohnungen be-
gnügen müssen.
Es mag hier die Frage berechtigt erscheinen, ob die Reichs-
post alle ihre Bauten aus Ueberschüssen ihrer Betriebe er-
richtet hat, und wenn, ob diese Ueberschüsse nicht eine zeit-
entsprechendere Verwendung zur Sanierung der staatlichen
Finanzen hätten erfahren können, sodaß die dem Volke zu
einer angeblichen Förderung der Wohnungsverhältnisse ab-
gezwungenen Gelder auch ihrer wirklichen Bestimmung
hätten zugewendet werden können.
Während hier Millionen der „Organisationsliebe“ des hei-
ligen Bureaukratismus verwendet und vergeudet werden,
fallen wiederum Millionen dem Unverstand und der Uneignung
für die einzunehmenden Posten einzelner Beamter zum Opfer.
Ueber dreieinhalb Millionen Goldmark ehemaligen Volksver-
mögens haben die Führer der Berliner Wohnstätten G. m. b. H.,
in Form von Krediten an die — Trianon - Film - A. - G.
im besten und wahrsten Sinne des Wortes, wenn auch in
vielleicht bester Absicht, verplempelt! Das Ergebnis der
am 4. Juni vor dem Schöffengericht in Berlin beginnenden
Verhandlungen wird über manche interessierenden Fragen
Auskunft geben.
Das eine läßt sich jedenfalls und jederzeit ohne Zweifel
aussprechen, daß die bisher geleistete Arbeit und das bisher
gezeigte Verhalten der zuständigen Behörden keinerlei be-
sonderen Anlaß zu einem überaus vehementen Vertrauen, daß
sie ihren Aufgaben gerecht werden können, gibt, solange ihre
Bibelfestigkeit einzig in der Anlehnung an Math. 23,3 besteht:
Haltet euch an meineWorte und nicht an meineWerke! Rola.
Neues Bauen
Von Baurat Ziehme - Karlsruhe.
Die Erfahrungen des vergangenen Jahrhunderts haben ge-
lehrt, daß der Verwendung von Baustoffen für Hohlbauten
jeder Art nicht immer die nötige Sorgfalt zugewendet worden
ist, wie dies vom wirtschaftlichen, bautechnisch-künstlerischen
und physikalischen, vor allem aber vom wissenschaftlichen
Standpunkt aus nötig gewesen wäre. Die Gründe sind in
verschiedenen Umständen zu erblicken.—Zumeist sieht der
Schöpfer eines Bauwerkes sein Objekt nur unter dem Ge-
sichtswinkel des Baukünstlers an, dem Konstruktion, Renta-
bilität und physikalische Eigenschaften des Bauwerkes als not-
wendiges Uebel erscheinen, die er aber bis zu einem gewis-
sen Grade mit in seine Rechnung einzusetzen hat. Der Bau-
leiter oder der Bauwerkmeister hingegen, dem die Wahl der
geeignetsten Baustoffe in erster Linie obliegt, ist in der Re-
gel von den bisher üblichen zur Verwendung kommenden Bau-
stoffen so beherrscht und von ihrer Güte so überzeugt, daß
er glaubt, gegen die Regeln der Bautechnik und Baukunst zu
verstoßen, wenn er zu den Neuerungen greifen würde, von
denen er während seines Studiums vielleicht nichts gehört und
die er auch in der Praxis noch nicht erschöpfend kennen zu
lernen Gelegenheit hatte, um ein Werturteil darüber bilden zu
können.
Dem Unternehmertum fällt vermöge seiner Einrichtungen
und seiner wirtschaftlichen Stärke daher die Pflicht zu, auf
dem Gebiete der Baustofferzeugung und der zur Verwendung
kommenden Konstruktionen Neues zu schaffen, wie dies auf
dem Gebiete des Maschinenbaues, der Elektrotechnik, der che-
mischen Industrie, des Schiffs-, Eisenbahn- und Flugzeugbaues
Industrielle mit ihrem Stab von Ingenieuren,Werkmeistern und
Facharbeitern bislang mit besten Erfolgen getan haben.
