Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Buchner, Ernst [Hrsg.]
Augsburger Kunst der Spätgotik und Renaissance — Augsburg, 1928

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.28869#0204

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Während die beiden kleinen Bildnisse in Graz eher
Gelegenheitsschöpfungen zu sein scheinen, tritt
uns in dem von Büchner neu entdeckten männ-
lichen Bildnis von 1505 in Wien (Abb. 110), in dem
zwischen 1514 und 1519 entstandenen .Jünglings-
porträt in Graz und in dem weiblichen Bildnis der
Sammlung Cook (Abb. 117), das nach der ganzen
Anordnung ebenfalls ein Spätwerk sein muh, der
offizielle Porträtstil des älteren Hans Ilolbein klar
gegenüber. Schon das früheste dieser Werke in
seiner noch gotischen Schlankheit des Bildformats
ist vollkommen frei von niederländischen Remi-
niszenzen und hat nichts mit dem Porträt eines
Rogier, Bouts oder Memling zu tun. In seiner
scheinbar absichtslosen Schlichtheit führt es eher
den spätgotisch deutschen Bildnisstil weiter, wie
ihn verschiedene Einzelporträts vom Ende des 15.
Jahrhunderts auf weisen. Suida, der das Grazer Bild
um 1520 ungefähr richtig datierte^),ist der Ansicht,
daß ,,die Anlage dem von Sebastiano del Piombo
auf Grund der Monna Lisa Lionardos geschaffenen
Typus mit dem breiten unteren Abschluß des quer-
gelegten Armes" entspräche. Die größere Geschlos-
senheit desBildaufbaues,der durch denrechtenUn-
terarm eine stark hetonteBasis erhält, ist unleugbar.
Dennoch dünkt es mir wahrscheinlicher, daß Hol-
bein selbständig zu dieser dem allgemeinen Zeit-
stil entsprechenden Lösung gelangt ist, um so mehr
als er sie schon in der auch porträthafte Ziige^)
aufweisenden heiligen Katharina in Gotha (Abb.
126) verwendet hatte. Auch in dem ähnlich kom-
ponierten Bilde in Richmond liegt noch nichts von
der strengen Absichtlichkeit des Porträtstils der
italienischen Hochrenaissance.
Während das Porträt der Sammlung Lanckoronski
durch die ornamental-architektonische Umrah-
mung, das Männerporträt von 1505 in Wien, das
Frauenbildnis der Sammlung Cook und das späte
') Die Landesbildergalerie und Skulpturen-Sammiung in Graz. Wien
1923. Nr. 65.
2) Man vergleiche eine Siiberstiftzeichnung in Kopenhagen (abgebiidet
bei His, a. a. 0. Tafel XXXVI), die wie eine Naturstudie zu dem Bild

Jünglingsporträt in Graz durch die Vorzeichnung
als Werke Hans Holbeins d. A. beglaubigt sind,
wurden die kleineren Grazer Bildnisse von Suida
rein stilkritisch als Werke des Meisters erkannU).
Auf gleichem Wege hat nun Büchner zwei weitere
Werke als Arbeiten des Augsburgers bestimmt; ein
Männerporträt der Sammlung Czartoryski in Kra-
kau^) (Abb. 115) und ein 1517 datiertes Bildnis
eines vornehmen Herren in englischem Privat
besitz^) (Abb. 120). Diese zwei Gemälde waren
seinerzeit als Jugendarbeiten des Sohnes Hans Hol-
beins in der Literatur eingeführt worden, wäh-
rend als Autor der beiden Bildnisse heim Grafen
Lanckoronski und hei Sir Herbert Cook auch Am-
brosius Holhein vorgeschlagen wurde. So scheinen
die Grenzen der künstlerischen Tätigkeit des Va-
ters und der Söhne sich zu verrücken. Daß die bei-
den letztgenannten Werke nicht von Ambrosius,
sondern von seinem Vater herrühren, scheint kei-
nes Beweises mehr zu bedürfen, ebensowenig kön-
nen die beiden anderen Porträte heute noch dem
großen Sohn zugeschrieben werden. Die Ursache
der ursprünglichen Fehlbestimmung scheint mir
in dem Umstand zu liegen, daß man zwar das all-
gemein Holheinartige dieser Bilder empfand, dem
Vater, den man alsPorträtmalernoch nicht kannte,
aber die Modernität der Auffassung, die Freiheit
und Ungebundenheit der Darstellung nicht zu-
traute. Nun zeigt gerade das entwicklungsgeschicht-
lich reifste Werk der Reihe, das Grazer Finzelbild-
nis, daß derselbe ältere Hans Holbein, der im An-
dachtsbilde den niederländischen Einfluß nie ganz
überwand und stets noch irgendwie in den Banden
spätmittelalterlicher Tradition stecken blieb, im
s) Das von demselben Autor noch hypothetisch herangezogene Brust-
bild einer älteren Frau auf Burg Kreuzenstein (vgl. Belvedere, IV.,
1923, S. 135) hat sich bei genauer technischer Untersuchung als Fäl-
schung des 19. Jahrh. herausgestellt.
4) Abgebildet bei Ganz, Hans Hoibein d. J. (Klass. d. Kunst XX.)
S. 205 unter den zweifelhaften Gemälden. Mir wie das folgende durch
3) Publ. von Ganz im Burlington Magazine XXXVIII, 1921, p. 210 f.
Zürich 1924, T. 57. Die Vermutung von Ganz, daß Jakob von Herten-
stein aus Luzern der Dargestellte sei, fällt mit der Zuschreibung an
Hans Holbein d. J.

184
 
Annotationen