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Baumeister: das Architektur-Magazin — 23.1925

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Beilage zu Heft 9
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Dux, Walter: Farbe und Heim
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https://doi.org/10.11588/diglit.70021#0236

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B 68 DER BAUMEISTER ° 1925, SEPTEMBER ° BEILAGE HEFT 9

Farbe und Heim
Von Dr.-lng. Walter Dux
Nichts ist für die zunehmende Beruhigung der Geister und
nach den unruhvollen Jahren, die hinter uns liegen, kennzeich-
nender, als die immer mehr wachsende Freude des Menschen
an Haus und Heim. Trieb in den Zeiten des Krieges und der
Geldentwertung ein innererZwangdenMenschen zum Menschen
auf die Straße zu gemeinsamer Aussprache über Weltgeschehen
und allgemeines Leid, so tritt nunmehr mit der zunehmenden
Ruhe das Besinnen des einzelnen auf sich und die Seinen
ein. Kennzeichnend hierfür ist die Rückkehr zur Familie, das
Abwenden von allem nicht unbedingt direkt persönlich Be-
rührendem, die Freude am Eigentum, am Hausrat, am Heim.
Trotz all der geldlichen Schwierigkeiten, die den einzelnen
drücken, beginnt die Instandsetzung der ungeheuer vernach-
lässigten Wohnungen wieder.
Dabei tritt aber eine auffällige Erscheinung zu Tage. Wäh-
rend in der Vorkriegszeit die farbige Behandlung der Wand,
von wenigen Ausnahmen abgesehen, kaum als ein irgendwie
ausschlaggebender Beweggrund ziemlich nebensächlich be-
handelt wurde, während früher einfache dunkle, oft graue
Töne die Wand deckten, dringt in ständig zunehmendem
Maße heute die bunte Farbe auch in die Wohnung selbst ein.
Die einfachen Erklärungsversuche hierfür, die häufig anzu-
treffen sind, wie künstlich eingeleitete Bewegung, die sich an
Namen wie Bruno Taut u. a. knüpft, dürfte denn doch etwas
zu wenig tief den Sinn des Ganzen erfaßt haben. Man darf
nichtvergessen, daß eine künstlich eingeleitete Bewegung immer
nur eine Mode ist, die nur bestimmte Kreise erfaßt, bleibt und
bleiben würde.
In Wirklichkeit liegen die Gründe tiefer. Das endlose Grau
der Zeiten, die hoffentlich für immer hinter uns liegen, die
Hoffnungslosigkeit, die sich vieler Geister bemächtigte, suchte
nach einem Auswege einer Entlastung. Daher die aufkom-
mende Freude an Form und Farbe, daher die zunächst ins
Aeußerste sich beinahe Überschlagende Lust nach grundsätz-
lich Neuem im Ausdruck; dieses die innersten Beweggründe
für Expressionismus und seine Begleiter.
Form und Farbe, im Innersten verwandt und im Aeußeren
