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Gast, Uwe; Rauch, Ivo
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Oppenheim, Rhein- und Südhessen — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 3,1: Berlin: Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, 2011

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.52850#0394

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DIE VERGLASUNG DES NÖRDLICHEN QUERHAUSFENSTERS

393


Fig. 319. ES Qhs. n VII, Nr. 12.
M 1:20

Erhaltung: Von einem Flickstück am unteren Rand und einigen
wenigen, mit Notbleien gesicherten Sprüngen abgesehen voll-
ständig originaler Bestand.
Ikonografie, Komposition: Die blutrünstige Darstellung der
Tötung einer Gruppe von Priestern ist in der Literatur sehr
unterschiedlich identifiziert worden, wobei weder ihre Benen-
nung nach der Inschrift von 1888 noch der Vorschlag von Ivo
Rauch, in ihr die Bestrafung der abtrünnigen Israeliten nach
der Anbetung des Goldenen Kalbes (vgl. Nr. n) zu sehen, zu
halten ist. Stattdessen ist, wie bereits Irmgard Hunecke richtig
erkannt hat, die Hinrichtung der Priester von Nob auf Geheiß
des Königs Saul dargestellt (I Sm 22,6-23), d-h. jene Szene, die
in der typologischen Literatur als Präfiguration des Kinder-
mordes von Bethlehem fungiert413.
Die Komposition ist in ihrer Zweiteilung - links Saul mit Ge-
treuen, rechts der Henker und mehrere Priester, darunter ein
Kreuzbruder - wiederum eng mit der Darstellung in der 40-sei-
tigen Blockbuchausgabe der Biblia pauperum verwandt; in die
Figur Sauls sind zudem gestalterische, vor allem kostümliche
Elemente der Herodes-Figur eingeflossen414.
Farbigkeit, Technik: Grisaille mit farbigen Akzenten. Wie in
Nr. 11 erscheinen die Figuren unter blauem Himmel in grauer,
hügeliger Landschaft in weißen bzw. grauen sowie roten, blauen
und violetten Gewändern; mit Silbergelb hinterlegt sind Haare,
ausgezeichnete Gewandteile, der Stab Sauls und der Schwert-
griff des Henkers. Oberkörper und Kopf der Figur bestehen
aus einem einzigen roten Glasstück mit verlaufendem Über-
fang, und durch das rückseitig aufgetragene Silbergelb leuchtet
ihr Haupthaar in Orange.
Worms, StA, Nr. M 1176a;
CVMA A 10897, A 10956L (Details), Großdia A 185
13. DURCHZUG DURCH DAS ROTE MEER
Fig. 323, Abb. 211, 216L
H. 74 cm, B. 55 cm. - Feld 3c. - Hunecke 1988, S. 164-166;
Rauch 1994,1, S. 70L, Nr. 2; Rehm 1999, Nr. 296.
Ehemals Schwarzenbroich, Kreuzherrenkloster(?); dort
mit Nr. 14-16 in einem Fenster des Kreuzgangs eingesetzt
(s. S. 382).
Inschriften: Am unteren Bildrand in gotischer Minuskel erläu-
ternd die Worte: hostes margu(n)t(ur) per maris iter g(ra)d[mn-
tur] (nach der Bildunterschrift zur Darstellung des Durchzugs

