Blatter für Gemäldekuhde
ZU BEZIEHEN DURCH
DIE BUCHHANDLUNG
GEROLD & Co., WIEN,
I. STEPHANSPLATZ 8.
VON
Dr. TH. V. FR IMM EL
- ZUSCHRIFTEN AN -
DEN HERAUSGEBER ZU
RICHTEN NACH WIEN,
IV. SCHLÜSSELGASSE 3.
III. Band. DEZEMBER 1906. Heft 6.
VERMUTUNGEN ZUR MALTECHNIK DES NIKLAS
MANUEL, GENANNT DEUTSCH.
Mit größter Wahrscheinlichkeit läßt sich annehmen: Die Van Eycks haben
in einer Technik gemalt, die im wesentlichen Ölmalerei war. Es scheint, daß
sie wohlgereinigte, trocknende Öle und etwas Firnis, wohl Harzfirnis, sicher
keinen Ölfirnis als Bindemittel benützten. Vielleicht haben sie das feine Färbern
pulver mit einer derartigen Mischung sogleich angerieben, oder sie haben der
mit Trockenöl angeriebenen Farbe beim Malen etwas Firnis beigesetzt. Das Leuch'
tende, überaus Durchscheinende der Van Eyckschen Bilder erscheint damit ver'
ständlich. Zweifellos haben die Van Eycks und ihre Nachfolger ein klares, helles,
kein trübes Bindemittel benützt. Lange blieb diese Art in den Niederlanden ge'
bräuchlich und die zweite Blüte niederländischer Malerei, die im 17. Jahr'
hundert, hat in bezug auf die Bindemittel wohl kaum irgendwelche wesentliche
Neuerungen gebracht. Seit den Van Eycks war es immer echte Ölmalerei.*)
Aus früheren Zeiten hat man nun zwar genug urkundlich überlieferte Angaben,
die eine Benützung von Öl als Bindemittel für Malfarben beweisen, aber zumeist
beziehen sich diese Angaben auf Anstriche, dekorative Wandmalereien, Banner,
nicht auf feinere Gemälde. Überdies ist nichts davon bekannt, daß besondere
Kenntnisse über die Reinigung der Öle verbreitet gewesen wären, wie sehr man
auch zumeist auf die Güte der Materialien Gewicht legte.**) In vielen Fällen sind
die Erwähnungen der Ölfarbe so unklar, daß man sogar an Bemalung von Statuen
denken kann. Aber Ölfarben gab es sicher schon zu den Zeiten eines Heraklius
und eines Theophilus, also mindestens seit dem 10. bis 11. Jahrhundert.
Tafelbilder sind übrigens, wenn man nach den erhaltenen Denkmälern ur'
teilen darf, nicht in Ölfarbe, sondern in Eiweißtempera ausgeführt worden. Auch
scheint die Leimfarbe im späten Mittelalter nicht wenig im Gebrauch gewesen
zu sein. So scheinen die bemalten Hungertücher des späten Mittelalters in Leim'
färbe hergestellt zu sein. Für Banner brauchte man wasserbeständige Bindemittel.
*) Ohne auf Streitigkeiten einzugehen, gebe ich hier die eigene Ansicht wider, die sich
nach mehrmaliger Prüfung der ganzen Angelegenheit gebildet hat. Die wesentliche Literatur
ist in meinem Handbuch der Gemäldekunde (2. Auflage, 1904, S. 44 ff.) angegeben. Das Straß'
burger Manuskript ist jedenfalls eine Nach'Van Eycksche Quelle. Das möchte ich schon aus
dem Firniszusatz beim Malen mit Ölfarbe schließen, der in jenem Manuskript erwähnt wird.
**) De Busscher: Recherches sur les peintres Gantois des XIV. et XV. siecles. Es sind
wiederholt angeführte Stellen, die z. B. auch abgedruckt sind bei Charles Dalbon: „Les origines
de la peinture ä 1’ huile“ (Les Procedes des Primitifs) 1904.
