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BLÄTTER FÜR GEMÄLDEKUNDE.
Nr. 6.
Bern, von der bernischen Kunstgesell-
schaft, vom Berner Ingenieur- und
Architektenverein und vom Bernischen
Kantonalen Kunstverein“. Die erste
Lieferung (Bern, Verlag von K. J. Wyss,
1902) enthält sogleich einen großen
Lichtdruck nach dem Lukasbilde des
Niklas Manuel. Der Text von J. G.
Schaffroth benützt die älteren Werke
über Manuel von C. Grüneisen (1837),
J. Bächtold (1878), H. Haendcke (1889)
und Haendckes Geschichte der schweize-
rischen Malerei im lö.Jahrhundert (1893).
Der zweite Band derselben Veröffent-
lichung bildet (1904) auch die Kehr-
seite des Lukasbildes ab, auf der Mariens
Geburt in beachtenswerter Weise dar-
gestellt ist (Photogravüre: Brunner &
Co. in Zürich, nach einer Aufnahme
von H. Völlger in Bern). Der Text zu
dieser Abbildung stammt von Ferdi-
nand Vetter. Der genannte Gelehrte
teilt mit, daß das Lukasbild und die
Geburt der Maria (nach A. Fluri: Berner
Taschenbuch 1901) wahrscheinlich vom
Altar der Künstlerbruderschaft in der
Prediger-Kirche zu Bern herkommt.
Vetters Text benützt noch weitere Lite-
ratur'1') und weist überdies auf die Ver-
wandtschaft hin, die das Manuelsche
Lukasbild mit dem malenden Evan-
gelisten auf einem Holzschnitt des Hor-
tulus animae aufweist. Die Geburt der
Maria steht im Banne Dürers, was eben-
*) J. R. Rahn im Repertorium für Kunst-
wissenschaft III, 1 ff. und Janitschek, Ge-
schichte der deutschen Malerei. Überdies ver-
weise ich noch auf Lützows Kunstchronik,
N. F. I, 460 ff., auf das Repertorium für Kunst-
wissenschaft XXI, 310 und auf Gazette des
beaux arts 1890 und 1896 (A. Valabreghe,
Ed. His). Noch anderes genannt bei }. E. Rahn
a. a. O. Ein kleiner Lichtdruck nach dem
Lukasbilde in Bern bei Haendcke. — Zur Geburt
der Maria in bezug auf Gemäldekunde auch
die Beobachtung, daß der Farbenauftrag hie
und da verhältnismäßig dünn ist. Die erste
Vorzeichnung schimmert durch am Hals-
band, das die schreitende Magd trägt (braun-
schwarze Linien).
falls von Vetter betont wird. Lediglich
ikonographischer Natur dürften die Be-
ziehungen sein zwischen dem Wol-
gemutschen Lukasbilde im Germanischen
Museum (Nr. 109, Abbildung im Ka-
talog) und unserem Sankt Lukas des
Niklas Manuel.*)
Als Entstehungszeit des Lukasbildes
wird seit Haendcke die Zeitspanne von
1513 bis 1515 angenommen.
Einige beschreibende Bemerkungen,
die für die Gemäldekunde beachtenswert
sind, mögen noch Raum finden. Den
meisten Betrachtern wird am Gemälde
selbst, wohl auch an der kleinen Ab-
bildung bald die Darstellung vonPalette,
Malerstock, Farbenmesser und von
Pinseln auffallen. Ein großer Breit-
pinsel wird neben mehreren Spitzpinseln
bemerkt. Sie sind auf einen Steg reihen-
weise aufgelegt. Die Palette ist im
wesentlichen vierseitig, mit abgeschrägten
oder eingebuchteten Ecken. Daumen-
loch nahe einer Ecke. Die Farben auf
der Palette sind: nahe beim Daumen
weiß; dann folgen bläuliche Töne und
schwarz; unten rot. Der Malerstock
zeigt ziemlich deutlich einen kugeligen,
mit Stoff umwundenen Knopf. Die Form
des zweiseitig entwickelten Farben-
messers ist durch die Abbildung klar.
Links, vom Bildrand überschnitten, be-
merkt man ein Stück des Farben-
kastens, in welchem am Originalbilde
zwei Farbennäpfchen sichtbar sind. Das
ganze kleine Malgerät liegt auf einer
Truhe.
Die Ausführung dieses Beiwerks
ist sorgfältig, genau, so recht mit Lust
auf die Fläche gebracht, nahezu so, wie
ein Holbein seine stillebenartigen Bei-
gaben durchgebildet hat, oder wie später
die eigentlichen Stillebenmaler der besten
Blütezeit ihre Sächelchen vor dem Be-
*) Aus etwas späterer Zeit stammt die
Darstellung von Malgerät im Bolzschen Illu-
minierbuch (Abbildung aus der Ausgabe von
1562 bei E. Berger a. a. O. III, S. 196).
