DER BAUMEISTER □ 1925, AUGUST
71
Arch. J. van Laren H.B.O. u. B.N.A., Hilversum
Pfadfinder-Klubbaus in Hilversum
nismäßig ungetrübten wirtschaftlichen Verhältnisse eine we-
sentlich stärkere Bautätigkeit stattfinden konnte, wie in den
verarmten Kriegsländern. Man kann stundenlang in Amsterdam,
Rotterdam oder in Haag durch neuerbaute Straßen, neue
Wohnungs- und Stadtviertel fahren.
Was aber das Wesentliche dann sein wird, daß wir die frucht-
bare Arbeit der holländischen Neuerer anerkennen werden
müssen, mögen uns ihre Werke persönlich gefallen oder nicht,
daß wir eingestehen werden müssen, von unserem kleinen
Nachbarlande manches lernen zu können und daß mancher
unserer Nacheiferer an Ort und Stelle einsehen wird, daß
man veränderten Verhältnissen auch veränderte Rechnung
tragen muß. Vielleicht!?
Robert Langenberger.
Alte Städtebilder
Brinkmann sagt irgendwo einmal in seiner Deutschen
Stadtbaukunst der Vergangenheit: Solange die Bewunderung
alter Städte über die Zeit der Reisemonate nicht hinausgeht,
bleibt sie für die Entwicklung künstlerischer Werte ohne Be-
deutung. Die Richtigkeit dieser Behauptung dürfte wohl sicher-
lich über jeglichen Zweifel erhaben sein, nur erscheint sie
manchem vielleicht „etwas veraltet“, soweit sie nämlich die
alten deutschen Städte betreffen soll. Was kann man heute
in dem Zeitalter neuer Stilbestrebungen aus Alt-Deutschland
Fruchtbares schöpfen? Ziel unserer Studienreisen sind—soweit
es der Beutel erlauben sollte — Afrika, Türkei, China und
Japan, wo ein Ueberfluß an neuartigen Motiven unserer harrt,
seitdem wir uns der „Abgedroschenheit“ unserer überlieferten
Bauweisen bewußt geworden sind!
Wir suchen Formen, die einprägsam sind, einprägsamer
wie die alten es waren. Wer es bestreiten wollte, möge in
irgend eine Kunsthandlung gehen, welche Bilder von Professor
Hey oder Keller-Reutlingen, Ernst Dorn, Hans Fritsch,
Walter Georgi und andere mehr mit Verherrlichungen alter
deutscher Städte zeigt; er wird unter hundert Besuchern
zwar achtundneunzig — das muß eingestanden werden — be-
obachten, die Bild und Malerei als schön empfinden, er wird
aber auch unter den gleichen hundert Besuchern sicherlich
dreißig finden, die im gleichen Atemzuge ausrufen: Der Ort
kommt mir bekannt vor, wo habe ich ihn denn schon gesehen?!
Daraus mag gefolgert werden, daß dieser Ort eben doch
nicht so einprägsam durch seine Eigenart war, daß er in der
Erinnerung jener dreißig Besucher unauslöschbar haften ge-
blieben wäre. Welcher Gattung von Reisenden diese dreißig
Leute angehören, ob Kilometerfressern, ob sie seinerzeit nach
Rotenburg reisten, weil Bekannte von nebenan drei Wochen
vorher auch dort waren, das alles kann hier als nebensächlich
gelten, ebenso wie die Möglichkeit, daß einige davon vielleicht
überhaupt nicht dort waren.
Deshalb suchet jedenfalls Formen, die abstrakter, auffälliger
und einprägsamer sind! Holt aus einem Hofe in Fes die Form
für Fenster und Türen, im Palast des Bey von Constantine
suchet das ideale Muster für Innenausstattung und die Moschee
Sidi Abderrahman mag den Rest der Außengestaltung liefern,
mischt alles gut zusammen, verpflanzt es nach Deutschland
und seid gewiß, jedermann, der es gesehen, weiß bestimmt,
wenn er es einmal irgendwo abgebildet sieht, wo er dieses
Gebilde erschaut hat. Sollte das Verfahren Nachahmer finden,
so sei jeder bedacht, was er der Einprägsamkeit seiner
Schöpfung schulde und suche durch neue Formen die anderen
zu übertrumpfen. Besonders empfehlenswert sind zur Zeit
noch Korea und Japan, das ästhetische Empfinden der Südsee-
insulaner hingegen findet schon Beachtung und bei Ausstel-
lungen entsprechende Berücksichtigung.
Wir wollen jedoch von unserer Reise in fremde Länder
wieder zurückkehren nach alten deutschen Städten und damit
zurück zu dem B rinc km an nsch en Satze über die Ent-
wicklung künstlerischer Werte durch sie. Es gab eine Epoche
deutscher Romantik, da man im Wiederaufbau alter Burgen
und Ruinen und in der „Restaurierung“ alter Städtebilder
sich befleißigte, da man sich nicht genug tun konnte im Ko-
pieren alter Häuser und Festen. Wir lächeln heute darüber,
sind uns des Widersinnes bewußt, der in jeder Kopie des
Alten auf architektonischem Gebiete liegt. Das Problem einer
neuen Zeit schiebt sich zwischen das Einst und das Heute,
der Sinn der Architektur selbst verwirft heute, was er einst
gezeugt. Dieser Sinn aber drängt sich zusammen in den
Worten: Erfüllung des Zweckes! Die alte, winkelige Gasse,
die uns mit traulicher Heimlichkeit berückt, ist heute ein
Hindernis für den modernen und unseren Bedürfnissen an-
gepaßten Verkehr. Man hat langwierige Vergleiche gezogen
zwischen der ästhetischen Wirkung solcher alten Gassen und
unseren modernen Straßen, suchte nach Gründen und vergaß
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Arch. J. van Laren H.B.O. u. B.N.A., Hilversum
Pfadfinder-Klubbaus in Hilversum
nismäßig ungetrübten wirtschaftlichen Verhältnisse eine we-
sentlich stärkere Bautätigkeit stattfinden konnte, wie in den
verarmten Kriegsländern. Man kann stundenlang in Amsterdam,
Rotterdam oder in Haag durch neuerbaute Straßen, neue
Wohnungs- und Stadtviertel fahren.