miteinander verbunden, suchten neue Wege auf und fanden
sie. Das große Farbbild, das sich heute schon in vielen
Städten über ganze Straßenzeilen legt, muß auch im nüch-
ternsten Betrachter ganz unbewußt ein frohes Gefühl erwecken.
Die Bodenständigkeit, das Gefühl des Beheimatetseins auf
eigenem Grund und Boden, das mehr als vielen Völkern dem
Deutschen im Blute liegt, kann durch nichts mehr gestärkt
werden, als durch den Glauben an das von ihm selbst Ge-
schaffene. So wird auch bestimmt jener, der nur in kleinen
gemieteten Räumen sein Heim hat, gern in ihm weilen, wenn
er nur das Gefühl hat, in nur für ihn geschaffenen Wänden
seih Leben zu verbringen. So schmückt er oft in einfachster
Weise sein Heim, wenn irgend möglich beginnt er aber, die
Wände farbig zu gestalten. Er knüpft damit wieder glück-
lich an die Ueberlieferung der älteren Generationen an, für
die das „blaue“, das „rote“, das „grüne“ Zimmer nicht nur
Namen, sondern auch Begriffe waren. Ueber die Wirkung
der einzelnen Farbtöne zu sprechen, ist hier nicht am Platz;
heute sei nur betont, daß kräftig bunte Töne in einheitlicher
Weise früher unbehagliche Räume zu einem großen Ganzen
einheitlich zusammenfassen.
Die farbige Gestaltung der Decke ist gewöhnlich das Letzte,
an das man heranzutreten wagt, und doch gibt es oft
kaum etwas Schöneres als eine farbige Decke. Die weiße
Decke ist garnicht so etwas Selbstverständliches. Sie entstand
erst vor etwa 100 Jahren nach den Befreiungskriegen mit der
zunehmenden Ernüchterung auf geistigem und künstlerischem
Gebiete. Als ein unantastbarer Bestandteil des Wohnbildes
blieb sie dann liegen. Es ist ein falscher Glaube, daß weiße
Decken ein Zimmer „freundlich“ machen; auch der weit ver-
breitete Glaube, daß weiße Decken zur Erhellung der Zimmer
unbedingt erforderlich seien, ist falsch. Das Licht fällt im
schrägen Einfallswinkel durch die Fenster und berührt, ab-
gesehen von ganz großen Zimmern und Sälen, die Decke
nur als Streiflicht. Man mache die Probe: In dunklen Räumen
wird eine hellfarbige Wand und farbige Decke viel bessere
Lichtwirkungen geben, als eine dunkle Wand und weiße Decke.
Noch ein sehr wichtiger Punkt: Nirgends ist die Ungleich-
mäßigkeit eines Farbtones so auffallend und störend, als an
der Decke. Der Grund dieser Erscheinung liegt in der Natur
des menschlichen Auges begründet. Bei normaler Haltung
des Kopfes werden Farben anders empfunden als in unge-
wöhnlicher. Bekannt ist die lebhafte Steigerung der Farben-
wirkung beim Betrachten der Landschaft mit stark geneigtem