BLÄTTER FÜR GEMÄLDEKUNDE.
Nr. 6.
Bern, von der bernischen Kunstgesell-
schaft, vom Berner Ingenieur- und
Architektenverein und vom Bernischen
Kantonalen Kunstverein“. Die erste
Lieferung (Bern, Verlag von K. J. Wyss,
1902) enthält sogleich einen großen
Lichtdruck nach dem Lukasbilde des
Niklas Manuel. Der Text von J. G.
Schaffroth benützt die älteren Werke
über Manuel von C. Grüneisen (1837),
J. Bächtold (1878), H. Haendcke (1889)
und Haendckes Geschichte der schweize-
rischen Malerei im lö.Jahrhundert (1893).
Der zweite Band derselben Veröffent-
lichung bildet (1904) auch die Kehr-
seite des Lukasbildes ab, auf der Mariens
Geburt in beachtenswerter Weise dar-
gestellt ist (Photogravüre: Brunner &
Co. in Zürich, nach einer Aufnahme
von H. Völlger in Bern). Der Text zu
dieser Abbildung stammt von Ferdi-
nand Vetter. Der genannte Gelehrte
teilt mit, daß das Lukasbild und die
Geburt der Maria (nach A. Fluri: Berner
Taschenbuch 1901) wahrscheinlich vom
Altar der Künstlerbruderschaft in der
Prediger-Kirche zu Bern herkommt.
Vetters Text benützt noch weitere Lite-
ratur'1') und weist überdies auf die Ver-
wandtschaft hin, die das Manuelsche
Lukasbild mit dem malenden Evan-
gelisten auf einem Holzschnitt des Hor-
tulus animae aufweist. Die Geburt der
Maria steht im Banne Dürers, was eben-
*) J. R. Rahn im Repertorium für Kunst-
wissenschaft III, 1 ff. und Janitschek, Ge-
schichte der deutschen Malerei. Überdies ver-
weise ich noch auf Lützows Kunstchronik,
N. F. I, 460 ff., auf das Repertorium für Kunst-
wissenschaft XXI, 310 und auf Gazette des
beaux arts 1890 und 1896 (A. Valabreghe,
Ed. His). Noch anderes genannt bei }. E. Rahn
a. a. O. Ein kleiner Lichtdruck nach dem
Lukasbilde in Bern bei Haendcke. — Zur Geburt
der Maria in bezug auf Gemäldekunde auch
die Beobachtung, daß der Farbenauftrag hie
und da verhältnismäßig dünn ist. Die erste
Vorzeichnung schimmert durch am Hals-
band, das die schreitende Magd trägt (braun-
schwarze Linien).
falls von Vetter betont wird. Lediglich
ikonographischer Natur dürften die Be-
ziehungen sein zwischen dem Wol-
gemutschen Lukasbilde im Germanischen
Museum (Nr. 109, Abbildung im Ka-
talog) und unserem Sankt Lukas des
Niklas Manuel.*)
Als Entstehungszeit des Lukasbildes
wird seit Haendcke die Zeitspanne von
1513 bis 1515 angenommen.
Einige beschreibende Bemerkungen,
die für die Gemäldekunde beachtenswert
sind, mögen noch Raum finden. Den
meisten Betrachtern wird am Gemälde
selbst, wohl auch an der kleinen Ab-
bildung bald die Darstellung vonPalette,
Malerstock, Farbenmesser und von
Pinseln auffallen. Ein großer Breit-
pinsel wird neben mehreren Spitzpinseln
bemerkt. Sie sind auf einen Steg reihen-
weise aufgelegt. Die Palette ist im
wesentlichen vierseitig, mit abgeschrägten
oder eingebuchteten Ecken. Daumen-
loch nahe einer Ecke. Die Farben auf
der Palette sind: nahe beim Daumen
weiß; dann folgen bläuliche Töne und
schwarz; unten rot. Der Malerstock
zeigt ziemlich deutlich einen kugeligen,
mit Stoff umwundenen Knopf. Die Form
des zweiseitig entwickelten Farben-
messers ist durch die Abbildung klar.
Links, vom Bildrand überschnitten, be-
merkt man ein Stück des Farben-
kastens, in welchem am Originalbilde
zwei Farbennäpfchen sichtbar sind. Das
ganze kleine Malgerät liegt auf einer
Truhe.
Die Ausführung dieses Beiwerks
ist sorgfältig, genau, so recht mit Lust
auf die Fläche gebracht, nahezu so, wie
ein Holbein seine stillebenartigen Bei-
gaben durchgebildet hat, oder wie später
die eigentlichen Stillebenmaler der besten
Blütezeit ihre Sächelchen vor dem Be-
*) Aus etwas späterer Zeit stammt die
Darstellung von Malgerät im Bolzschen Illu-
minierbuch (Abbildung aus der Ausgabe von
1562 bei E. Berger a. a. O. III, S. 196).