durch das Rote Meer in der 40-seitigen Blockbuchatisgabe der
Biblia pauperum)^’, auf den Gewändern der Israeliten heb-
räische bzw. hebräisierende Schriftzeichen. Am unteren Rand
1888 hinzugefügt: <Die Israeliten ziehen durchs rothe Meer.>
Erhaltung: Die Scheibe war schon in Geisenheim nicht mehr in-
takt, d.h. durch Ergänzungen im Hintergrund und viele geflick-
te Sprünge in ihrer Lesbarkeit deutlich gestört (vgl. Fig. 293).
Jüngeren Datums - möglicherweise als im Zusammenhang mit
der Kriegsbergung entstandener Schaden - sind die zahlreichen
Sprünge in dem Stück mit der Figurengruppe um Moses, das
zeitweilig durch Sprungbleie ganz entstellt war, und die Sprün-
ge in dem rechts anschließenden Stück mit Architekturdarstel-
lungen, in dem zudem eine Scherbe plump ergänzt war416. Die
störenden Bleie und die eine Ergänzung, die gegen die offenbar
noch vorhandene originale Scherbe ausgetauscht werden konn-
te, wurden bei der letzten Restaurierung entfernt.
Ikonografie, Komposition: Die der Biblia pauperum entnom-
mene Beischrift erläutert in knappen Worten, dass im Bild der
Untergang der Feinde der Israeliten im Roten Meer dargestellt
ist (Ex 14): Moses, seinen Stock in der Rechten haltend, steht
mit einer Gruppe von Israeliten im Zentrum einer zweigeteil-
ten Landschaft. Links ist das Rote Meer zu sehen, in dem das
feindliche Heer der Ägypter versinkt, rechts eine weite, freund-
liche Landschaft mit Bäumen, Tieren und einigen Bauten im
Hintergrund.
Obwohl die Beischrift der Szene, wie erwähnt, der Bibliapau-
perum entnommen ist, geht ihre Komposition auf eine andere
Vorlage zurück, denn in der Biblia pauperum sind die Gruppe
der Israeliten und das im Roten Meer versinkende ägyptische
Heer hintereinander angeordnet417. Engere kompositorische
Bezüge bestehen hingegen zu der Kölner Historienbibel in
Berlin, in der die Landschaft, in der Moses und die Israeliten
mittig in einer großen Gruppe stehen, ebenfalls zweigeteilt ist
(Fig. 325)418. Alttestamentlicher Typus zu Nr. 15.
Farbigkeit: Grisaille in graubraunem Grundton. Farbig gestal-
tet sind nur das rote Gewand von Moses, das blaue bzw. grau-
blaue Gewand der im Vordergrund stehenden Rückenfigur und
der blaue Himmel. In der zentralen Figurengruppe sind mitun-
ter Haare, Gewandsäume, Kopfbedeckungen und Schuhe mit
Silbergelb hervorgehoben.
Worms, StA, Nr. M 1168a;
CVMA A 10898, A 10958-10960 (Details), Großdia A 186
14. JAKOB UND ESAU Fig. 321, Abb. 213, 215
H. 72 cm, B. 54 cm. - Feld 8b. - Hunecke 1988, S. 231-233;
Rauch 1994,1, S. 71, Nr. 4; Rehm 1999, Nr. 314.
Ehemals Schwarzenbroich, Kreuzherrenkloster(?); dort
mit Nr. 13, 15L in einem Fenster des Kreuzgangs eingesetzt
(s. S. 382).
Inschriften: Am linken unteren Bildrand in gotischer Minuskel
erläuternd die Worte: le(n)tis ob ardore(m) p(ropr)iu(m) (nach
der Bildunterschrift zur Darstellung von Jakob und Esau in der
40-seitigen Blockbuchausgabe der Biblia pauperum-, Fig. 324).
Am unteren Rand 1888 falsch hinzugefügt: cKnappen in einer
Burg vorm Feuerheerd>.

(zur Deutung der Szene in der älteren Literatur).
414 Vgl Henry 1987, Abb. S. 60.
415 Henry 1987, Abb. S. 64.
416 Dieser Zustand ist bei Rauch 1994, I, S. 70k, Nr. 2, bzw. II,
Abb. 51 und Fig. 29, dokumentiert.

417 Henry 1987, Abb. S. 64. Vgl. hierzu auch Rehm 1999, S. 253.
41® Berlin, Staatsbibliothek - Preußischer Kulturbesitz, Ms. germ.
fol. 516; Hans Wegener, Beschreibendes Verzeichnis der Minia-
turen und des Initialschmuckes in den deutschen Handschriften bis
1500 (Beschreibende Verzeichnisse der Miniaturen-Handschriften der
Preußischen Staatsbibliothek zu Berlin 5), Leipzig 1928, S. 147-151.
 
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