Was aber das Wesentliche dann sein wird, daß wir die frucht-
bare Arbeit der holländischen Neuerer anerkennen werden
müssen, mögen uns ihre Werke persönlich gefallen oder nicht,
daß wir eingestehen werden müssen, von unserem kleinen
Nachbarlande manches lernen zu können und daß mancher
unserer Nacheiferer an Ort und Stelle einsehen wird, daß
man veränderten Verhältnissen auch veränderte Rechnung
tragen muß. Vielleicht!?
Robert Langenberger.
Alte Städtebilder
Brinkmann sagt irgendwo einmal in seiner Deutschen
Stadtbaukunst der Vergangenheit: Solange die Bewunderung
alter Städte über die Zeit der Reisemonate nicht hinausgeht,
bleibt sie für die Entwicklung künstlerischer Werte ohne Be-
deutung. Die Richtigkeit dieser Behauptung dürfte wohl sicher-
lich über jeglichen Zweifel erhaben sein, nur erscheint sie
manchem vielleicht „etwas veraltet“, soweit sie nämlich die
alten deutschen Städte betreffen soll. Was kann man heute
in dem Zeitalter neuer Stilbestrebungen aus Alt-Deutschland
Fruchtbares schöpfen? Ziel unserer Studienreisen sind—soweit
es der Beutel erlauben sollte — Afrika, Türkei, China und
Japan, wo ein Ueberfluß an neuartigen Motiven unserer harrt,
seitdem wir uns der „Abgedroschenheit“ unserer überlieferten
Bauweisen bewußt geworden sind!
Wir suchen Formen, die einprägsam sind, einprägsamer
wie die alten es waren. Wer es bestreiten wollte, möge in
irgend eine Kunsthandlung gehen, welche Bilder von Professor
Hey oder Keller-Reutlingen, Ernst Dorn, Hans Fritsch,
Walter Georgi und andere mehr mit Verherrlichungen alter
deutscher Städte zeigt; er wird unter hundert Besuchern
zwar achtundneunzig — das muß eingestanden werden — be-
obachten, die Bild und Malerei als schön empfinden, er wird
aber auch unter den gleichen hundert Besuchern sicherlich
dreißig finden, die im gleichen Atemzuge ausrufen: Der Ort
kommt mir bekannt vor, wo habe ich ihn denn schon gesehen?!
Daraus mag gefolgert werden, daß dieser Ort eben doch
nicht so einprägsam durch seine Eigenart war, daß er in der
Erinnerung jener dreißig Besucher unauslöschbar haften ge-
blieben wäre. Welcher Gattung von Reisenden diese dreißig
Leute angehören, ob Kilometerfressern, ob sie seinerzeit nach
Rotenburg reisten, weil Bekannte von nebenan drei Wochen
vorher auch dort waren, das alles kann hier als nebensächlich
gelten, ebenso wie die Möglichkeit, daß einige davon vielleicht
überhaupt nicht dort waren.
Deshalb suchet jedenfalls Formen, die abstrakter, auffälliger
und einprägsamer sind! Holt aus einem Hofe in Fes die Form
für Fenster und Türen, im Palast des Bey von Constantine
suchet das ideale Muster für Innenausstattung und die Moschee
Sidi Abderrahman mag den Rest der Außengestaltung liefern,
mischt alles gut zusammen, verpflanzt es nach Deutschland
und seid gewiß, jedermann, der es gesehen, weiß bestimmt,
wenn er es einmal irgendwo abgebildet sieht, wo er dieses
Gebilde erschaut hat. Sollte das Verfahren Nachahmer finden,
so sei jeder bedacht, was er der Einprägsamkeit seiner
Schöpfung schulde und suche durch neue Formen die anderen
zu übertrumpfen. Besonders empfehlenswert sind zur Zeit
noch Korea und Japan, das ästhetische Empfinden der Südsee-
insulaner hingegen findet schon Beachtung und bei Ausstel-
lungen entsprechende Berücksichtigung.
Wir wollen jedoch von unserer Reise in fremde Länder
wieder zurückkehren nach alten deutschen Städten und damit
zurück zu dem B rinc km an nsch en Satze über die Ent-
wicklung künstlerischer Werte durch sie. Es gab eine Epoche
deutscher Romantik, da man im Wiederaufbau alter Burgen
und Ruinen und in der „Restaurierung“ alter Städtebilder
sich befleißigte, da man sich nicht genug tun konnte im Ko-
pieren alter Häuser und Festen. Wir lächeln heute darüber,
sind uns des Widersinnes bewußt, der in jeder Kopie des
Alten auf architektonischem Gebiete liegt. Das Problem einer
neuen Zeit schiebt sich zwischen das Einst und das Heute,
der Sinn der Architektur selbst verwirft heute, was er einst
gezeugt. Dieser Sinn aber drängt sich zusammen in den
Worten: Erfüllung des Zweckes! Die alte, winkelige Gasse,
die uns mit traulicher Heimlichkeit berückt, ist heute ein
Hindernis für den modernen und unseren Bedürfnissen an-
gepaßten Verkehr. Man hat langwierige Vergleiche gezogen
zwischen der ästhetischen Wirkung solcher alten Gassen und
unseren modernen Straßen, suchte nach Gründen und vergaß