ZU BEZIEHEN DURCH
DIE BUCHHANDLUNG
GEROLD & Co., WIEN,
I. STEPHANSPLATZ 8.
VON
Dr. TH. V. FR IMM EL
- ZUSCHRIFTEN AN -
DEN HERAUSGEBER ZU
RICHTEN NACH WIEN,
IV. SCHLÜSSELGASSE 3.
III. Band. DEZEMBER 1906. Heft 6.
VERMUTUNGEN ZUR MALTECHNIK DES NIKLAS
MANUEL, GENANNT DEUTSCH.
Mit größter Wahrscheinlichkeit läßt sich annehmen: Die Van Eycks haben
in einer Technik gemalt, die im wesentlichen Ölmalerei war. Es scheint, daß
sie wohlgereinigte, trocknende Öle und etwas Firnis, wohl Harzfirnis, sicher
keinen Ölfirnis als Bindemittel benützten. Vielleicht haben sie das feine Färbern
pulver mit einer derartigen Mischung sogleich angerieben, oder sie haben der
mit Trockenöl angeriebenen Farbe beim Malen etwas Firnis beigesetzt. Das Leuch'
tende, überaus Durchscheinende der Van Eyckschen Bilder erscheint damit ver'
ständlich. Zweifellos haben die Van Eycks und ihre Nachfolger ein klares, helles,
kein trübes Bindemittel benützt. Lange blieb diese Art in den Niederlanden ge'
bräuchlich und die zweite Blüte niederländischer Malerei, die im 17. Jahr'
hundert, hat in bezug auf die Bindemittel wohl kaum irgendwelche wesentliche
Neuerungen gebracht. Seit den Van Eycks war es immer echte Ölmalerei.*)
Aus früheren Zeiten hat man nun zwar genug urkundlich überlieferte Angaben,
die eine Benützung von Öl als Bindemittel für Malfarben beweisen, aber zumeist
beziehen sich diese Angaben auf Anstriche, dekorative Wandmalereien, Banner,
nicht auf feinere Gemälde. Überdies ist nichts davon bekannt, daß besondere
Kenntnisse über die Reinigung der Öle verbreitet gewesen wären, wie sehr man
auch zumeist auf die Güte der Materialien Gewicht legte.**) In vielen Fällen sind
die Erwähnungen der Ölfarbe so unklar, daß man sogar an Bemalung von Statuen
denken kann. Aber Ölfarben gab es sicher schon zu den Zeiten eines Heraklius
und eines Theophilus, also mindestens seit dem 10. bis 11. Jahrhundert.
Tafelbilder sind übrigens, wenn man nach den erhaltenen Denkmälern ur'
teilen darf, nicht in Ölfarbe, sondern in Eiweißtempera ausgeführt worden. Auch
scheint die Leimfarbe im späten Mittelalter nicht wenig im Gebrauch gewesen
zu sein. So scheinen die bemalten Hungertücher des späten Mittelalters in Leim'
färbe hergestellt zu sein. Für Banner brauchte man wasserbeständige Bindemittel.
*) Ohne auf Streitigkeiten einzugehen, gebe ich hier die eigene Ansicht wider, die sich
nach mehrmaliger Prüfung der ganzen Angelegenheit gebildet hat. Die wesentliche Literatur
ist in meinem Handbuch der Gemäldekunde (2. Auflage, 1904, S. 44 ff.) angegeben. Das Straß'
burger Manuskript ist jedenfalls eine Nach'Van Eycksche Quelle. Das möchte ich schon aus
dem Firniszusatz beim Malen mit Ölfarbe schließen, der in jenem Manuskript erwähnt wird.
**) De Busscher: Recherches sur les peintres Gantois des XIV. et XV. siecles. Es sind
wiederholt angeführte Stellen, die z. B. auch abgedruckt sind bei Charles Dalbon: „Les origines
de la peinture ä 1’ huile“ (Les Procedes des Primitifs) 1904.