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Buchner, Ernst [Hrsg.]
Augsburger Kunst der Spätgotik und Renaissance — Augsburg, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.28869#0348

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Erst 1512 ist nach den Herzogenburger Fhigein
von 1501 wieder ein BiJd datiert. Es ist die leider
kompositionell nicht mehr intakte Tafel in Berlin
(Maria mit Heiligen, Kaiser-Friedrich Museum Nr.
5071) (Ahh. 235), die rechts unten am Brummen
Breus bekanntes Meisterzeichen und die Jahres-
zahl zeigt. Ein eigner Beiz hegt über den kindlich-
anmutigen, ländlich liebenswürdigen, etwas ver-
schlafen dreinhlickenden Jungfrauen, die, gehüllt
in das reiche Faltenwerk ihrer schönen Gewänder,
in offenem Hügelland auf einer Rasenhank Platz
genommen haben. Die zwei Engelchen, diezwischen
den luftig gefiederten Bäumchen auf Maria herab-
schweben, hatten seit wer an der kostbaren Mutter-
gotteskrone zu tragen — und unten am und im
Brunnentrog singen sieben gebügelte Putten, durch
die Zettel als Repräsentanten christlicher Tugenden
gekennzeichnet, geschäftig ein Lied. Leider ist die
sehr sorgfältig durchgeführte Komposition durch
die nachträgliche Veränderung der linken BUd-
hälfte formal und psychologisch — Blickwendung
und Gebärde des Ghristuskindes wirken nun un-
motiviert — aus dem Gleichgewicht gebracht. Das
reich abgestufte, gewählte Kolorit ist von apartem
Reiz, die Malerei von gußartigem Schmelz, der
Auftrag ist nicht glatt und geleckt, sondern leben-
dig und geistvoll. Trotz dieser Vorzüge bleibt das
anmutige Werk weit hinter den Glutvolleren Male-
reien der Eriihzeit zurück. Nicht nur Einzelhei-
ten und Äußerlichkeiten sind anders geworden,
sondern der Lebensgrund, aus dem alles wächst,
ist nicht mehr der gleiche — er ist Racher, saft-
loser, steriler geworden.
Hier sei ein Wort über die vergleichsweise häufi-
gen Entlehnungen Breus aus dem Formen- und
Ideenschatz anderer Künstler eingeschoben. Ori-
ginalität der Erfindung war nicht immer Breus
Ehrgeiz. Aber nicht Mangel an Phantasie — er
hat oft genug bewiesen, daß es ihm nicht daran
gebrach, wenn er nur wollte — als vielmehr eine
gewisse Bequemlichkeit und seine sorglose Art, oft

rasch und büchtig sich seiner Aufträge zu entledi-
gen, waren wohl der Anlaß zu seinen zahlreichen
Anleihen aus den Werken andrer Künstler. Breu
verstand sich meisterhaft auf einen sozusagen ele-
ganten Borg künstlerischer Ideen. Darum sind
seine Entlehnungen etwas anderes als das geistlose
Sich-anklammern des Stümpers ans größere Vor-
bild. Breu brauchte die Vorlagen nicht als Kriik-
ken —und nicht selten gelang es ihm. das Fremde
so selbstverständlich seiner Kunstweise anzuglei-
chen, daß kein falscher Ton im fertigen Werk haf-
ten blieb.
Einer der interessantesten Fälle von Übertragun-
gen eines fremden Vorbilds in die eigne Sprache
liegt hei der von Feuchtmayr dem Meister zurück-
gegebenen Marien tafel in Auf hausen (Ahh. 236)
vor, die auf die bekannte Dürerzeichnung von 1509
in der Basler Kunstsammlung zurückgehP). Ich
glaube uiclit, daß Breu durch Zufall einige Jahre
später das Dürersche Blatt in die Hand bekam und
danach aus freien Stücken sein Bild zurechtzim
inerte. Die Zeichnung Dürers wirkt durchaus wie
ein weitgetriehener, bis ins Letzte durchgeführter
Bildentwurf — und zwar nicht wie eine Vorstudie
zu einer eigenen Arbeit; es ist wohl kein Zufall, daß
sie sich in dem gezeichneten Werk Dürers merk-
würdig und vergleichsweise isoliert ausnimmt. Ich
sehe darin eine bestellte ,,Visierung", die dann
einem andern Meister zur Bildausführung über
gehen wurde. Es ist plausibel, daß sich ein Augs-
burger Bürger von Dürer die Vorlage entwerfen
ließ — es sei, daß er nicht genug Geld hatte, um
eineDürertafel zu bezahlen, sei es,daßl)ürer keine
Zeit oder Lust zur Ausführung hatte — und Breu
die Ausführung in Auftrag gab. Daß der Augsbur-
ger Maler die Vorlage nicht getreulich nachbuch
stabierte, spricht nicht gegen unsre Vermutung.
Denn damals dachte man über Kopieren und Be-
wahren geistigen Eigentums anders als heute. Breu
nimmt sich die Freiheit, die reine Bildsprache Dü
') Vg!. Karl Feuchtmayr, Kunstchronik, 1921, S. 793ff.

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