BEITRÄGE ZUR ÖSTERREICHISCHEN KUNST DER SPÄTGOTIK
leugbar nahe verwandte Heiligenfiguren erhalten, die genau betrachtet sich in zwei Grup-
pen sondern: Eine in der Form strengere, offenbar etwas frühere und eine zweite, welche
den gelösten, fließenden Falten- und Formencharakter der späteren Arbeiten der Schnitz-
werkgrupppe aufweist. Der älteren Gruppe gehört unter anderm auch ein großer sehr bedeu-
tender Kruzifixus, der jüngeren Gruppe aber als bekanntestes Stück der Maria-Krönungsaltar
der Schloßkapelle an. Nun hat dem Abte in St. Lambrecht ein Meister Heinrich, Bild-
schnitzer von Villach, im Jahre 1511 für gelieferte Arbeit eine Summe quittiert und des-
gleichen wieder im Jahre 1523. Wenn nun mehrere Arbeiten, die unleugbar einer Werk-
statt entstammen, aber eine zeitliche Differenz in der Entstehung bekunden und unbedingt
dem in Frage kommenden Zeitraum angehören müssen, heute noch im Stifte vorhanden
sind, so ist es, wenn auch nicht direkt bewiesen, so doch in hohem Grade wahrscheinlich,
daß Meister Heinrich mit ihnen in Zusammenhang gebracht werden darf. Wenn
dies aber zutrifft, dann wäre Meister Heinrich von Villach der lange gesuchte Autor der
bekannten Altäre in Pontebba, Grades, Maria an der Gail, Friesach und auch des kleinen
Altares in Berlin.
In der Werkstatt des Meister Heinrich ist der Bildschnitzer die führende Persönlichkeit
gewesen. Die Maler sind untergeordnet, wechseln, sind manchmal, wie zum Beispiel an
dem in Renaissancerahmenwerk gefaßten Altar aus Fohnsdorf (im Museum zu Graz) von
sehr minderer Qualität. Meister Heinrich der Bildschnitzer aber — wir dürfen aller Wahr-
scheinlichkeit nach ihn bei diesem Namen nennen — ist ein überaus fruchtbarer Künstler
von deutlich ausgeprägter Individualität, welcher im zweiten und dritten Jahrzehnt des
] 6. Jahrhunderts der kirchlichen Kunst Kärntens und der westlichen Obersteiermark den
Stempel seines Geistes aufgeprägt hat.
■ ....
SOME CONTRIBUTIONS TO THE HISTORY OF LATE GOTHIC ART IN AUSTRIA
This article brings new observations and further confirmations about the Austrian artists
of the fifteenth and the beginning of the sixteenth centuries. To the group of pictures
characterized by the name of Conrad Laib, a Suabian, the author adds the extensive altar
ornamentation in the parish church of Pettau, Jugoslavia. Concerning the manuscript
Illustrator Martinus, who appears as early as 1437 in the Codex of the hours in the
National Library, Vienna, as an accomplished artist, attention is drawn to the remarkable
connection between his works and those of the Breslau master of the Barbara altars. The
riddle of the artistic origin of the Barbara masterpiece is thus brought nearer solution.
The Magdalene altar of 1456 in Klosterneuburg (near Vienna) is scarcely connected with
the older Austrian tradition but rather with the crucifixion altar in Frauenfeld, Switzer-
land, to which group another crucifixion picture of the Viennese Academy also belongs. It
happened that between 1451 —1463 a Swiss painter, Hans von Zürich, was at work in
Vienna ; this fact gives probable ground for the assumption that he is the painter of the
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leugbar nahe verwandte Heiligenfiguren erhalten, die genau betrachtet sich in zwei Grup-
pen sondern: Eine in der Form strengere, offenbar etwas frühere und eine zweite, welche
den gelösten, fließenden Falten- und Formencharakter der späteren Arbeiten der Schnitz-
werkgrupppe aufweist. Der älteren Gruppe gehört unter anderm auch ein großer sehr bedeu-
tender Kruzifixus, der jüngeren Gruppe aber als bekanntestes Stück der Maria-Krönungsaltar
der Schloßkapelle an. Nun hat dem Abte in St. Lambrecht ein Meister Heinrich, Bild-
schnitzer von Villach, im Jahre 1511 für gelieferte Arbeit eine Summe quittiert und des-
gleichen wieder im Jahre 1523. Wenn nun mehrere Arbeiten, die unleugbar einer Werk-
statt entstammen, aber eine zeitliche Differenz in der Entstehung bekunden und unbedingt
dem in Frage kommenden Zeitraum angehören müssen, heute noch im Stifte vorhanden
sind, so ist es, wenn auch nicht direkt bewiesen, so doch in hohem Grade wahrscheinlich,
daß Meister Heinrich mit ihnen in Zusammenhang gebracht werden darf. Wenn
dies aber zutrifft, dann wäre Meister Heinrich von Villach der lange gesuchte Autor der
bekannten Altäre in Pontebba, Grades, Maria an der Gail, Friesach und auch des kleinen
Altares in Berlin.
In der Werkstatt des Meister Heinrich ist der Bildschnitzer die führende Persönlichkeit
gewesen. Die Maler sind untergeordnet, wechseln, sind manchmal, wie zum Beispiel an
dem in Renaissancerahmenwerk gefaßten Altar aus Fohnsdorf (im Museum zu Graz) von
sehr minderer Qualität. Meister Heinrich der Bildschnitzer aber — wir dürfen aller Wahr-
scheinlichkeit nach ihn bei diesem Namen nennen — ist ein überaus fruchtbarer Künstler
von deutlich ausgeprägter Individualität, welcher im zweiten und dritten Jahrzehnt des
] 6. Jahrhunderts der kirchlichen Kunst Kärntens und der westlichen Obersteiermark den
Stempel seines Geistes aufgeprägt hat.
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SOME CONTRIBUTIONS TO THE HISTORY OF LATE GOTHIC ART IN AUSTRIA
This article brings new observations and further confirmations about the Austrian artists
of the fifteenth and the beginning of the sixteenth centuries. To the group of pictures
characterized by the name of Conrad Laib, a Suabian, the author adds the extensive altar
ornamentation in the parish church of Pettau, Jugoslavia. Concerning the manuscript
Illustrator Martinus, who appears as early as 1437 in the Codex of the hours in the
National Library, Vienna, as an accomplished artist, attention is drawn to the remarkable
connection between his works and those of the Breslau master of the Barbara altars. The
riddle of the artistic origin of the Barbara masterpiece is thus brought nearer solution.
The Magdalene altar of 1456 in Klosterneuburg (near Vienna) is scarcely connected with
the older Austrian tradition but rather with the crucifixion altar in Frauenfeld, Switzer-
land, to which group another crucifixion picture of the Viennese Academy also belongs. It
happened that between 1451 —1463 a Swiss painter, Hans von Zürich, was at work in
Vienna ; this fact gives probable ground for the assumption that he is the painter of the
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