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Carrière, Moriz
Die Kunst im Zusammenhang der Culturentwickelung und die Ideale der Menschheit: [ein Beitrag zur Geschichte des menschlichen Geistes] (Band 3, Mittelalter ; Abt. 2): Das europäische Mittelalter in Dichtung, Kunst und Wissenschaft — Leipzig, 1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.33537#0545

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Das religiöse Drama, die Maskenspiele rc. . 531
Reihe nach erscheinen, ihre Sache führen, ihr Urtheil empfangen.
Da finden wir mm früh den formalen Schönheitssinn der Ita-
liener wieder, der an wohlgegliederter Rede in kunstvoll gebauten
Stanzen und Terzinen seine Freude hat, und in vollströmendem
wohllautendem Erguß seiner Gefühle und Betrachtungen sich er-
geht, dagegen das Wortgefecht wie den von der Energie des
Willens bedingten raschen Gang der Handlung ausschließt, was
doch das eigentlich Dramatische kennzeichnet. Dafür ist die Musik-
begleitung reich, und es wird schon viel auf Schaugepränge ge-
halten; Flngmaschinen, Tänze, glänzende Decorationen künden be-
reits im Keime die Prunkoper an, und der elastische Schulgeschmack
lagert sich über das Volksthümliche, daß es sich im ernsten
Schauspiel nicht frei entfalten kann. Die Gelehrten ahmten früh
das antike Drama, den Seneca nach, und Albertus Mussatus
dichtete schon im 13. Jahrhundert nicht blos eine Achilleis, sondern
auch in seiner Eccerinis eine Lesetragödie vom Tod des Tyrannen
Ezzelino. Viel wichtiger aber ist uns daß die altitalische Posse
sich unter dem Volk erhalten hat und jetzt wieder in reicherer
Ausbildung in dem Lustspiel mit stehenden Charaktermasken her-
vortritt; es heißt eomsäig. ckell' arte, — ich glaube nicht aus
Ironie, sondern weil nur- der Entwurf im allgemeinen feststand,
der Kunst des Darstellers aber die Erfindung des Dialogs und
die Durchführung der Rolle überlassen blieb. In solchen Stegreif-
komödien hat das Jmprovisationstalent der Italiener sich bewun-
dernswerth geäußert. Verschiedene Städte haben hervorstechende
Typen ihres Volkslebens in diese Maskenschwänke geliefert, die sich
auch dadurch als ein Nationalgut bewähren. Der alte römische
Schalksnarr Sannio mit seinem rnßschwarzen Gesicht und seinem
Gewand ans hundert Flicklappen ist der Arlechino geworden, der
die schwarze Larve vornimmt, den hölzernen Säbel schwingt und
ein ebenso unverschämtes Maul hat wie sein antiker Ahnherr;
gleich den Sklaven der alten Komödie unterstützt er mit ver-
schmitzten Anschlägen die lustigen oder ausschweifenden Kinder gegen
die gestrengen Aeltern; Bergamo hat ihn vornehmlich ausgestattet.
Der langhaarige weißgekleidete buckelige Pulcinell setzt den römi-
schen Maccus fort; er ist der Spaßmacher aus Apulien, und
Neapel bildet seine Rolle vornehmlich zu jener ergötzlichen Mischung
von Dnmmdreistigkeit und Pfiffigkeit aus, die in die Komik ein-
geht welche sich andere mit ihr machen wollen. Die Colombina
ist die Geliebte des Arlechino. Bologna, die berühmte Juristen-
 
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