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Buchner, Ernst [Hrsg.]
Augsburger Kunst der Spätgotik und Renaissance — Augsburg, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.28869#0514

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gäbe an das Objekt zu fehlen, die Liebe für das
Kleine und Nebensächtiche, die uns die Blätter der
großen deutschen Zeichner so Hebenswert macht.
Man spürt, daß der Künstler die Dinge, die Pas-
sion etwa, nicht innerhch miteriehte und sie aus
diesem Erteben heraus neu gestattete. Es gibt nur
ein formales Problem für Holbein. Es ist etwas
Humanistisch-Klassizistisches in dieser Welt, das
dem Deutschen oftmals fremd bleibt. Und dies
Rationalistisch-Hellsichtige macht, daß er unter
seinen Genossen in Basel so allein dastand, daß er
keine eigentliche Nachfolge hatte, daß der ferner
wohnende Baidung so viel tiefergehende Wirkung
auf die Graf und Manuel ausüben konnte. Diese
Zeichnungen sind nie mehr und nie weniger, als
was sie zu sein vorgeben: sie sind ganz sachlich.
Einen Kampf um die Ausdrucksweise, wie er das
ganze Lebenswerk Dürers beherrscht, gab es bei
diesem Spätgeborenen nicht. Ihm fiel die von an-
dern so schwer erkämpfte Meisterschaft mühelos
in den Schoß. Kaum daß man von einer Entwick-
lung reden kann in den dreißig Schalfensjahren,
die dem Meister beschieden waren.
Gerade in dieser mühelosen Sicherheit und nie ver-
siegenden Erfindungsgabe, die von der märchen-
haft spielenden, so ganz unzweckmäßigen Phan-
tasie eines Altdorfer so himmelweit verschieden
ist, in dieser unnahbaren Überlegenheit hegt aber
die stumme, erschütternde Tragik dieses unge-
wöhnlichen Künstlerlehens beschlossen: er ist
immer ganz allein, immer der kühle, verschwie-
gene Beobachter, der sich gegen niemand auftut.
Man kann sich Holbein nicht herzhaft lachend
vorstellen. Nie finden wir in seinen Zeichnungen
eine unbedachte Geste, die sein Inneres verriete,
nie eine übersprudelnd freudige Bewegung. Sie
sind gefühllos in ihrer dekorativen Klarheit. Etwas
Freudloses und Liebloses spricht aus ihnen. Der
Meister ist nie jung gewesen. So hleibt er ohne
herzliche Freunde allein. Die Gattin mit samt den
Kindern läßt er auf Jahre im fernen Basel zurück.

Wem die große Publikation von P. Ganz nicht zur
Verfügung steht, wird mit Vorteil zum vorliegen-
den, gut ausgestatteten Werke von Glaser grei-
fen. Es ist im Gegensatz zu manchen andern Zeich-
nungspuhlikationen in seltenem Maße gelungen.
Man spürt, daß hier ein Künstler seinen Autor ge-
funden hat. Anders wäre dies ungewöhnlich glück-
liche Eintreten auf die besonderen Qualitiäten des
Meisters nicht zu erklären. Die Einführung gehört
zu den besten dieser Art, die wir haben. In sprach-
lich sehr gewandter und treffender Form wird
das Problem der Handzeichnungen Holbeins um-
schrieben. Sie ist geeignet, manchen näher zum
Zeichner Holbein hinzuführen.
Der Bilderteil mit seinen 85 Abbildungen kommt
mit seinem großen Format den Originalen eher
entgegen als die zu kleine Bardsche Publikation.
Auch das gewählte Druckverfahren ist erfreulicher,
weil es das Unzureichende jeder Abbildung offener
zugibt. Mit wenigen Ausnahmen (Abb. 8, 79) sind
die Tafeln sehr gut ausgefallen. Unsympathisch ist
die unschöne Verbindung der beiden Textbilder
mit dem klar gedruckten Satzbild. Auf Seite 25 ist
ein Druckfehler auszumerzen: die Darstellung von
Pyramus und Thisbe findet sich auf der Dolch-
scheide Abh. 83 (nicht 82). Die Auswahl berück-
sichtigt in erfreulicher Weise auch die manie-
ristische Seite des Meisters, wo er sich mit Gellini
berührt, in entsprechendem Umfang. Sie bietet so
einen vollkommenen Überblick über die Art der
Zeichnungen, das Stoffgebiet, die verschiedenen
Techniken und den zeitlichen Ablauf. Besonders
glücklich ist die Vertretung der einzigartigen eng-
lischen Porträtköpfe. Es wäre zu wünschen ge-
wesen, daß sich die zur Wiedergabe gewählten
Blätter weniger häutig mit der kleinen Ganzschen
Publikation deckten, was hei dem reichen Ma-
terial auch unter Einhaltung der hohen Linie wohl
möglich gewesen wäre. Wie z. B. ein so hervor-
ragendes, aufschlußreiches Blatt wie die Kreu-
zigung im Augsburger Maximiliansmuseum beide

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