BEITRÄGE ZUR ÖSTERREICHISCHEN KUNST DER SPÄTGOTIK
waren, geführt. Es stellt sich nunmehr heraus, daß die vier Szenen der Geschichte Johannes
des Täufers und die vier Szenen der Leidensgeschichte Christi eine Folge bilden. Auf der
Gefangennahme Johannes ist die Signatur Rueland, auf der Ölbergszene sind die durch
seitliche Verkürzung der Tafel unvollständig gewordene Bezeichnung R (das »F« fehlt) und
von der Jahreszahl die beiden ersten Ziffern 14.. zu sehen. Da man bisher immer die
Ziffern für 15.. gelesen hat, glaubte man diese, namentlich im Landschaftlichen außer-
ordentlich merkwürdigen Bilder, nicht vor 1500 entstanden. Nun steht aber fest, daß sie
in den Jahren nach 1490 schon angefertigt worden sind. Es ist daran zu erinnern, daß der
Künstler unserer heutigen Kenntnis nach 1497 zuerst erwähnt wird. Die vier Täfelchen
mit der Gründungsgeschichte von Klosterneuburg (Abb. 9— 11), in denen man mit Recht ein
Vorausahnen des Geistes der deutschen Romantik empfindet, sind nicht nur künstlerisch und
farbig von den acht übrigen Tafeln sehr verschieden, sie stimmen auch in den Maßen mit
denselben nicht genau überein. Zweimal kommen auf denselben die Buchstaben »R. F.« vor,
bei dem Kirchenbau dazu noch die Jahreszahl 1 507 (man hat dieselbe bis jetzt immer
irrig als 1501 gelesen). Wir können demnach einen zeitlichen Abstand der letzten vier
Tafeln von den übrigen von etwa 10 Jahren annehmen, und die erstaunlich große Wand-
lung des Künstlers wird durchaus verständlich. Bekanntlich war man ja früher durch
den Irrtum, die unvollständige Jahreszahl beim Ölberg laute 15.. und die beim Kloster-
bau 1501? zu der Annahme verleitet worden, die beiden Serien seien überhaupt nicht von
einem Künstler ausgeführt worden1. Diese Kombination ist hinfällig. Alle zwölf Kloster-
neuburger Bilder rühren sicher von einem Künstler Rueland d. J. her. Wir können aber
in der Feststellung der ursprünglichen Bestimmung der vier letztgenannten Tafeln2 noch
um einen Schritt weitergehen: sowohl ihr Farbcharakter sowie ihre Jahreszahl kehren näm-
lich genau auf der großen, wenig bekannten Tafel des hl. Leopold in der Prälaturkapelle
(bezeichnet R. F. 1507) von Klosterneuburg wieder. Wie auch die Anordnung gewesen
sein mag, jedenfalls hängen die vier Leopoldslegenden-Täfelchen mit der großen Tafel
dieses Stifters von Klosterneuburg zusammen. Für die späteste, bis jetzt bekannte Arbeit des
jüngeren Rueland habe ich an anderer Stelle die 1515 datierte Tafel mit der Legende der
vier Gekrönten, ehemals Sammlung Chillingworth,erklärt (Belvedere, 1922, I. B.). Da die
vier Gekrönten die Patrone der Dombauhütte von St. Stephan in Wien sind, scheint die Ent-
stehung auch dieses Bildes in oder für Wien und demnach eine längere Tätigkeit des
Passauers in dieser Stadt gesichert3.
Zur lokalen Kunstentwicklung der einzelnen Alpenländer ist mancherlei beizutragen. Von
Tirol und Salzburg künstlerisch bedingt, aber in Oberösterreich, soviel wir bis jetzt sehen
können, tätig ist jener Maler, der seinen Namen unter den Buchstaben »S. H.« verbirgt.
1 Die Konfusion mit den Jahreszahlen macht den Irrtum H. Tietzes verständlich, der mehrfach (Wien, Berühmte
Kunststätten, S. 105, und später) behauptet, die Tafeln der Klosterneuburger Gründungslegende seien nicht vom
jüngeren Rueland selbst ausgeführt, trotzdem sie die Initialen R. F. aufweisen. 2 Ich verdanke Herrn Prof.
W. Pauker die Mitteilung, daß die Landschaft der Jagdszene eine treue Schilderung des Buchberges bei Kloster-
neuburg und der Niederung von Hofstall ist. 3 Für die Darstellung der vier Gekrönten vgl. auch den Grabstein
des Wolfgang Tenk von 1515 in der Stadtpfarrkirche von Steyr.
