XXII
Landeskundliche Einleitung.
Sonnenbau sich sonst nur noch im germanischen Norden, am Niederrhein und
in einigen Strichen Oberdeutschlands findet, so ist sein Vorhandensein in unsern
Kreisen, der im geschlossenen Dorfe eine ganz unregelmässige Hofanlage mit
sich führt, ein starkes Zeugnis für die Abkunft ansehnlicher Teile der ehemaligen
Besiedler aus Nordgermanien, im besondern von den schon im dritten oder
vierten Jahrhundert nach Chr. 0. hier eingewanderten Angeln und Warnen. Freilich
ist diese altthüringische Hofanlage an vielen Orten durch allerhand fremde Einflüsse,
namentlich durch fränkische, in Verfall geraten, indem man von den Franken
mehr und mehr die Giebelrichtung des Hauses nach der Strasse zu entlehnte.
In neuerer Zeit ist nun aber in unseren, wie in den benachbarten Kreisen,
eine ganz neue Bauart aufgekommen, welche sich weder an den altthüringischen
Sonnenbau, noch an den fränkischen Giebelbau anschliesst, aber die OstAVest-
Richtung des ersteren angenommen hat, das ist das moderne Langhaus, eine
durch nichts gerechtfertigte Übertragung städtischer Bauweise auf das Dorf.
Dieses Haus wmndet im Gegensätze zu den alten Wohnhäusern, welche ihre Stirn
stets dem Hofe zukehren, die ihrige stets der Strasse zu, so dass alle Haupt-
räume, die Wohnstube voran, den Ausblick auf die Strasse haben, während
Küche und Kammern auf den Hof schauen. Bei dieser Art der Anlage ist nicht
mehr der Zweck der Wirtschaft und der Überwachung der Hofbewohner mass-
gebend, sondern die Absicht, durch eine stattliche Aussenseite zu glänzen und
das Innere des Hofraumes mit seinem Düngerhaufen dem Auge des Vorüber-
gehenden möglichst zu entziehen.
Was nun den Bau des Wohnhauses selbst angeht, so ist der uralte, einst
auch hier gebräuchliche Schrot- oder Blockhausbau, dessen Wände aus iiber-
einandergelegtcn, an den Ecken verzapften Balken bestehen, aus unseren Kreisen
längst verschwunden; vielleicht dass auf dem Unterharze in den Walddörfern
noch eine Spur desselben wahrzunehmen ist. An die Stelle desselben ist jedoch
eine einigermassen verwandte Entwickelung getreten, das ist der Riegel- oder
Fach werkbau, der das Gerüst des Hauses aus einem durch Riegel und Streben
verbundenen Ständerwerke herstellt, dessen Ausfüllung in früherer Zeit durch
ein um senkrecht eingesetzte Stäbe geschlungenes, mit Strohlehm bekleidetes Ge-
flecht bewerkstelligt wurde, neuerdings aber fast ausnahmslos durch Mauerwerk
aus Bruch- oder Backsteinen. Stellenweise wird der Riegelbau für den unteren
Stock auch durch Wellerwand, d.h. eine reine Erd- oder Lehmwand mit ein-
geknetetem, gehacktem Stroh, ersetzt. Natürlich fehlt es auch nicht an dem reinen
Bruchstein- oder Backsteinbau. In den Bergbaugegenden ist die Ver-
wendung der fast schwarz aussehenden, ungefügen und leicht splitternden Form-
scldacke bei geringeren Bauten wegen des billigeren Preises derselben beliebt.
In den Städten sieht man noch hier und da bei älteren, zweistöckigen Häusern
das Ständerwerk des Oberstocks etwas über den unteren Stock vorgeschoben
und die Balkenköpfe, Rahmschwellen und Fülihölzer mehr oder minder künstlerisch
behandelt. Die alten, moosbewachsenen Strohdächer aber haben nunmehr, auch
auf dem Lande, fast überall dem Ziegeldache Platz machen müssen.
