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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 32,1.1918

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Heft 1 (1. Oktoberheft 1918)
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Buchhandelfragen und Kapitalismus
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https://doi.org/10.11588/diglit.14375#0022

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was offenbar mit der notwendigen Beschränkung einer Firma auf möglichst
wenige sach- und fachkundige Angestellte sich erklärt. Äbrigens ist auch Ällstein
nicht so außerordentlich „vielseitig"; ein Verlag von vorzngweise nnterhalten-
den oder dichterischen Romanen vereinigt so gut wie immer Verfasser von
verschiedenen politischen und sozialen Gesinnungen, da nach guter Aberliefe-
rnng solche Bücher nicht nach ihrer Gesinnung, sondern nach ihrem Wert aus-
gewählt werden. Änd was Ällstein neben den Nomanen noch hat, spielt doch
nur die Rolle einer vergleichweise kleinen Sonderabteilung. Wer sich von
Ällstein zur Gesinnunglosigkeit erziehen läßt, muß wohl Talent dazu mitbringen.
Daß ein Erwachsener ausgerechnet Ällstein-Bücher kauft, um seine Gesinnung
zn pflegen, ist doch unwahrscheinlich genug; wer überhaupt etwas wie Ge-
sinnung hat, wird dadurch kaum schwankend werden, daß Gesinnungen ver-
schiedener Art die eine Verlagmarke tragen. Der ganz allgemeine Einfluß
des Kapitals auf geistige Kultur und sittliche Gesinnung aber — ihn grund-
sätzlich bckämpfen zu wollen, heißt wie gesagt: unsere Lebensordnung umändern
wollen. K. Wolff und Ällstein zeigen ihn etwas auffälliger als andre Verleger,
aber durchaus nicht prinzipiell anders. Also dann nicht Kampf gegen Ein-
zelne, sondern Kampf gegen den Kapitalismus als solchen. Wogegen
wir gewiß nichts einzuwenden hätten.

Soviel übcr die Bewertung der einzelnen Erscheinungen. Ich bin auf sie
eingegangen, nicht um Werturtcil gegen Werturteil auszuspielen, sondern um
zu zeigen, daß die Kritik an einzelnen Shmptomen unserer „Volks-
wirtschaft mit geistigen Gütern" leicht in ganz pcrsönliches und leicht in recht
oberflächliches „Meinen" ausgleitet. Wie liegen denn die Dinge? Erscheinungen
wie die des Wolffschen oder Ällsteinschen Geschäftsbetriebes sind durchaus nicht
das Letzte und „Beängstigendste", was wir von der Entwicklung des Kapitalis-
mus zu erwarten haben. Wie wcrden sorgenreiche Schriftsteller und kurz-
sichtige Kultnrpolitiker erst urteilen, wenn einmal kommt, was sich schon allent-
halben anbahnt: die Bildung großer Verlags-Kartclle, welche dann
den Sortimentbuchhandcl und den „Markt" überhaupt vollkommen beherrschen,
Honorartarifc dikticren, Ausstattung und Preis der Bücher normalisieren,
Schriftsteller und Gclehrte zu Iahresgehältern fest anstellen, womöglich die
Kritik monopolisieren — und das alles mit nicht mchr Rücksicht auf gcistig-
kultürliche nnd gcsinnungpolitische Anforderungen, als etwa die Paragraphcn
des Bürgerlichcn Gesetzbuchs stellen! Wir sind auf dem besten Wege dazu.
Einzelne nehmen in diesem Konkurrenzkampf, der zu solchen Zuständen führen
muß, künftige Erscheinungen und Kampfmethoden nur vorweg.

Um diesc ganzc Entwicklung zu beeinflussen, dazu rcicht der noch so hcftige
Einspruch gcgen deu „unsittlichen Kapitalismus" nicht aus. Will man mehr
tun als Bücher kritisiercn und Volkserziehung und Volksbildung pflegen, so
stehen vielleicht Zwei Wege osfen. Der Weg der Selbsthilfe und der der
gesehlich-politischen Maßnahmen. Freilich, für die Sclbsthilfe ist es spät,
oielleicht zu spät. Wcr dicses Mittcl allen andern vorzieht, wird cs als «ine
Schmach und ein Änglück cmpfindcn, daß sich seit der Gründung des Reiches
nicht einmal zwanzig angesehene Verfasser zusammenfanden, um ihre „Sache"
und damit die Sache aller ihrer Berufgcnossen in die «igencn Hände zu «rehmen;
daß Eigenbrötelei, Bequemlichkeit, Eigennutz und Einsichtlosigkeit das Zustande-
kommen eines genossenschaftlichcn Vcrlages immer wicder verhinderten, dcr
zwar nicht frei von „kapitalistischer" Betriebsorganisation, aber doch cin Vor-
bild und eine Macht geworden wäre; daß sich unter den Deutschen keiner
fand, einer geeigneten Pcrsönlichkeit oder Organisation die eine Million zu
schenkcn, dcren es bedurft hätte, um eine geistig ausgerichtete Macht neben deu
geschäftlich interessicrten hinzustellcn. Pläne und Aufforderungen dazu haben
reichlich den Weg ans Licht gefnndcn, und das Kunststück, einen solchen Verlag
zu gründen, war nicht übermäßig groß. Der Widerhall aber ist ausgcblieben. —
Der Wcg der gesetzlich-politischen Maßnahmen, dcr „Staatshilfe", auf dcn
die Sache der geistigen Kultur in diesen Dingen nun vielleicht angewiesen sein

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