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waren, geführt. Es stellt sich nunmehr heraus, daß die vier Szenen der Geschichte Johannes
des Täufers und die vier Szenen der Leidensgeschichte Christi eine Folge bilden. Auf der
Gefangennahme Johannes ist die Signatur Rueland, auf der Ölbergszene sind die durch
seitliche Verkürzung der Tafel unvollständig gewordene Bezeichnung R (das »F« fehlt) und
von der Jahreszahl die beiden ersten Ziffern 14.. zu sehen. Da man bisher immer die
Ziffern für 15.. gelesen hat, glaubte man diese, namentlich im Landschaftlichen außer-
ordentlich merkwürdigen Bilder, nicht vor 1500 entstanden. Nun steht aber fest, daß sie
in den Jahren nach 1490 schon angefertigt worden sind. Es ist daran zu erinnern, daß der
Künstler unserer heutigen Kenntnis nach 1497 zuerst erwähnt wird. Die vier Täfelchen
mit der Gründungsgeschichte von Klosterneuburg (Abb. 9— 11), in denen man mit Recht ein
Vorausahnen des Geistes der deutschen Romantik empfindet, sind nicht nur künstlerisch und
farbig von den acht übrigen Tafeln sehr verschieden, sie stimmen auch in den Maßen mit
denselben nicht genau überein. Zweimal kommen auf denselben die Buchstaben »R. F.« vor,
bei dem Kirchenbau dazu noch die Jahreszahl 1 507 (man hat dieselbe bis jetzt immer
irrig als 1501 gelesen). Wir können demnach einen zeitlichen Abstand der letzten vier
Tafeln von den übrigen von etwa 10 Jahren annehmen, und die erstaunlich große Wand-
lung des Künstlers wird durchaus verständlich. Bekanntlich war man ja früher durch
den Irrtum, die unvollständige Jahreszahl beim Ölberg laute 15.. und die beim Kloster-
bau 1501? zu der Annahme verleitet worden, die beiden Serien seien überhaupt nicht von
einem Künstler ausgeführt worden1. Diese Kombination ist hinfällig. Alle zwölf Kloster-
neuburger Bilder rühren sicher von einem Künstler Rueland d. J. her. Wir können aber
in der Feststellung der ursprünglichen Bestimmung der vier letztgenannten Tafeln2 noch
um einen Schritt weitergehen: sowohl ihr Farbcharakter sowie ihre Jahreszahl kehren näm-
lich genau auf der großen, wenig bekannten Tafel des hl. Leopold in der Prälaturkapelle
(bezeichnet R. F. 1507) von Klosterneuburg wieder. Wie auch die Anordnung gewesen
sein mag, jedenfalls hängen die vier Leopoldslegenden-Täfelchen mit der großen Tafel
dieses Stifters von Klosterneuburg zusammen. Für die späteste, bis jetzt bekannte Arbeit des
jüngeren Rueland habe ich an anderer Stelle die 1515 datierte Tafel mit der Legende der
vier Gekrönten, ehemals Sammlung Chillingworth,erklärt (Belvedere, 1922, I. B.). Da die
vier Gekrönten die Patrone der Dombauhütte von St. Stephan in Wien sind, scheint die Ent-
stehung auch dieses Bildes in oder für Wien und demnach eine längere Tätigkeit des
Passauers in dieser Stadt gesichert3.
Zur lokalen Kunstentwicklung der einzelnen Alpenländer ist mancherlei beizutragen. Von
Tirol und Salzburg künstlerisch bedingt, aber in Oberösterreich, soviel wir bis jetzt sehen
können, tätig ist jener Maler, der seinen Namen unter den Buchstaben »S. H.« verbirgt.
1 Die Konfusion mit den Jahreszahlen macht den Irrtum H. Tietzes verständlich, der mehrfach (Wien, Berühmte
Kunststätten, S. 105, und später) behauptet, die Tafeln der Klosterneuburger Gründungslegende seien nicht vom
jüngeren Rueland selbst ausgeführt, trotzdem sie die Initialen R. F. aufweisen. 2 Ich verdanke Herrn Prof.
W. Pauker die Mitteilung, daß die Landschaft der Jagdszene eine treue Schilderung des Buchberges bei Kloster-
neuburg und der Niederung von Hofstall ist. 3 Für die Darstellung der vier Gekrönten vgl. auch den Grabstein
des Wolfgang Tenk von 1515 in der Stadtpfarrkirche von Steyr.
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