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Buchner, Ernst [Editor]
Augsburger Kunst der Spätgotik und Renaissance — Augsburg, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.28869#0504

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Er ist sichtlich später entstanden als der Basler
Altar. Da die beiden doppelseitig bemalten Tafeln
sich noch in den alten Rahmen befinden (Höhe
1,32 m) ist anzunehmen, daß er einstöckig war.
Es fehlt also auch hier das Mittelstück. Wendland
glaubt —wie ich meine mit Unrecht — zwei neben-
einanderliegende Tafeln annehmen zu müssen. Es
scheint mir unmöglich und beispiellos zu sein, daß
der Mittelpunkt eines Altares eine leere Fuge sein
könnte. Auch hier liegt der Gedanke an Plastik
doch wieder recht nahe. Warum sollten sich von
allen großen Altären des Witz immer nur die Flü-
gel, dagegen gar nichts von den Mitteltafeln erhal
ten haben? Skulpturen gingen nachweislich häu-
tiger zugrunde als Malereien — schon weil sie
schwerer aufbewahrt werden konnten.—W. glaubt
im neu nachgewiesenen Berliner Gnadenstuhl, die
eine der beiden Mitteltafeln gefunden zu haben.
Darüber ließe sich streiten, nicht aber darüber, daß
das Bild wirklich von Witz ist. Diese Benennung
ist in der Literatur wiederholt aufgetaucht, aber
nie so recht durchgedrungen. Ich selber habe das
Bild, solange ich es kenne, für eine Arbeit des Mei-
sters gehalten, wennschon ich mir Verschiedenes
in seinem alten Xustand nicht erklären konnte. Die
glückliche durch W. veranlaßte Restauration ent-
ließ das Gemälde mit wesentlich günstigeren Maß-
und Raumverhältnissen und in unverfälschter Ma-
lerei. Es ist ein prächtiges, wenn auch nicht un-
versehrt erhaltenes Hauptwerk des Meisters. Zwei-
fel an der Echtheit müssen nun verstummen. —
Die gedrückten Proportionen der Tafel legen den
Gedanken an Zugehörigkeit zu den ähnlich
niedrigen Genfer Flügeln nahe. Doch scheint es,
daß sie stark beschnitten ist. Die Komposition wäre
in dieser Form gar zu ungewöhnlich. War die
Tafel aber größer, so kann sie nicht zum Genfer
Altar gehört haben. Escherich macht sie wesent-
lich (zu sehr) vergrößert zumMittelstück des Heils-
spiegelaltars, was aus stilistischen und ikono-
graphischen Gründen wenig wahrscheinlich er-

scheint. Anderseits mag sie ihrem Stil nach auch
zum Genfer Altar nicht recht passen (wennschon
man beachtet, daß dieser z. T. trostlos restauriert
ist)^). Die Frage der Zugehörigkeit dieser Tafel ist
wohl noch nicht endgültig beantwortet.
Außer den beiden genannten Altären sind uns noch
drei großartige Tafeln eines dritten Altarwerks er-
halten, die den Höhepunkt im Schallen des Mei-
sters bezeichnen. Für die zeitliche Fixierung ist die
Präge die: bleibt nach Vollendung des Genfer Al-
tars 1444 bis zum frühen Tode spätestens im Som-
mer 1447 noch genügend Zeit für einen Altar die-
ses grandiosen Ausmaßes. Stilistisch möchte man
diese reifen Werke jedenfalls diesem letzten Ab-
schnitt zuweisen. W. glaubt, den drei Stücken in
Basel, Nürnberg und Straßburg noch das Frag-
ment eines vierten anschließen zu dürfen: eine
Madonna mit Kind in Basel, olfenhar aus einer
Anbetung. Es sieht heute ziemlich mitgenommen
aus und scheint auf den ersten Blick eher einer
spätem Zeit anzugehören und wenig witzischen
Charakter zu haben. Die Malweise zeigt dann aber
doch wieder soviel von seiner unnachahmbaren
Art, daß W. recht behalten dürfte"). Den fremd-
artigen Madonnentypus erklärt er sehr geschickt
damit, der Maler hätte sich an ein älteres Vorbild
halten müssen. Das Kloster Olsberg hei Basel
führte wirklich die Madonna im Siegel. Alan müßte
sonst zu dem wenig glaubhaften Ausweg greifen,
es hätte in Basel noch ein zweiter, AA'itz zeitlich
nahestehender Alaler gelebt, der gänzlich in dessen
Art gearbeitet hätte, von dem sich aber nichts wei-
ter als dies eine Bild erhalten hätte. Daß hei der
zum Vergleich herangezogenen goldenen Pforte

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