BEILAGE ZU: I~X D D DAI TAAC'ICTE’D -monatshefte-
1 r K KAI /VI H I S I F K FUR Architektur
1925 • NOV : H.ll *—9 D 1 V U1L KJ 1 T 1 L/1 tJ 1 L<A\ UNDBAUPRAXIS
Das wiedererstehende Babylon
Bis vor wenigen Jahren war eines der dürftigsten Kapitel
in unserer Geschichte der Baukunst die Kenntnis der baby-
lonischen Architektur, die wir uns wohl aus Funden früherer
Grabungen in Mesopotamien (1811 Rich, 1850 Layard, 1879
Rassam), größtenteils aber durch Rückschlüsse von der assy-
rischen Baukunst, deren nahe Verwandtschaft zur baby-
lonischen uns bekannt war, rekonstruiert hatten. Erst zu
Beginn dieses Jahrhunderts sollte auf den Trümmern der
Hauptstadt Babylon einem deutschen Forscher der durch-
schlagende Erfolg zuteil werden, Robert Koldewey.
Auf früheren Reisen hatte Koldewey auf dem Schuttfelde
über der Stadt Babylon Bruchstücke vieler emaillierter Ziegel-
reliefs gründen, die den Anstoß zu der im Jahre 1899 be-
deckten.“ Noch heute ist das Ischtartor mit seinen zwölf
Meter hoch anstrebenden Mauern die eindruckvollste Ruine
Babylons. Interessant ist neben all den anderen Einzelheiten,
auf die hier jedoch nicht eingegangen werden kann, die
Technik des Mauerwerks; auf jeder Ziegelschicht liegt eine
dünne Lage Asphalt, darauf eine ebenso dünne Schicht Lehm,
dann wieder eine Ziegelschicht, während in jeder fünften
Schicht der Lehm durch eine Matte geflochtenen Schilfs
ersetzt ist.
lieber all die Ausgrabungen, über die Koldewey berichtet,
wie Ninmach-Tempel, Stadtmauern, Perserbau, Nabupolassar-
palast, können trotz ihres bedeutenden Wertes im Rahmen
dieser Besprechung leider ausführlichere Mitteilungen nicht
gemacht werden, auch von der gewaltigen Südburg ihren
riesigen Abmessungen von 300 : 190 Metern könne11 hier nur
Ansicht vom
Ischtar-Tor
ginnenden und bis 1917 dauernden Ausgrabung geben sollten.
In neunzehnjähriger Arbeit wurde mit sprichwörtlicher,
deutscher Sorgfalt und wissenschaftlichem Ernste das alte
Babylon in seinen Hauptpunkten freigelegt, eine Arbeit von
höchstem wissenschaftlichem Werte geleistet. Es sei in den
nachstehenden Zeilen der Versuch gemacht, über die wesent-
lichsten Punkte der Ausgrabungen einen kurzen Ueberblick
zu geben.
Das Hauptmerkmal der babylonischen Architektur bildet
die Anwendung von Ziegelmauerwerk, das oft bis zu der
kolossalen Stärke von 17 bis 22 Metern vorgefunden wurde
und das eine Verblendung von großartiger Farbenpracht
und außerordentlich feiner Modellierung durch emaillierte
Reliefziegel aufweisen konnte, wie sie in deutlicher Klarheit
aus der Abbildung des Ischtartores zu ersehen ist. Das
Ischtartor selbst verdient eine besondere Würdigung. Als
Abschluß der großen Prozessionsstraße für den Gott Marduk
zu dessen Haupttempel Esagila angelegt, bildet sie das mäch-
tige Ende einer ebenso mächtigen Sackgasse, die durch die
Einfassung der Prozessionsstraße durch je 7 m starke
Festungsmauern gebildet wurde. Koldewey sagt in seiner
Beschreibung der Ausgrabung (s. Fußnote): „Wenn die Ver-
teidiger auf diesen Mauern standen, so war die Straße für
den Feind ein Todesweg. Dieser Eindruck von Schrecken
und Entsetzen auf den Angreifer, den die Mauern an sich
schon machen, wurde wesentlich gesteigert und auch auf
den friedlichen Ankömmling schon ausgeübt durch die er-
greifende Dekoration mit langen Reihen hintereinander her
und auf den Eintretenden zuschreitender Löwen, die in flachem
Relief und glänzenden Emaillefarben die Ziegelwände be-
einzelne Teile erwähnt werden, wie z. B. der Gewölbebau,
der uns die Lösung der rätselhaften hängenden Gärten dar-
stellt, und der Haupthof, dessen eine Schmalseite der Thron-
saal der babylonischen Könige mit einem Ausmaß von
17:52 Metern bildet. Seine Hoffront weist einen geradezu
hervorragenden ornamentalen Schmuck auf mittels dunkel-
blauer Emailleziegeln als Grundfarbe, auf denen gelbe Säulen
mit hellblauen Kapitellen, die durch Palmettenranken mit-
einander verbunden sind, standen. Sie zeugt von einer
großartigen Emailletechnik, die z. T. bis heute nicht mehr
erreicht ist. Noch übertroffen wird diese Pracht in der Haupt-
burg Nebukadnezars, von der sich Reste großer Reliefs
fanden, die aus einer schönen, Lapislazuli nachahmenden
Paste bestanden.
