DER BAUMEISTER □ 1925, SEPTEMBER
81
Arch. Prof. Albin Müller - Darmstadt
Bürgeri. Wohnhaus der Christoph & Unmack AG. Niesky auf der J. D. A. Dresden
Strebungen bemüht sich die Industrie, unsere immer noch
recht verschwenderische Wärmewirtschaft sparsamer zu ge-
stalten. Die Torfoleumplatten für Wand, Boden und Dach
verringern den Materialaufwand um ein bedeutendes, und
der elektrische Speicher-Kachelofen der Siemens-Schuckert-
Werke, der in acht Stunden bei Nacht geladen und in 16
Stunden bei Tage entladen werden kann, eröffnet wirklich
erwärmende Aussichten für eine Zukunft, die uns die elek-
trische Kraft aus hundert Quellen als billigste und sparsamste
Heizkraft in Paläste und Hütten leiten mag.
Der Versuch von Bruno Paul, mit Hilfe von Eternit-Ze-
menttafeln ein „Plattenhaus“ in kubischer Form zu schaffen,
ist interessant und weniger abschreckend als die kastenar-
tigen Häuser des Hellerauer Architekten Lüd ecke, die mit Lithin-
Edelputz verkleidet sind. Bei HeinrichTessenovs bayrischer
Bierhalle wirkt die kubische Form an sich nicht schlecht,
nur im Hinblick auf den Zweck des Raumes etwas ausge-
fallen. Arch. Bitzau erreicht in seinem Familienhause durch
das gewölbte Spitzbogendach eine neuartige Silhouette und
eine ökonomische Ausnützung des Raumes. Das Haus des
sächsischen Handwerks von Oswin Hempel, wo Werkstätten
im Betrieb vorgeführt werden, gehört mit seinem vertieften
Brunnenhofe zu den gelungensten Bauten der Ausstellung.
Wir müssen es bei diesen wenigen Andeutungen bewenden
lassen. Sie sollen lediglich dartun, daß nicht nur der Laie
sondern auch der Fachmann auf der Jahresschau reichlichen
Stoff zum Nachdenken genügend findet darüber, wie Deutsch-
land aus seiner fast schon chronischen Wohnungsnot heraus-
kommen und wie es wieder zu einem gesunden Wohnungs-
markt gelangen soll, bei dem die Nachfrage durch das
Angebot geregelt wird. Eugen Kalkschmidt.
©
Die Aufnahmen der Kraftfahrhalle stammen von der Firma Jaeger
& Goergen - München, die der Luftfahrthalle von Photogr. S eh w ertl-
München und sämtliche Dresdener Aufnahmen von Photogr. A. P.Wai-
th e r - Dresden.
Das Kreishaus II und Finanzamt zu Bernburg in Anhalt
Von Dr. Wilhelm van Kemp en - Dessau, Dozent am Friedrich-Polytechnikum Cöthen in Anhalt
Zu den beachtenswerten, nach dem Kriege errichteten Ver-
waltungsgebäuden in Deutschland darf auch das Kreishaus II
und Finanzamt in Bernburg gezählt werden. Dieses Gebäude
erfordert um so mehr Interesse, als es keinen völligen Neu-
bau, sondern den Umbau der ehemaligen herzoglichen Reit-
bahn zum modernen Verwaltungsgebäude darstellt. Die
Reitbahn entstammt dem 18. Jahrhundert (Fürst Victor Fried-
rich errichtete sie 1756/57, Fürst Alexius Friedrich Christian
vollendete den Bau 1824/25), und wenn sie auch keinen eigent-
lichen architektonischen Wert besaß, so wurde doch die Er-
haltung des allgemeinen Charakters für notwendig und bin-
dend für den Architekten erachtet. Infolgedessen war die Auf-
gabe nicht leicht, die darin bestand, einen allen modernen
Anforderungen an ein größeres Verwaltungsgebäude durchaus
genügenden Bau zu errichten und gleichzeitig nach Mög-
lichkeit die alte Fassade zu wahren. Es darf wohl gesagt werden,
daß die Lösung dieser Aufgabe, Altes und Neues zu einen,
dem Architekten, Regierungs-und Baurat Dipl.-Ing. Wendler-
Bernburg, vollauf gelungen ist.
Eine vollständige Erhaltung der alten Fassade war unmög-
lich wegen der verschiedenartigen Geschoßeinteilung: die
Mitte, die eigentliche Reithalle, durch beide Stockwerke durch-
gehend, die Seitenrisalite zweigeschossig, aber ungleich auf-
geteilt. Die neue Bestimmung des Gebäudes forderte eine
gleichmäßig durchlaufende Zweistockeinteilung, bei der ein
Höhenausgleich zwischen Erd- und Obergeschoß notwendig
war. Die eigentliche Reithalle mußte als Einheitsraum ver-
schwinden, um in beiden Geschossen in Vestibül, Korridor
und nach Straße und Hof gelegene Diensträume umgewandelt
zu werden. An der Risalit-und Achsengliederung konnte aus
denkmalpflegerischen Gründen nichts geändert werden. Es
wurden daher die Fenster des Untergeschosses tiefer gelegt,
so daß für das Obergeschoß eine genügende Höhe erübrigt
wurde. Nur im rechten Seitenrisalit konnten die Fenster des
81
Arch. Prof. Albin Müller - Darmstadt
Bürgeri. Wohnhaus der Christoph & Unmack AG. Niesky auf der J. D. A. Dresden
Strebungen bemüht sich die Industrie, unsere immer noch
recht verschwenderische Wärmewirtschaft sparsamer zu ge-
stalten. Die Torfoleumplatten für Wand, Boden und Dach
verringern den Materialaufwand um ein bedeutendes, und
der elektrische Speicher-Kachelofen der Siemens-Schuckert-
Werke, der in acht Stunden bei Nacht geladen und in 16
Stunden bei Tage entladen werden kann, eröffnet wirklich
erwärmende Aussichten für eine Zukunft, die uns die elek-
trische Kraft aus hundert Quellen als billigste und sparsamste
Heizkraft in Paläste und Hütten leiten mag.