Kopfe. So macht sich auch an der farbigen Decke jede Un-
gleichmäßigkeit stärker bemerkbar als an der Wand. Man
achte daher auf sauberste Arbeit bei der Ausführung, beste
Farbe, Erd- oder Buntfarben, die nicht zum Vergilben neigen,
beste Bindemittel, Sichelleim, namentlich der ganz vortreff-
liche Sichelleim-Trocken, und gute handwerkliche Arbeit.
Ob die Decke ein- oder mehrfarbig sein soll, kann natür-
lich hier nicht entschieden werden. Grundsätzlich ist jedoch
von der Verwendung zu verschiedenfarbiger Decken abzu-
raten. Sehr gute Wirkungen erzielt man durch Fortführung
der gleichen Farbe von der Wand über die Decke hinweg
mit abnehmender Tiefe des Farbtones. Zu berücksichtigen
ist auch, daß Wände im Auflicht und Decken im Streiflicht
erscheinen. Der gleiche Farbton wird daher auf Wand und
Decke oft nicht gleich erscheinen. Wenn möglich, so ver-
suche man zu erreichen, daß Gas- oder elektrische Leitungen
in die Decke hinein verlegt werden, die Einheitlichkeit der
Decke und dadurch des ganzen Zimmers gewinnt dadurch
ungemein.
Freude des Auftraggebers an der Farbe, gute Materialien
und Arbeit des Ausführenden müssen Zusammenwirken, damit
ein Gesamtbild entsteht, das alle Teile befriedigt; dann wird
auch die farbige Decke wie die farbige Wand ihren Weg
nehmen und Frohsinn und Friede am eigenen Heim mit sich
bringen.
Bücherbesprechungen.
Wie behebt man die Wohnungsnot? Wie belebt
man die Wohnungsbauwirtschaft? Wie bewirkt man
eine Wiederaufwertung? ■— Vorschläge von Arch. B.D. A.
Schluckebier, Mitglied des Preußischen Landtags und Syn-
dikus Dr. K. Mahler, Volkswirt R.D.V., Hagen i. W. Verlag
B.D.A. Hagen i. W., Körnerstraße 20. Auslieferungsstelle für
den Buchhandel: Johann Andrö, Leipzig. Preis 1 Mk. —
Ein Beitrag zur ' Frage des Wohnungsproblemes, der eine
Reihe interessanter Gesichtspunkte vertritt.
Untersuchung des D i c h t i g k e i t s g r a d e s von
durch Anstriche aufgebrachten Schutzschichten.
Von Paul Jaeger. Verlag Forschungs- und Lehrinstitut für
Anstreichtechnik, Stuttgart. Preis 1 Mk. — Der Verfasser
zeigt ein Verfahren, mit dem der Nachweis der Dichte von
Oel- oder Farbschichten auch dem Laien möglich wird.
Eigner Herd ist Goldes Wert. Wenn Fachleute
Bücher schreiben, so bleibt diesen meistens, bewegt sich ihr
Inhalt nicht über die Grenzen des von ihnen vertretenen
Faches hinaus, das Omen inhaltlich unbedingter Richtigkeit;
denn es muß ein Unterschied angenommen werden können,
zwischen der Arbeit des jedes Thema aufgreifenden beruflichen
Schriftstellers und der Feder des Fachmannes, der in seinen
Büchern lediglich fachliches Wissen vermitteln will. Daß auch
Fachleute irren können, liegt in der Unvollkommenheit jedes
Menschen begründet, bedarf auch schließlich keiner großen
Auseinandersetzung, solange ihr Irrtum in seinen Folgen keine
größeren Kreise der Allgemeinheit und Nichtfachleute be-
treffen wird. Es gibt aber auch die Möglichkeit, daß der-
artige Irrtümer infolge des Ansehens des beruflichen Standes
des Verfassers von weiten Kreisen bedingungslos aufgenommen
werden und in die Praxis übertragen, den Unterschied zwischen
Praxis und Theorie erkennen lassen müssen und das Fiasko
der Theorie im praktischen Leben zeigen müssen. — Von
diesen Gesichtspunkten ausgehend, soll hier auf eine Neu-
erscheinung des Büchermarktes verwiesen sein, auf das kleine
Büchlein, des Heimkulturverlages G. m. b. H. in Wiesbaden
„Eigner Herd ist Goldes wert“, das den Untertitel „Praktische
Familienhäuser mit Hausgärten für 2500 Mark aufwärts“ trägt.
Herausgegeben ist die 102 Seiten starke Broschüre von Amts-
baumeister a. D. Max Spindler. Es möge das Gute daran
gleich vorneweggenommen sein in der Wiedergabe 225 Ab-
bildungen von Wohnhausentwürfen z. T. bekannter Architekten,,
wie Berndl, Leupold, Schmohl, Kahm, Rings u. a. Zum Buche
selbst erübrigt sich zu bemerken, daß der Titel bereits einen
unbegreiflichen Irrtum darstellt. Ein Wohnhaus in unserer
heutigen Zeit und unter den heutigen Verhältnissen um den
Preis von 2500 Mark herzustellen, ist ein Unding, wie jeder
Fachmann ohne weiteres zugestehen wird. Der zweite, nicht
minder unbegreifliche Irrtum des Verfassers ist dann noch,
daß er zu den jeweils ihm von den Architekten überlassenen
Entwürfen die Baukosten auf Grund eines Durchschnitts-
preises von 12,50 bis 16 Mark für den Kubikmeter umbauten
Raumes zu errechnen versucht, während heute ein Durch-
schnittspreis von mindestens 30 bis 32 Mark pro Kubikmeter
angenommen werden muß! Das sind Irrtümer, die dem Bau-
lustigen ein gänzlich falsches Bild von der Lage des Bau-
 
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