Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Frimmel, Theodor von [Hrsg.]
Blätter für Gemäldekunde — 3.1907

DOI Heft:
Heft 9
DOI Artikel:
Peltzer, Rudolf Arthur: Die Inschriften auf Holbeins Porträt des Dirk Tybis von Duisburg
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.27900#0190

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
162

BLÄTTER FÜR GEMÄLDEKUNDE.

Nr. 9.

Bildnissen der ehrbaren Kaufherren von
der deutschen Hansa in London, welche
Holbein in den ersten Jahren nach seiner
Rückkehr aus Basel (1532—1536), bevor
ihn der Hof ganz in Beschlag nahm,
zahlreich malte.

Als das schönste dieser Gattung
von Kaufmannsporträts, die in ihrer
Gesamtheit ein kulturhistorisch inter-
essantes Bild der äußeren Erscheinung
und des Charakters dieser selbstbewußten
Vertreter deutschen Handels und Ge-
werbes auf englischem Boden gewähren,
gilt der Georg Gisze imBerliner Museum.
Hier kann sich Holbein nicht genug
tun in der liebevollen Schilderung all
der mannigfachen Gegenstände, welche
ein Kontor füllen: auf dem Tische das
Schreibzeug, dessen vorderer Teil als
Geldbehälter dient, Gänsefeder, Schere,
Petschaft, Uhr; auf den Bücherborten
die Rechnungsbücher, Briefe und andere
Papiere, eine Goldwage, ein kleineres
Petschaft, Pergamentstreifen mit Siegeln,
eine kunstvolle Kapsel, die eine Bind-
fadenrolle enthält usw. Wird durch
dieses Beiwerk der Beruf des Porträtierten
hinreichend illustriert, so geben mehrere
an der Wand angebrachte Inschriften
und Briefe Aufklärung über dessen
Persönlichkeit. Gisze ist beschäftigt, einen
Brief zu öffnen, der die Adresse trägt:
Dem erszamen Jergen Gisze to Lunden
in Engelant, mynem broder, to Landen.
Aus derartigen Aufschriften auf Briefen,
welche die Dargestellten in der Hand
halten, hat Woltmann*) die Namen
zweier anderer Mitglieder des Londoner
Stahlhofs, des Cyriacus Cale (Galerie
in Braunschweig) und des Dirk Berck
(Schloß Petworth) herausgelesen. Auch
die Bezeichnung des bärtigen Mannes
der Sammlung in Windsor als Gold-
schmied Hans von Antwerpen geht auf
eine Briefadresse zurück. Manche dieser

*) Alfred Woltmann, Holbein und seine
Zeit. Leipzig 1868, Bd. I, S. 209 ff. (2. Aufl.
I (1874). S. 365, II (1876), S. 152.

Porträts mögen als Geschenk für einen
Verwandten oder Freund in der Heimat
bestimmt gewesen sein und man darf
wohl annehmen, daß der Künstler den
Moment hat festhalten wollen, in welchem
die Gedanken des Dargestellten dem
Schreiber des Briefes zueilen, für den
das Bild bestimmt ist.

Die Kaiserliche Gemäldegalerie
in Wien besitzt in dem Porträt des
Dietrich (Dirk) Tybis ein schönes Bei-
spiel dieser Art Holbeinscher Porträt-
malerei, wenngleich das reiche Detail
des Gisze-Bildes hier fehlt. Auf dem
Tische, hinter welchem der ernst und
kühl dareinschauende junge Mann steht,
befindet sich diesmal nur ein ähnliches
Schreibgerät mit Geldbehälter, Feder,
Siegellack und Petschaft mit sichtbarer
Marke. Auch Tybis ist'gleich seinem
Kollegen Gisze im Begriffe, die Zunge
eines Briefes zu lösen, während ein
zweites verschlossenes Schreiben vor
ihm liegt, so daß die Adresse dem Be-
schauer zugewandt ist. Zu seiner Rechten
sieht man ein beschriebenes Blatt Papier.
Der Wortlaut dieser drei, wie gewöhn-
lich in niederdeutscher Mundart abge-
faßten Urkunden, welche über die vor
uns stehende Persönlichkeit vollen Auf-
schluß geben, ist bisher nur in unge-
nügender Weise wiedergegeben worden,
und zwar auch im amtlichen Führer
durch die Gemäldegalerie, welcher auf
S. 206 (Ausgabe von 1906) eine Re-
produktion des Blattes mit daneben-
stehendem Text gibt. Nicht nur ist hier
Duisburg in „Drysbach (?)“ entstellt, ob-
wohl schon Woltmann richtig gelesen
hatte, sondern es sind auch die Worte,
„was Holpein malt“, in den Text hinein-
geheimnist worden. Auch die Buchstaben
D. T., welche sich auf dem Petschaft
des Dirk Tybis zur Seite seiner Handels-
marke befinden und natürlich im Gegen-
sinn gestochen sind, hat man als T. C.
mißverstanden. Die Schrift auf dem
Blatt lautet in korrekter Wiedergabe:
 
Annotationen