— Naturgemäß erwächst den Laboratorien, den wissenschaft-
lichen Instituten der techn. Lehrstellen, vornehmlich aber den
techn. Versuchsanstalten derHochschulen die Pflicht, auf Grund
der ihnen stets im großen Maße zur Verfügung stehenden aka-
demischen Kräfte an Lehrern und Schülern, sowie Meßin-
strumenten und Prüfständen, unterstützend und anregend ein-
zugreifen und an Hand von Messungen, Berechnungen und
Beobachtungen die praktischen Ergebnisse wissenschaftlich
festzuhalten, um diese der Fachwelt und dem jüngeren Nach-
wuchs in belehrender und aufklärender Weise zuzueignen.
So hat sich beispielsweise der Eisenbetonbau seit etwa 25
Jahren in der Praxis trotz erheblicherWiderständedurchgesetzt,
der dem Bauingenieur ganz andere Wege wies und der dem
modernen Fabrik- und Großhausbau zu einer Bedeutung ver-
half, die noch vor einem Vierteljahrhundert jederPolytechniker
als phantastisch abgelehnt haben würde. Wenn auch zugegeben
werden muß, daß der Eisenbetonbau nicht alle Vorzüge der
geforderten bautechnischen Eigenschaften besitzt, so bildet er
dennoch, namentlich als Traggerippe für Großbauten wie Waren-
häuser, Fabrikhallen, Speicherbauten u. a. m. den Schutz gegen
Feuergefahr, den eine andere Bauweise bisher keinesfalls auf-
weisen konnte.
Auch ist die Meinung vielfach verbreitet, daß alles unter
dem Zwang der Kriegsnöte Geschaffene minderwertig sei und
nicht bald genug über Bord geworfen werden könne. Und doch
ist es heute schon unstreitig klar, daß auch in den, mit den
schönen Namen „Ersatzbauweisen“ belegten Errungenschaften
manch guter Kern enthalten ist und bestimmt sein dürfte, in
kommender Zeit sich zu reifen Früchten zu entwickeln.
Trotz der allseitigen starken Widerstände haben es manche
Firmen sich nicht nehmen lassen, überzeugt von der Brauchbar-
keit ihrerneuen Baustoffe und Konstruktionen den Weiterausbau
ihrer Systeme und Verfahren mit Eifer und zähem Willen zu be-
treiben, schon deshalb nicht, weil die Erfahrungen in der Praxis
1 r K KAI /VI r > H rv FUR Architektur
1925 : JUNI : H.6 ' JL/1 V 011 O 1 T 1 L/1 U A Lul\ UND BAUPRAXIS
Streiflichter zum Kapitel Wohnungsnot
Mit unendlichen Reden, glatten und wohlfeilen Worten,
grauen Theorien, die von einer bewunderungswerten Un-
kenntnis der Verhältnisse zeugen, überhäuft man heute ein
Volk, das durch die Elendspolitik des letzten Jahrzehntes um
seine heiligsten Güter, das Recht der Arbeit und das Recht
des Heimes, gebracht wurde, um ihm das Bestreben vorzu-
täuschen, eine aktive Arbeit zur Behebung dieser Mängel
zu leisten oder geleistet zu haben. In allen Städten sind
Tausende von Familien ohne Wohnung, Tausende von Fa-
milien in Wohnungen, die jeglicher menschlichen Kultur,
allen moralischen und hygienischen Forderungen unerträglich
gegenüberstehen, und welche Maßregeln wurden ergriffen,
um diese schreiende Not zu beheben?
Ein gemächlich arbeitender gesetzgebender Körper schenkte
den Bedürftigen vor allem das Reichs-Wohnungsmangelgesetz
vom 26. Juli 1923 und eine weitere Steuer-Notverordnung
vom 14. Februar 1924. Genügt das nicht? Man gewährt
den Baulustigen Zuschüsse zur Beschaffung von Wohnungen,
soweit mindestens zwei Drittel der Baukosten von dem Ge-
suchsteller aufgebracht werden können! Gewiß, durch die
Gewährung des Bauzuschusses wurden Wohnungen erbaut,
aber ihre Zahl hatte so gut wie nichts zu bedeuten. Warum,
die Frage ist leicht zu beantworten. Der „beschränkte Unter-
tanenverstand“, der geneigt sein mag anzunehmen, daß die
Millionen von Goldmark, die das Reich aus einer „Mietsteuer“
und einem hochprozentigen „Steuerzuschlag zur Förderung
des Wohnungsbaues“ aus den Taschen der Steuerzahler er-
hält, dem Zwecke, zu dem sie angeblich erhoben werden,
auch tatsächlich zufließen würden, wird bitter enttäuscht sein
müssen, wenn er den minimalen Prozentsatz vernimmt, wäh-
rend ein überaus größerer Teil in Wirklichkeit der „Sanierung
der Staatsfinanzen“ dienlich gemacht wird!