Die Ausgrabung der Nordburg muß hier wieder über-
gangen werden, um der Freilegung des „Heiligen Bezirkes“
größeren Raum widmen zu können. In diesem Bezirke, dessen
fast quadratische Grundform von Mauern umschlossen ist,
liegt E-Temenanki, der Turm von Babylon, durch die bi-
blische Erzählung seines Baues und der Sprachverwirrung
berühmt geworden. Ueber einer quadratischen Grundform
von 91,55 m, in deren Mitte ein innerer Kern von über 61 m
Seitenlänge aus ungebrannten Lehmziegeln liegt, erhob er sich,
nach Herodot, zur gleichen Höhe von 91 Metern. Die Auf-
findung der Turmreste im Vereine mit einer Tontafelinschrift
ließen die Rekonstruktion des Turmes mit ziemlicher
Sicherheit zu.
Koldewey schreibt hiezu: „An der Südfront liegt
der Aufgang, bestehend aus 'drei breiten, aber steilen
Treppen, zwei von beiden Seiten, eine in der Mitte, deren
1 r K KAI /VI H I S I F K FUR Architektur
1925 • NOV : H.ll *—9 D 1 V U1L KJ 1 T 1 L/1 tJ 1 L<A\ UNDBAUPRAXIS
Das wiedererstehende Babylon
Bis vor wenigen Jahren war eines der dürftigsten Kapitel
in unserer Geschichte der Baukunst die Kenntnis der baby-
lonischen Architektur, die wir uns wohl aus Funden früherer
Grabungen in Mesopotamien (1811 Rich, 1850 Layard, 1879
Rassam), größtenteils aber durch Rückschlüsse von der assy-
rischen Baukunst, deren nahe Verwandtschaft zur baby-
lonischen uns bekannt war, rekonstruiert hatten. Erst zu
Beginn dieses Jahrhunderts sollte auf den Trümmern der
Hauptstadt Babylon einem deutschen Forscher der durch-
schlagende Erfolg zuteil werden, Robert Koldewey.
Auf früheren Reisen hatte Koldewey auf dem Schuttfelde
über der Stadt Babylon Bruchstücke vieler emaillierter Ziegel-
reliefs gründen, die den Anstoß zu der im Jahre 1899 be-
deckten.“ Noch heute ist das Ischtartor mit seinen zwölf
Meter hoch anstrebenden Mauern die eindruckvollste Ruine
Babylons. Interessant ist neben all den anderen Einzelheiten,
auf die hier jedoch nicht eingegangen werden kann, die
Technik des Mauerwerks; auf jeder Ziegelschicht liegt eine
dünne Lage Asphalt, darauf eine ebenso dünne Schicht Lehm,
dann wieder eine Ziegelschicht, während in jeder fünften
Schicht der Lehm durch eine Matte geflochtenen Schilfs
ersetzt ist.
lieber all die Ausgrabungen, über die Koldewey berichtet,
wie Ninmach-Tempel, Stadtmauern, Perserbau, Nabupolassar-
palast, können trotz ihres bedeutenden Wertes im Rahmen
dieser Besprechung leider ausführlichere Mitteilungen nicht
gemacht werden, auch von der gewaltigen Südburg ihren
riesigen Abmessungen von 300 : 190 Metern könne11 hier nur
Ansicht vom
Ischtar-Tor
ginnenden und bis 1917 dauernden Ausgrabung geben sollten.
