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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 32,1.1918

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Heft 1 (1. Oktoberheft 1918)
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Buchhandelfragen und Kapitalismus
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https://doi.org/10.11588/diglit.14375#0021

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airschauungcn und Lebeuszicleu wie init Ionglcurkugelu; es — kurz, es erzicht
zu vollkommcner 'Gesinnungslosigkeit." „Der Leitspruch »Mammon über alles«,
so treffend er ist, erklärt das Wesen >der Bücherfabrik nur unzureichend. Ull-
stein bedeutet die Demokratie, nicht als »Herrschaft des Volkes«, sondern im
Gegenteil als unbedingte geistige Versklavung der Masse. Nicht wie dcr
echte Demokrat, der freilich stets Aristokrat ist, vertritt Ullstein, selbst gegen
die Mehrheit, die volonte generale; er spekulicrt auf die defauts de kous.
Und sei dic Menge noch so wankelmütig, das Ullsteinhaus, das die unbeirrbare
Schäbigkeit zur Warenmarke erhebt, wird seine Leser stets im voraus wiedcr
eingefangen haben, weil es mit Geschick verstanden hat, die Masse lenkbar zu
machen zu jedem Ziel."*

Soweit solche Außerungen Latsachen und nnr Tatsachen betreffen, wird
sie niemand bestreiten. Dcr Verlag K. Wolff treibt wirklich ungewöhnlich viel
Reklamc, der Verlag Ullstein hat wirklich init dem Shstem „Marke Ullstcin"
Welterfolge „gemacht" nnd die Verfassernamen dabei in den Hintergrund ge-
drängt, und das Haus Ullstein bringt wirklich Bücher sehr verschiedener Ge-
sinnung heraus. In dcr Bewertung solcher Tatsachen kann man aber
von den Tadlern auch abwcichen, ohne sich im mindesten vor den Gefahren
solcher Betriebe blind zu machen. Wenn cin Verlag, wie es der von Knrt Wolff
tut, angesehenen Verfassern von Nomanen, Dramen und Gedichten wie Carl
Hauptmann, Eulenbcrg, Sternheim, Werfel, Meyrink, France, Gorki, Flanbert,
Hcinrich Mann zu großen Erfolgen verhilft, so erfüllt der Kapital-Imperialismns
damit denn doch eine bessere Aufgabe, als wenn er etwa Karl May !vder son-
stige Schundlitcratur unter seinen Fittichen blühcn ließe. Gar die „Sache" dieser
Vcrfasser verwaltet er ohne Frage in deren eigenem Sinne ganz wohl, indem
cr ihnen höhere Einnahmen verschafft als andere Verlage. Steht man den von
K. Wolff nach seinem Gcschmack bevorzugten Dichtern kritisch gegcnüber, wie
dies inr allgemeinen der Verfasser dieser Zeilen tut, so mache inan vom Recht der
öffentlichen Kritik Gcbrauch — den Dichtern, nicht dem Verleger gegenübcr,
der nur tut, was scines Amtes und Rechtes ist. Der Wille, gewisse literarische
Einflüsse auf das deutsche Volk — das „deutsche Volk" liest übrigens m. E.
wenig Bücher aus K. Wolffs Verlag mit Ausnahme von Meyrink — einzudäm-
men, hat auf absehbare Zeit nur geistige, erzieherische Waffcn zur Verfügung,
wenn man nicht — zu einer Iensur greifen will, die in diesem Fall die frei-
denkenden Mächte Deutschlands gegen sich hätte. Will man aber den Einfluß
dcs Kapitals auf das geistige Lcben grundsätzlich bchindern, so heißt das nichts
anderes als: die Fundamente unsercr Zeit ändern zu wollen. Dahin wird
es ja viclleicht kommen, aber dann ganz gewiß nicht auf dem Gebiet des Buch-
handels allein und für sich, sondern wahrscheinlich auf dicscm Gebiet erst
dann, wcnn es auf andcren Gebicten errcicht ist. — Dasselbe wärc denn auch
Ullsteins Gegnern vorzuhalten. Das Shstem „Marke Ullstein" gehört sicher
zu den sonderbarsten Blüten des Kapital-Imperialismus, aber da Allstein neben
weniger ernsthaften eine große Anzahl von anerkannten Verfassern zn seinen
„Verlag-Autoren" zählt, und neben schlechten Blättern auch gute, so darf man
die Leistungen des Verlags nicht als eine schlechte Einheit ablehnen. Durch die
„Ullstein-Bücher" kommt nicht bloß „gemciner Schnnd" unerkännt in Umlanf,
da Allsteins Bücher in dcr Mehrzahl keiner sind. Was aber den „umfassenden
Gedankcn" bctrifft, so stammt diesc Vorstellung wohl aus Zeitcn, die im
Bereich des Hochkapitalismus nicht wiederkehren können. Ie vollständiger
sich das Kapital entpersönlicht, um so wcniger wird es davor zurückscheuen,
Geschäfte zu tragen mit allein, was Rentc vcrspricht. Ullstein steht
mit seiner Vielscitigkeit da keineswegs allein. Es ist längst zu einer Lieb-
haberei einiger „persönlicher" Verleger geworden, eine bestimmte „Gesinnung"
zu bevorzugen; ein bcstimmtcs „Fach" bevorzugen dagegen allerdings viele,

* Angeführt aus eincm Aufsatz von Dr. Bry in „Deutschlands Ernene-
rung" II, 6.

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