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Buchner, Ernst [Hrsg.]
Augsburger Kunst der Spätgotik und Renaissance — Augsburg, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.28869#0205

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Bildnis zu Lösungen gelangte, die kurz vor 1520
der allgemeinen europäischen Entwicklung ent-
sprachen und mit manchem italienischen oder nie-
derländischen Werk der Zeit wetteifern konnten.
Was die zahlreichen Silberstiftzeichnungen ver-
sprachen, das hielt die Reihe der entdeckten Bild-
nistafeln. Ein erster Porträtist war in ihnen am
Werke. So zeigt das Profil des älteren Hans Hol-
bein sich als das eines Januskopfes, der nach rück-
wärts sieht, wenn es gilt Madonnenbilder, Passions-
und Heiligenszenen zu malen und nach vorwärts,
wenn er im Porträtfach der Natur direkt gegen-
übersteht.
Kaum etwas ist für diese Bildniskunst des Meisters
so bezeichnend wie der Umstand, daß Holbein kein
Schema des Aufbaues kennt, daß jedes Porträt neu
und anders komponiert ist. Die kleinen Grazer
Bildchen und das Gemälde der Sammlung Czar-
toryski sind reine Naturausschnitte, die scheinbar
willkürlich so in den Rahmen gesetzt sind, daß die
Hände nicht sichtbar werden. Ganz streng und
bewußt ist hingegen das ruhige ernste Wiener Bild
von 1505 komponiert. Ähnlich im Aufbau, nur
weniger gestreckt und mehr in die Breite gezogen,
ist das Bildnis beim Grafen Lanckoronski, das
vielleicht aus äußeren Gründen in eine wenig pas-
sende Umrahmung gesetzt ist, die einem anderen
Bilde entlehnt ist und sich also nicht organisch
mit ihm verbindet*). Durch große Unmittelbar-
keit zeichnet sich dann das einzige weibliche Bild-
nis der Reihe aus. Die Dargestellte ist durch den
Blick in direkte Beziehung zum Beschauer gesetzt,
eine scheinbar zufällige, durchaus natürliche Hal-
tung ist benützt, um die Formen des Körpers klar
in ihren Bewegungsfunktionen zu betonen und
der Komposition einen ruhigen Abschluß zu ver-
leihen. Wenn das Gemälde, wie Büchner festge-
im Wiener kh. Museum) rot und grün, die der Madonna aber braun in
braun gehalten ist. Vgl. Anm. 1, S. 176.

stellt hat, 1512 entstanden ist, so ist es wirklich
kein Zufall, daß die neue Porträtauffassung in
demselben Jahre auf taucht, in dem die italienische
Renaissanceornamentik in das Werk Holbeins ein-
dringt. Eine ganz ähnliche Komposition zeigt dann
das Herrenporträt von 1517 (?) aus der Samm-
lung Wynn Ellis in London, das wieder vor eine
ornamentale Architektur gestellt isU). Die vordere
Brüstung weist die gleichen Fehler der Verkür-
zung auf wie das männliche Bildnis von 1513. Die
Architektur ist aber freier geworden, ihre Linien
erhöhen die Schlankheit des Eindrucks der Ge-
stalt und rahmen den Kopf geschickt ein. Zum
ersten Male sind beide Hände gezeigt. Noch freier
entfaltet sich der Körper auf dem Grazer Einzel-
bildnis (Abb. 133), das in der engen Fassung durch
den Rahmen der lebhaften Bewegung des Kopfes
und dem neuen Motiv, die Hände übereinander
anzuordnen, wieder eine neue Kompositionsart
einführt.
Der Nachweis Büchners, daß einzelne Bildnisse,
die früher für Jugendwerke Hans Holbeins d. J.
gehalten wurden, vom Vater herrühren, berechtigt
zur Umschau, ob nicht noch weitere Schöpfungen
sich logischer dem Gesamtwerk des Vaters als
dem eines der Söhne einordnen. Das Darm-
städter Landesmuseum bewahrt ein kleines aber
sehr fein gemaltesBildnis eines Jünglings in schar-
lachrotem Mantel und Barett vor hellblauem Hin-
tergrund (Abb. 135), das, 1515 datiert und H. H.
signiert, der Reihe nach für den Vater und die
beiden Söhne in Anspruch genommen wurde.
Während nun Wilhelm SchmidU) für den älteren
Hans eingetreten war, schrieben es die übrigen
Forscher bald dem jüngeren Hans, bald dem Am-
2) Sie ist diesmal nach einem Buchtitel des Sohnes von 1517 (pubi.
von Ganz. Burlington Magazine XXXVIII, S. 215) kopiert.
3) Repertorium für Kunstwissenschaft I. S. 251. Er wies mit Recht auf
die vor allem technisch bestechende Verwandtschaft mit dem Münchner
Sebastiansaltar hin, der besonders in den Bettierköpfen des rechten
Fiügels nahe Parallelen bietet. An dem etwas verriebenen Darmstädter
Bildnis sind charakteristisch für den äiteren Holbein die mit langen
Pinselstrichen in fast weißer Höhung hingesetzten Haare. Einige breite
helle Pinselstriche modellieren auch das sonst glatt gemalte Gesicht.
Spitze Lichter sitzen in den Augen.

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