In neunzehnjähriger Arbeit wurde mit sprichwörtlicher,
deutscher Sorgfalt und wissenschaftlichem Ernste das alte
Babylon in seinen Hauptpunkten freigelegt, eine Arbeit von
höchstem wissenschaftlichem Werte geleistet. Es sei in den
nachstehenden Zeilen der Versuch gemacht, über die wesent-
lichsten Punkte der Ausgrabungen einen kurzen Ueberblick
zu geben.
Das Hauptmerkmal der babylonischen Architektur bildet
die Anwendung von Ziegelmauerwerk, das oft bis zu der
kolossalen Stärke von 17 bis 22 Metern vorgefunden wurde
und das eine Verblendung von großartiger Farbenpracht
und außerordentlich feiner Modellierung durch emaillierte
Reliefziegel aufweisen konnte, wie sie in deutlicher Klarheit
aus der Abbildung des Ischtartores zu ersehen ist. Das
Ischtartor selbst verdient eine besondere Würdigung. Als
Abschluß der großen Prozessionsstraße für den Gott Marduk
zu dessen Haupttempel Esagila angelegt, bildet sie das mäch-
tige Ende einer ebenso mächtigen Sackgasse, die durch die
Einfassung der Prozessionsstraße durch je 7 m starke
Festungsmauern gebildet wurde. Koldewey sagt in seiner
Beschreibung der Ausgrabung (s. Fußnote): „Wenn die Ver-
teidiger auf diesen Mauern standen, so war die Straße für
den Feind ein Todesweg. Dieser Eindruck von Schrecken
und Entsetzen auf den Angreifer, den die Mauern an sich
schon machen, wurde wesentlich gesteigert und auch auf
den friedlichen Ankömmling schon ausgeübt durch die er-
greifende Dekoration mit langen Reihen hintereinander her
und auf den Eintretenden zuschreitender Löwen, die in flachem
Relief und glänzenden Emaillefarben die Ziegelwände be-
einzelne Teile erwähnt werden, wie z. B. der Gewölbebau,
der uns die Lösung der rätselhaften hängenden Gärten dar-
stellt, und der Haupthof, dessen eine Schmalseite der Thron-
saal der babylonischen Könige mit einem Ausmaß von
17:52 Metern bildet. Seine Hoffront weist einen geradezu
hervorragenden ornamentalen Schmuck auf mittels dunkel-
blauer Emailleziegeln als Grundfarbe, auf denen gelbe Säulen
mit hellblauen Kapitellen, die durch Palmettenranken mit-
einander verbunden sind, standen. Sie zeugt von einer
großartigen Emailletechnik, die z. T. bis heute nicht mehr
erreicht ist. Noch übertroffen wird diese Pracht in der Haupt-
burg Nebukadnezars, von der sich Reste großer Reliefs
fanden, die aus einer schönen, Lapislazuli nachahmenden
Paste bestanden.
Die Ausgrabung der Nordburg muß hier wieder über-
gangen werden, um der Freilegung des „Heiligen Bezirkes“
größeren Raum widmen zu können. In diesem Bezirke, dessen
fast quadratische Grundform von Mauern umschlossen ist,
liegt E-Temenanki, der Turm von Babylon, durch die bi-
blische Erzählung seines Baues und der Sprachverwirrung
berühmt geworden. Ueber einer quadratischen Grundform
von 91,55 m, in deren Mitte ein innerer Kern von über 61 m
Seitenlänge aus ungebrannten Lehmziegeln liegt, erhob er sich,
nach Herodot, zur gleichen Höhe von 91 Metern. Die Auf-
findung der Turmreste im Vereine mit einer Tontafelinschrift
ließen die Rekonstruktion des Turmes mit ziemlicher
Sicherheit zu.
Koldewey schreibt hiezu: „An der Südfront liegt
der Aufgang, bestehend aus 'drei breiten, aber steilen
Treppen, zwei von beiden Seiten, eine in der Mitte, deren