Landeskundliche Einleitung.
Sonnenbau sich sonst nur noch im germanischen Norden, am Niederrhein und
in einigen Strichen Oberdeutschlands findet, so ist sein Vorhandensein in unsern
Kreisen, der im geschlossenen Dorfe eine ganz unregelmässige Hofanlage mit
sich führt, ein starkes Zeugnis für die Abkunft ansehnlicher Teile der ehemaligen
Besiedler aus Nordgermanien, im besondern von den schon im dritten oder
vierten Jahrhundert nach Chr. 0. hier eingewanderten Angeln und Warnen. Freilich
ist diese altthüringische Hofanlage an vielen Orten durch allerhand fremde Einflüsse,
namentlich durch fränkische, in Verfall geraten, indem man von den Franken
mehr und mehr die Giebelrichtung des Hauses nach der Strasse zu entlehnte.
In neuerer Zeit ist nun aber in unseren, wie in den benachbarten Kreisen,
eine ganz neue Bauart aufgekommen, welche sich weder an den altthüringischen
Sonnenbau, noch an den fränkischen Giebelbau anschliesst, aber die OstAVest-
Richtung des ersteren angenommen hat, das ist das moderne Langhaus, eine
durch nichts gerechtfertigte Übertragung städtischer Bauweise auf das Dorf.
Dieses Haus wmndet im Gegensätze zu den alten Wohnhäusern, welche ihre Stirn
stets dem Hofe zukehren, die ihrige stets der Strasse zu, so dass alle Haupt-
räume, die Wohnstube voran, den Ausblick auf die Strasse haben, während
Küche und Kammern auf den Hof schauen. Bei dieser Art der Anlage ist nicht
mehr der Zweck der Wirtschaft und der Überwachung der Hofbewohner mass-
gebend, sondern die Absicht, durch eine stattliche Aussenseite zu glänzen und
das Innere des Hofraumes mit seinem Düngerhaufen dem Auge des Vorüber-
gehenden möglichst zu entziehen.
Was nun den Bau des Wohnhauses selbst angeht, so ist der uralte, einst
auch hier gebräuchliche Schrot- oder Blockhausbau, dessen Wände aus iiber-
einandergelegtcn, an den Ecken verzapften Balken bestehen, aus unseren Kreisen
längst verschwunden; vielleicht dass auf dem Unterharze in den Walddörfern
noch eine Spur desselben wahrzunehmen ist. An die Stelle desselben ist jedoch
eine einigermassen verwandte Entwickelung getreten, das ist der Riegel- oder
Fach werkbau, der das Gerüst des Hauses aus einem durch Riegel und Streben
verbundenen Ständerwerke herstellt, dessen Ausfüllung in früherer Zeit durch
ein um senkrecht eingesetzte Stäbe geschlungenes, mit Strohlehm bekleidetes Ge-
flecht bewerkstelligt wurde, neuerdings aber fast ausnahmslos durch Mauerwerk
aus Bruch- oder Backsteinen. Stellenweise wird der Riegelbau für den unteren
Stock auch durch Wellerwand, d.h. eine reine Erd- oder Lehmwand mit ein-
geknetetem, gehacktem Stroh, ersetzt. Natürlich fehlt es auch nicht an dem reinen
Bruchstein- oder Backsteinbau. In den Bergbaugegenden ist die Ver-
wendung der fast schwarz aussehenden, ungefügen und leicht splitternden Form-
scldacke bei geringeren Bauten wegen des billigeren Preises derselben beliebt.
In den Städten sieht man noch hier und da bei älteren, zweistöckigen Häusern
das Ständerwerk des Oberstocks etwas über den unteren Stock vorgeschoben
und die Balkenköpfe, Rahmschwellen und Fülihölzer mehr oder minder künstlerisch
behandelt. Die alten, moosbewachsenen Strohdächer aber haben nunmehr, auch
auf dem Lande, fast überall dem Ziegeldache Platz machen müssen.