Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Buchner, Ernst [Hrsg.]
Augsburger Kunst der Spätgotik und Renaissance — Augsburg, 1928

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.28869#0046

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
punziertem, mit zartem Rankenmuster ornamen-
tierten Goldgrund links die Geißelung, rechts die
Himmelfahrt Christi, während auf den Außensei-
ten vor rotem, mit Goldblumen besäten Grund
links die Kreuztragung, rechts ein heiliger Mönch,
vermutlich Benedikt, dargestellt ist. Die Unbehol-
fenheit der Raumdarstellung tritt auf der Geiße-
lung (Ahb. 17) besonders augenfällig zutage. Die
schlottrig stehenden Schergen, deren Hiehgesten
hölzern wirken, scheinen von dem steil verkürzten
Fliesenboden abzugleiten. Der klägliche, dürre,
eckige, hartknochigeAkt Christi, der sehr verwandt
auf dem Meßgewand des zelebrierenden Ulrich
(Ulrichsmesse) zu finden ist, die härtere, etwas
spröde Charakterisierung der Köpfe, die sorgfältige
Landschaftsbehandlung — hier ist die Nachwir-
kung des Meisters derHubertusexhumation (Baum-
stilisierung, Architektur usw.) noch besonders
fühlbar — verraten den Willen zu einer schärferen
Wirklichkeitsschilderung. Die formalen Schwä-
chen werden aufgewogen durch die Leuchtkraft
und Klarheit der Farbe. Im Kolorit ist die innige
Verwandtschaft mit den Ulrichstafeln offenbar.
Wie die intensiven, lichtstarken Farben der Ge-
wänder (Zinnober, moosgrün, tiefblau, violett, kar
min, gelb, weiß) in der geschmackvoll getönten
Architektur ihre Resonanz finden, damit ist etwa
der farbige Aufbau der Ulrichsmesse zu verglei-
chen. Auch Einzelzüge der Formgebung weisen
eine weitgehende Verwandtschaft auf: man ver-
gleiche das schmerzlich verschobene Gesicht Christi
mit dem Kopf des vorderen Kranken auf der Ul-
richspredigt (Abb. 6) oder die mageren Beine (vor-
tretende Kniescheibe!) des rechten Schergen mit
dem wackligen Untergestell des Fürsten auf dem
Fischwunder (Abb. 7).
Geschickter hat der Meister hei der,,Himmelfahrt"
(Abb. 18) das Raumproblem zu bewältigen gesucht,
allerdings unter Zuhilfenahme primitiver Kunst-
mittel (wie der dem Steilhügel angeglichenen Schrä-
gen der Apostelreihen). Auch der Grundgedanke

der Darstellung, die staunende Emporwendung
Mariä und der Apostel ist wirksam gestaltet. Das
beinahe komisch wirkende Emporschlupfen Chri-
sti in den Wolkenschlitz/) jene eigentümliche,
nüchtern isolierendeDarstcllung des Wunderbaren
ist zu vergleichen mit der ganz ähnlich empfunde-
nen Wiedergabe der segnenden Hand Gottes, die
über der Ulrichsmesse erscheint. Gutes und m. E.
überzeugendes Vergleichsmaterial bieten die schö-
nen, fülligen Draperien der Mäntel und die Gebär-
dung der Hände, deren Zeichnung flüssiger und
schematischer geworden ist. Die Farbengebung ist
einfach und klar, die großflächigen, reinen Töne
der Gewandung werden durch das Gold der Nim-
ben und des Grundes zu prächtiger Wirkung ge-
steigert. Die Erhaltung der beiden Innenseiten ist
im wesentlichen gut. Eine größere Retusche findet
sich links unten im Mantel Mariä. Dagegen sind
auf den Außenseiten einige Stellen, insbesondere
im Hintergrund und an den Bretterfugen, beschä-
digt und z. T. nur oberflächlich ausgebessert. Der
künstlerische Eindruck wird jedoch dadurch wenig
beeinträchtigt.
Wie Hans Holbein d. Ä. mit die reinsten und ein
drucksvollsten Wirkungen erzielt, wenn er einzelne
oder wenige Figuren vor dekorativem Grund in
ruhevoller Repräsentationoder schlichter Zustands
Schilderung darstellt, so liegen auch seinem kirnst
lerischen Vorfahren, dem Meister der Ulrichslcgen-
den, ähnlich geartete Aufgaben besser, als vielfigu
rige, dramatisch bewegte, in einem weiträumigen
Naturausschnitt spielende Historien. So kommt es,
daß bei den Brüssler Flügeln den künstlerischen
Höhepunkt nicht die dicht und etwas unfrei ge
füllten Felder der Feiertagseite, sondern die vor
tiefrotem, mit Goldblumen geschmückten Grund
sich entwickelnden Darstellungen des geschlosse-
nen Altars bilden. Zur Linken baut sich in groß-
artig schlichter Schräganorduung die Kreuztra
gung auf (Abb. 19) — rechts steht erust und feier-

26
 
Annotationen