Die neuern Völker. Finnen.
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Schaukelburschen, liebe Brüder, laßt die Schaukel höher steigen!
Daß ich leuchte bis zur Sonne, schimrnre bis in Meereswellen,
Daß mein Kopfschmuck mit den Bändern in des Himmels Wellen scheine,
Mein Gewand dem Donnergotts und den Sternen sichtbar werde!
Komm der Sonnenknab' ein Freier, komm der Mondesknab' ein Freier!
Beßrer Bräutigam ist Nordstern, Bester der aus Kalew's Lande.
Die durch den Kitzel des Schaukelnd zum Uebermuth gestei-
gerte Lebenslust kann nicht treuer gemalt werden; den heitern
Traum deutet Kalewi-Poeg sich trauernd dahin daß die Mutter
für ihn verloren, aber zu den Seligen eingegangen sei. Er kommt
zur besten Schmiede des Landes, prüft die Klingen, kauft eine,
mit der er den Amboß spaltet, und trinkt mit dem Schmied und
seinen Söhnen. Trunkenen Muthes rühmt er sich jener unseligen
Liebesnacht: „Hab' gepflückt des Mägdleins Blüten, Hab' geknickt
der Freude Blume, Glückes Schoten anfgebrochen!" Einer der
Schmiedsöhne verweist ihm das, und erzürnt im Streit haut er
demselben das Haupt ab; der Alte setzt den Fluch darauf daß
das eigene Schwert selbst dem Mörder die Schuld zahlen solle.
Als Kalewi-Poeg den Rausch ausgeschlafen erscheint ihm der Vor-
gang wie ein wüster Traum, aber was in seinem Innern, im
Gewissen sich regt, das hört er bei der Heimfahrt aus den Wellen
rauschend erklingen: Der Bruder schifft durch die Wogen, die
Schwester schlummert unten im kühlen Bette, in der Wogen
Wiege geschaukelt. Einmal unbedachtsam, absichtslos das andere
mal frevelnd soll er lang im Wasserwirbel kreisen, bis auch er
im Schos des Friedens einschlummern wird. Und in der Heimat
hört er im Winde der Mutter Stimme, daß er vor dem Schwert
an seiner Seite sich hüten möge; denn Blut verlange Blutes Lohn.
Am Grabe des Vaters wird ihm die Mahnung er solle die unbe-
dachtem böse That wieder gut machen; des Lebens Wellen fließen
unter göttlicher Leitung dahin.
Er und die Brüder erzählen sich ihre Fahrten; dann schleu-
dert er das Felsenstück am weitesten und erhält die Herrschaft;
sie ziehen ins Ausland. Er aber spannt seinen riesigen Schimmel
an einen riesigen Pflug und macht ackernd das Land urbar; dann
bekämpft und vertilgt er die Ranbthiere, die ihm des Nachts den
Gaul zerfleischt. Ein Traumgesicht belehrt ihn daß der Stärkere
um so mehr arbeiten müsse; ein König hat zehn Lasten, ein
Herrscher hundert Plagen. Es ist Gott selbst der ihm das sagt,
er der als ältester Freund der Helden von Jugend auf im Winde
Carriere. IN. L. 2. Ausl. 5
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Schaukelburschen, liebe Brüder, laßt die Schaukel höher steigen!
Daß ich leuchte bis zur Sonne, schimrnre bis in Meereswellen,
Daß mein Kopfschmuck mit den Bändern in des Himmels Wellen scheine,
Mein Gewand dem Donnergotts und den Sternen sichtbar werde!
Komm der Sonnenknab' ein Freier, komm der Mondesknab' ein Freier!
Beßrer Bräutigam ist Nordstern, Bester der aus Kalew's Lande.
Die durch den Kitzel des Schaukelnd zum Uebermuth gestei-
gerte Lebenslust kann nicht treuer gemalt werden; den heitern
Traum deutet Kalewi-Poeg sich trauernd dahin daß die Mutter
für ihn verloren, aber zu den Seligen eingegangen sei. Er kommt
zur besten Schmiede des Landes, prüft die Klingen, kauft eine,
mit der er den Amboß spaltet, und trinkt mit dem Schmied und
seinen Söhnen. Trunkenen Muthes rühmt er sich jener unseligen
Liebesnacht: „Hab' gepflückt des Mägdleins Blüten, Hab' geknickt
der Freude Blume, Glückes Schoten anfgebrochen!" Einer der
Schmiedsöhne verweist ihm das, und erzürnt im Streit haut er
demselben das Haupt ab; der Alte setzt den Fluch darauf daß
das eigene Schwert selbst dem Mörder die Schuld zahlen solle.
Als Kalewi-Poeg den Rausch ausgeschlafen erscheint ihm der Vor-
gang wie ein wüster Traum, aber was in seinem Innern, im
Gewissen sich regt, das hört er bei der Heimfahrt aus den Wellen
rauschend erklingen: Der Bruder schifft durch die Wogen, die
Schwester schlummert unten im kühlen Bette, in der Wogen
Wiege geschaukelt. Einmal unbedachtsam, absichtslos das andere
mal frevelnd soll er lang im Wasserwirbel kreisen, bis auch er
im Schos des Friedens einschlummern wird. Und in der Heimat
hört er im Winde der Mutter Stimme, daß er vor dem Schwert
an seiner Seite sich hüten möge; denn Blut verlange Blutes Lohn.
Am Grabe des Vaters wird ihm die Mahnung er solle die unbe-
dachtem böse That wieder gut machen; des Lebens Wellen fließen
unter göttlicher Leitung dahin.
Er und die Brüder erzählen sich ihre Fahrten; dann schleu-
dert er das Felsenstück am weitesten und erhält die Herrschaft;
sie ziehen ins Ausland. Er aber spannt seinen riesigen Schimmel
an einen riesigen Pflug und macht ackernd das Land urbar; dann
bekämpft und vertilgt er die Ranbthiere, die ihm des Nachts den
Gaul zerfleischt. Ein Traumgesicht belehrt ihn daß der Stärkere
um so mehr arbeiten müsse; ein König hat zehn Lasten, ein
Herrscher hundert Plagen. Es ist Gott selbst der ihm das sagt,
er der als ältester Freund der Helden von Jugend auf im Winde
Carriere. IN. L. 2. Ausl. 5