Sanierung der Staatsfinanzen? Entfällt unter diese Rubrik
vielleicht die Errichtung einer in der heutigen Zeit geradezu
unverständlich großen Anzahl von staatlichen Amtsgebäuden,
Riesengebäuden, wie man sie selbst in den guten und reichen
Vorkriegsjahren nicht erbaute? Besonders die Reichspost
hat in den letzten Jahren eine geradezu auffallende Tätigkeit
aufgewiesen, ein mächtigeres Gebäude um das andere er-
stellt, ein Grundstück um das andere angekauft. München
hat in den letzten Jahren auf dem Marsfelde ein riesiges
Posthaus mit einer Baufläche von über 100 Metern im Quadrat,
einer Höhe von 6 Stockwerken erhalten, das in seinem In-
neren Räume enthält, die wohl und sicherlich auch in besseren
Zeiten entbehrlich gewesen wären. Diesem Riesenblocke,
den der gesunde Münchener Volkswitz schon während der
Bauzeit den „Neubau des Asyls für abgebaute Beamte“ dank
seiner Größe und geradezu „einfachen“ architektonischen
Außengestaltung nannte, folgten in verhältnismäßig kurzen
Abständen zwei neue Postbauten in der Winthirstraße und
Isabellastraße, viergeschossige Häuser, deren obere Stock-
werke je zwei Wohnungen für höhere Postbeamte von 6 bezw.
8 Zimmern pro Wohnung bergen! Gewiß, es ist schließlich
allgemein bekannt, daß nach einem längst veralteten Gesetze
einer guten Vorkriegszeit dem Beamten mit dem oder jenem
Titel und Range eine Wohnung von soundsovielen Zimmern
zuerkannt worden war; trotzdem aber wird sich jeder ob-
jektive Mensch heute nicht zu Unrecht die Frage vorlegen
müssen, inwieweit ein derartiges Gesetz in der heutigen Zeit,
unter derart veränderten Verhältnissen noch Geltung haben
könne und dürfe, wo andererseits Familien mit sechs bis
zehn Köpfen sich mit Zwei- und Dreizimmerwohnungen be-
gnügen müssen.
Es mag hier die Frage berechtigt erscheinen, ob die Reichs-
post alle ihre Bauten aus Ueberschüssen ihrer Betriebe er-
richtet hat, und wenn, ob diese Ueberschüsse nicht eine zeit-
entsprechendere Verwendung zur Sanierung der staatlichen
Finanzen hätten erfahren können, sodaß die dem Volke zu
einer angeblichen Förderung der Wohnungsverhältnisse ab-
gezwungenen Gelder auch ihrer wirklichen Bestimmung
hätten zugewendet werden können.
Während hier Millionen der „Organisationsliebe“ des hei-
ligen Bureaukratismus verwendet und vergeudet werden,
fallen wiederum Millionen dem Unverstand und der Uneignung
für die einzunehmenden Posten einzelner Beamter zum Opfer.
Ueber dreieinhalb Millionen Goldmark ehemaligen Volksver-
mögens haben die Führer der Berliner Wohnstätten G. m. b. H.,
in Form von Krediten an die — Trianon - Film - A. - G.
im besten und wahrsten Sinne des Wortes, wenn auch in
vielleicht bester Absicht, verplempelt! Das Ergebnis der
am 4. Juni vor dem Schöffengericht in Berlin beginnenden
Verhandlungen wird über manche interessierenden Fragen
Auskunft geben.
Das eine läßt sich jedenfalls und jederzeit ohne Zweifel
aussprechen, daß die bisher geleistete Arbeit und das bisher
gezeigte Verhalten der zuständigen Behörden keinerlei be-
sonderen Anlaß zu einem überaus vehementen Vertrauen, daß
sie ihren Aufgaben gerecht werden können, gibt, solange ihre
Bibelfestigkeit einzig in der Anlehnung an Math. 23,3 besteht:
Haltet euch an meineWorte und nicht an meineWerke! Rola.
Neues Bauen
Von Baurat Ziehme - Karlsruhe.
