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Baumeister: das Architektur-Magazin — 23.1925

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Beilage zu Heft 8
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Spanien
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https://doi.org/10.11588/diglit.70021#0199

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BEILAGE ZU;
1925 AUGUST H.8

DER BAUMEISTER

— MONATSHEFTE —
FÜR ARCHITEKTUR
UND BAUPRAXIS

Spanien

„Fern im Süd das schöne Spanien ..." — damit war
bis vor wenigen Jahren noch in den allermeisten Fällen unsere
Kenntnis sowie das Interesse für spanische Verhältnisse er-
schöpft. Daß in dem Lande auch noch Orangen wachsen, daß
mit seinem Klange auch noch Namen wie Christoph Kolumbus,
Cid, Don Quijote verbunden sind, daß aus der Zeit der
Maurenherrschaft noch hervorragende Baudenkmäler wie die
Alhambra überliefert sind — ändert alles dies etwas an der
Tatsache, daß uns dieses Land zum weitaus überwiegenden
Teile wirklich „spanisch“ war? Gewiß, es gab auch etliche
Deutsche, welche Spanien bereist hatten, getreulich alle Vor-
schriften ihres geliebten Baedekers dabei befolgten und schließ-
lich ihr Urteil dahin abgaben, daß trotz der zu beobachtenden
Grandezza der Bevölkerung das Charakteristikum in dem
sichtbaren Verfall des Landes beruhe, dessen nähere Ursachen
in einem historisch-traditionell gewordenen Rückstand und
Mangel an fortschrittlichem Empfinden zu erblicken sei.
Gewiß ist diese Feststellung als richtig anzusprechen, aber sie
darf nicht als verallgemeinende Formel gebraucht werden,
die ohne weiteres auf jeden Spanier paßt. Wollte ein Aus-
länder Deutschland etwa nach einem Berliner beurteilen, so
würde er sicherlich nicht nur den Widerspruch des Münchners
oder Hamburgers erleben, sondern auch nur ein bestimmtes
Teilbild ei halten, das niemals für die Gesamtheit gelten kann.
Wie Deutschland als Sammelbegriff einer Reihe von Ländern
mit vielfach grundverschiedenen Charaktereigenschaften an-
zusprechen ist, so muß auch der Spanier auf Grund einer
Summe von Teilbetrachtungen beurteilt werden, wie solche
bei den einzelnen Stämmen sich ergeben.
Spanien ist das Land der Gegensätze! Dem Wechsel seiner
Kulturen vergleichbar ist die Bodenbeschaffenheit des Landes:
Hier die endlosen Sandwüsten am Ebro, dort die märchen-
haften Gärten der Alhambra mit den zahlreichen Wasser-
spielen, aus dem tropischen Park von Malaga schweift der
Blick nach den schneebedeckten Höhen der Sierra Nevada wie
er ebenfalls inmitten vom Sonnenglanz bestrahlter grüner
Frühlingswiesen hingezogen wird zu dem düsteren Escorial.
Ein ähnliches Bild gibt die Sprache,' die in reiner Form Be-
standteile aus dem Lateinischen, Griechischen, Iberischen,
Arabischen etc. heute noch zeigt. Gegenüber Europa bildeten
die Pyrenäen einen bedeutsamen Trennungswall ebenso wie
die einzelnen Stämme unter sich durch die Felsen der
Sierras von einander abgesondert und somit ihrer Eigenart
ungehindert leben konnten. Bei allen Befehdungen, welche


