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Größler, Hermann [Hrsg.]
Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Sachsen (Band 18): Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Mansfelder Gebirgskreises — Halle a. d. S., 1893

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https://doi.org/10.11588/diglit.25512#0276
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Mansfelder Gebirgskreis,

Siersleben.
/6r/ Grosses Pfarrkirchdorf mit. 1784: 800; 1880: 888; 1890: 1961 Einwohnern,
5 km. südsüdöstlich von Hettstedt, vormals im nördlichen Hosgau in der Graf-
schaft Mansfeld, bezw. im Banne des Archidiakonats Eisleben gelegen. Der Name des
Ortes (nrk. 992 Sigerslevo, 1400 Sersleve) bedeutet Hinterlassenschaft oder Erbgut
des Sigiher. Das „-X- Gerichtssiegel zu Siersleben 1788" enthalt als Siegelbild das
Gotteslamm mit der Kreuzesfahne. Zu beiden Seiten desselben wächst aus einer
Wiese eine Blume hervor. Was dasselbe besagen will, bleibt noch aufzuhellen.
Im Jahre 992 wies Kaiser Otto III. das Dorf Sigerslevo nebst anderen Dörfern
der Reichsabtei Quedlinburg mit der Bestimmung zu, dass es zur Ausstattung
eines in Walbeck zu errichtenden Klosters diene. Seitens des Klosters Walbeck
wurde dann in Siersleben ein Klosterhof zur Bewirtschaftung des dortigen Besitzes
angelegt, welcher in der mansfeldischen Erbteilung des Jahres 1420 an den Mittelort
bei. Später wurde das Siersleber Vorwerk zum Vorderort geschlagen. 1560 sahen
sich die Grafen vom Vorderort (die Namen siehe unter Burg-Örner) genötigt,
das Vorwerk Siersleben nebst anderen Besitzungen mit der lehnsherrlichen Zu-
stimmung des Erzbischofs Sigismund von Magdeburg wiederkäuflich an Caspar
und Hans von der Schulenburg für 16,000 Thaler auf 15 Jahre zu verkaufen. Nach
einem Einkommenverzeichnisse des Vorderorts vom Jahre 1568 hatte dies Vor-
werk 14 Hufen 14 Acker Land, den Acker zu 8 Gulden Wert gerechnet. Der
Garbenzehnt betrug jährlich 87 Schock, der Fleischzehnt 2 Kälber und 2 Lämmer.
Nach mannigfachem Besitzwechsel innerhalb der v. d. Schulenburgischen Familie
wurde das „freie Vorwerk Siersleben" mit Burgörner im Jahre 1652 von der ge-
borenen und verwitweten Gräfin Barbara Magdalena von Mansfeld ausgeklagt
und mit Wiederkaufsrecht an den Churfürstlich-Sächsischen Oberaufseheramts-
Verwalter D. Adam Timaeus für 20,000 Thaler auf 15 Jahre cediert, kam von
dessen Erben wieder an den Grafen Johann Georg von Mansfeld, dann an dessen
Witwe Louise Christine, geb. Gräfin von Stolberg, von dieser an den Grafen
Christian von Solms und von diesem 1712 an den Freiherrn Posadowsky von Postel-
witz, von der Witwe des letzteren an den Präsidenten von Dacheröden, und von
einer Nachkommin desselben an Wilhelm von Humboldt, nunmehr als „adelig
freies Rittergut" bezeichnet. (Näheres siehe unter Burg-Örner.)
Im dreissigjährigen Kriege war das Dorf eine Zeitlang ganz verödet.
Die Kirche ist nach Ausweis eines alten Einnahmeregisters von 1662 dem
Apostel Andreas geweiht, was sich bei den Beziehungen des Ortes zu dem
Kloster Walbeck, welches gleichfalls den Apostel Andreas zum Schutzpatron hatte,
leicht erklärt. Sie stammt teils aus romanischer, teils aus gotischer Zeit und ist
ein höchst merkwürdiges Gebäude.
/IS/ Am ältesten erscheint der westliche Teil der Kirche, über welchem sich
der Turm erhebt, wenn nicht die nördliche Eingangsthür des Schiffes noch älter
als der Turm ist. (Siehe Nr. 101, 102 u. 102 a auf S. 203.)
Diese Thür hat nämlich die reinsten romanischen Formen und die Capitäle
mit Biattornamenten gehören zweifellos in die Zeit um das Jahr 1100, während
die Turmpartie mehr dem Übergangsstile zuneigt. Auch hier, wie in so vielen
alten romanischen Kirchen, fehlt ein westlicher Eingang und der Eintritt der
 
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