Die Erfahrungen des vergangenen Jahrhunderts haben ge-
lehrt, daß der Verwendung von Baustoffen für Hohlbauten
jeder Art nicht immer die nötige Sorgfalt zugewendet worden
ist, wie dies vom wirtschaftlichen, bautechnisch-künstlerischen
und physikalischen, vor allem aber vom wissenschaftlichen
Standpunkt aus nötig gewesen wäre. Die Gründe sind in
verschiedenen Umständen zu erblicken.—Zumeist sieht der
Schöpfer eines Bauwerkes sein Objekt nur unter dem Ge-
sichtswinkel des Baukünstlers an, dem Konstruktion, Renta-
bilität und physikalische Eigenschaften des Bauwerkes als not-
wendiges Uebel erscheinen, die er aber bis zu einem gewis-
sen Grade mit in seine Rechnung einzusetzen hat. Der Bau-
leiter oder der Bauwerkmeister hingegen, dem die Wahl der
geeignetsten Baustoffe in erster Linie obliegt, ist in der Re-
gel von den bisher üblichen zur Verwendung kommenden Bau-
stoffen so beherrscht und von ihrer Güte so überzeugt, daß
er glaubt, gegen die Regeln der Bautechnik und Baukunst zu
verstoßen, wenn er zu den Neuerungen greifen würde, von
denen er während seines Studiums vielleicht nichts gehört und
die er auch in der Praxis noch nicht erschöpfend kennen zu
lernen Gelegenheit hatte, um ein Werturteil darüber bilden zu
können.
Dem Unternehmertum fällt vermöge seiner Einrichtungen
und seiner wirtschaftlichen Stärke daher die Pflicht zu, auf
dem Gebiete der Baustofferzeugung und der zur Verwendung
kommenden Konstruktionen Neues zu schaffen, wie dies auf
dem Gebiete des Maschinenbaues, der Elektrotechnik, der che-
mischen Industrie, des Schiffs-, Eisenbahn- und Flugzeugbaues
Industrielle mit ihrem Stab von Ingenieuren,Werkmeistern und
Facharbeitern bislang mit besten Erfolgen getan haben.
— Naturgemäß erwächst den Laboratorien, den wissenschaft-
lichen Instituten der techn. Lehrstellen, vornehmlich aber den
techn. Versuchsanstalten derHochschulen die Pflicht, auf Grund
der ihnen stets im großen Maße zur Verfügung stehenden aka-
demischen Kräfte an Lehrern und Schülern, sowie Meßin-
strumenten und Prüfständen, unterstützend und anregend ein-
zugreifen und an Hand von Messungen, Berechnungen und
Beobachtungen die praktischen Ergebnisse wissenschaftlich
festzuhalten, um diese der Fachwelt und dem jüngeren Nach-
wuchs in belehrender und aufklärender Weise zuzueignen.
So hat sich beispielsweise der Eisenbetonbau seit etwa 25
Jahren in der Praxis trotz erheblicherWiderständedurchgesetzt,
der dem Bauingenieur ganz andere Wege wies und der dem
modernen Fabrik- und Großhausbau zu einer Bedeutung ver-
half, die noch vor einem Vierteljahrhundert jederPolytechniker
als phantastisch abgelehnt haben würde. Wenn auch zugegeben
werden muß, daß der Eisenbetonbau nicht alle Vorzüge der
geforderten bautechnischen Eigenschaften besitzt, so bildet er
dennoch, namentlich als Traggerippe für Großbauten wie Waren-
häuser, Fabrikhallen, Speicherbauten u. a. m. den Schutz gegen
Feuergefahr, den eine andere Bauweise bisher keinesfalls auf-
weisen konnte.
Auch ist die Meinung vielfach verbreitet, daß alles unter
dem Zwang der Kriegsnöte Geschaffene minderwertig sei und
nicht bald genug über Bord geworfen werden könne. Und doch
ist es heute schon unstreitig klar, daß auch in den, mit den
schönen Namen „Ersatzbauweisen“ belegten Errungenschaften
manch guter Kern enthalten ist und bestimmt sein dürfte, in
kommender Zeit sich zu reifen Früchten zu entwickeln.
Trotz der allseitigen starken Widerstände haben es manche
Firmen sich nicht nehmen lassen, überzeugt von der Brauchbar-
keit ihrerneuen Baustoffe und Konstruktionen den Weiterausbau
ihrer Systeme und Verfahren mit Eifer und zähem Willen zu be-
treiben, schon deshalb nicht, weil die Erfahrungen in der Praxis