Santa Maria laBlancha in Toledo

diese zahlreichen verschiedenen Reiche wie Leon, Kastilien,
Navarra, Arragon unter sich gegenseitig zu bestehen hatten,
herrschte dennoch sofort Einigkeit, wenn es sich um den
Kampf gegen die Mauren handelte. Ebenso blieb es auch
unvermeidlich, daß der stete Wechsel der Nationen ohne
Einfluß blieb. Der iberische Urbewohner mischt sich mit
Kelten, Phönizierp, Israeliten, Karthagern, Berbern und Römern.
Hierbei ereignet es sich, daß das unterworfene Land dem
herrschenden Volke seine Führer gibt: Seneca, Trajan, Marc
Aurel und Hadrian stammen aus der Provinz, in der die la-
teinische Sprache reiner gesprochen wurde denn in Rom selbst!
Ein bedeutsames Moment bildet auch die Zeit der ger-
manischen Anstürme, insbesondere die Herrschaft der West-
goten. Aus jener Epoche stammen zwei Haupteigenschaften
des heutigen Spaniers, welche von den germanischen Be-
herrschern übernommen wurden: ein fanatischer Eifer in
religiösen Angelegenheiten und ausgeprägter Stammesindi-
vidualismus. Der im Jahre 711 erfolgte Vorstoß der Araber
bringt im Jahre 755 das Califat von Cordoba, das auf die
Geschichte der spanischen Länder, hauptsächlich der süd-
lichen Teile, einen hochbedeutsamen Einfluß hatte, der vor-
nehmlich auf dem Gebiete der Künste deutlich sich erkennbar
macht. Wenn auch die Eroberer zunächst keinen bestimmten
Stil mit sich brachten und sich der vorgefundenen romanischen
und gotischen Formen bedienten, so entstand durch die Bei-
fügung der heimischen Zierformen dennoch eine neue Eigen-
art, die wir heute als spanisch-maurischen Stil zu bezeichnen
gewohnt sind und die heute noch dem Lande sein besonderes
Gepräge gibt. Unter der Herrschaft der Araber entstehen
drei besondere Mittelpunkte: Cordoba, Sevilla und Granada.
Cordoba, das Abendländische Mekka, ehedem nach seinem
Wappenspruche die Wohnstätte eines kriegerischen Volkes
und der Gelehrsamkeit klarer Brunnen, ist nur noch der Traum
an ein ehedem glänzendes Dasein!
Hier gilt wie nirgends so treffend das Wort Sic transit
gloria mundi. Holperiges Pflaster in erdrückend engen Gassen,
in denen es nicht möglich ist, einem entgegenkommenden
Eselsfuhrwerk auszuweichen, betritt der Fuß, während der
Geist gleichzeitig morgenländischen Atem empfindet und um
Jahrhunderte zurückversetzt wird. „Der krummstraßige und
versackte Stadtplan ist, in mittlerer Ursprünglichkeit zwischen
Toledo und Sevilla, aus der maurischen Großzeit. Auch
die Einwohnerzahl steht zwischen beiden. Aber in Toledo
fehlt die Vornehmheit, in Sevilla die Schäbigkeit Cordobas.
Der König Lear: Jeder Zoll ein König und ein Bettler zu-
gleich. Sieh nur diese residenzweißen Giebelchen! Man
denkt an den aufgebügelten Staatsrock eines Altgeschlecht-
lers, denn ihre Fensterchen plaudern es aus, daß die Ge-
schminkten noch Harems verdeckt haben mögen. Durch
einen offenen Eingang, oftmals auch hinter einem kunstvollen
alten Gitter blickt das Auge zuweilen plötzlich auf herrliche
Hofgärten, aus deren tropischem Grün heraus eine plätschernde
Fontäne sich emporhebt und den Bewohnern des Hauses
die angenehme Kühle bei ihrer beschaulichen Ruhe und
gemächlichen Geschäften in unbelauschter Stille spendet.
Der eigenartige Reiz einer morgenländischen Kultur kommt
aber vollends am stärksten fn der Mezquita zum Ausdruck.
In dieser Moschee, die neben der Kaaba die größte der Welt
ist, die einem Wald von Säulen gleicht, deren keine der an-
deren gleich ist und dieser doch wieder gleicht, offenbart
sich heute am stärksten der Gegensatz zwischen den beiden
Religionen, die in fanatischem Ringen sich bis aufs Blut be-
kämpften. Der Zufall hat es gefügt, daß der Gottesstätte
mitten ins Herz ein katholischer Chor eingesetzt wurde, dem
68 Säulen weichen mußten, um einem spätgotischen Bauwerke
des 16. Jahrhunderts Platz zu machen, das gleichsam das
Dach der Moschee sprengte, um triumphierend zum Himmel
empor zu streben. Zwei Welten haben sich hier neben-
einander zusammengefunden, ohne sich jedoch zu vereinen.
Unter Abderrahman IV. erlebte Cordoba seine glanzvollsten
Tage; seine Universität war der geistige Mittelpunkt des
Califates, von dem aus befruchtendes Leben in alle Rich-
tungen des Landes getragen wurde und dort neue Früchte
wachsen ließ. Gleichzeitig folgte eine äußerst reiche wirt-
schaftliche Entwicklung: eine lebhafte gewerbliche Tätigkeit
entfaltete sich Hand in Hand mit einem bedeutsamen Handel,
Wasserleitungen entstanden und durchzogen das Land und
verwandelten Andalusien in ein zweites Eden, dessen Lob
die Dichter mit den beredtesten Worten sangen. Heute führt
die Stadt ein melancholisches Dasein, vergessen im Wandel
der Zeiten. Im Gegensatz hierzu das benachbarte Sevilla,
 
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