Der Versuch von Bruno Paul, mit Hilfe von Eternit-Ze-
menttafeln ein „Plattenhaus“ in kubischer Form zu schaffen,
ist interessant und weniger abschreckend als die kastenar-
tigen Häuser des Hellerauer Architekten Lüd ecke, die mit Lithin-
Edelputz verkleidet sind. Bei HeinrichTessenovs bayrischer
Bierhalle wirkt die kubische Form an sich nicht schlecht,
nur im Hinblick auf den Zweck des Raumes etwas ausge-
fallen. Arch. Bitzau erreicht in seinem Familienhause durch
das gewölbte Spitzbogendach eine neuartige Silhouette und
eine ökonomische Ausnützung des Raumes. Das Haus des
sächsischen Handwerks von Oswin Hempel, wo Werkstätten
im Betrieb vorgeführt werden, gehört mit seinem vertieften
Brunnenhofe zu den gelungensten Bauten der Ausstellung.
Wir müssen es bei diesen wenigen Andeutungen bewenden
lassen. Sie sollen lediglich dartun, daß nicht nur der Laie
sondern auch der Fachmann auf der Jahresschau reichlichen
Stoff zum Nachdenken genügend findet darüber, wie Deutsch-
land aus seiner fast schon chronischen Wohnungsnot heraus-
kommen und wie es wieder zu einem gesunden Wohnungs-
markt gelangen soll, bei dem die Nachfrage durch das
Angebot geregelt wird. Eugen Kalkschmidt.
©
Die Aufnahmen der Kraftfahrhalle stammen von der Firma Jaeger
& Goergen - München, die der Luftfahrthalle von Photogr. S eh w ertl-
München und sämtliche Dresdener Aufnahmen von Photogr. A. P.Wai-
th e r - Dresden.
Das Kreishaus II und Finanzamt zu Bernburg in Anhalt
Von Dr. Wilhelm van Kemp en - Dessau, Dozent am Friedrich-Polytechnikum Cöthen in Anhalt
Zu den beachtenswerten, nach dem Kriege errichteten Ver-
waltungsgebäuden in Deutschland darf auch das Kreishaus II
und Finanzamt in Bernburg gezählt werden. Dieses Gebäude
erfordert um so mehr Interesse, als es keinen völligen Neu-
bau, sondern den Umbau der ehemaligen herzoglichen Reit-
bahn zum modernen Verwaltungsgebäude darstellt. Die
Reitbahn entstammt dem 18. Jahrhundert (Fürst Victor Fried-
rich errichtete sie 1756/57, Fürst Alexius Friedrich Christian
vollendete den Bau 1824/25), und wenn sie auch keinen eigent-
lichen architektonischen Wert besaß, so wurde doch die Er-
haltung des allgemeinen Charakters für notwendig und bin-
dend für den Architekten erachtet. Infolgedessen war die Auf-
gabe nicht leicht, die darin bestand, einen allen modernen
Anforderungen an ein größeres Verwaltungsgebäude durchaus
genügenden Bau zu errichten und gleichzeitig nach Mög-
lichkeit die alte Fassade zu wahren. Es darf wohl gesagt werden,
daß die Lösung dieser Aufgabe, Altes und Neues zu einen,
dem Architekten, Regierungs-und Baurat Dipl.-Ing. Wendler-
Bernburg, vollauf gelungen ist.
Eine vollständige Erhaltung der alten Fassade war unmög-
lich wegen der verschiedenartigen Geschoßeinteilung: die
Mitte, die eigentliche Reithalle, durch beide Stockwerke durch-
gehend, die Seitenrisalite zweigeschossig, aber ungleich auf-
geteilt. Die neue Bestimmung des Gebäudes forderte eine
gleichmäßig durchlaufende Zweistockeinteilung, bei der ein
Höhenausgleich zwischen Erd- und Obergeschoß notwendig
war. Die eigentliche Reithalle mußte als Einheitsraum ver-
schwinden, um in beiden Geschossen in Vestibül, Korridor
und nach Straße und Hof gelegene Diensträume umgewandelt
zu werden. An der Risalit-und Achsengliederung konnte aus
denkmalpflegerischen Gründen nichts geändert werden. Es
wurden daher die Fenster des Untergeschosses tiefer gelegt,
so daß für das Obergeschoß eine genügende Höhe erübrigt
wurde. Nur im rechten Seitenrisalit konnten die Fenster des