Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutscher Wille: des Kunstwarts — 32,1.1918

DOI Heft:
Heft 3 (1. Novemberheft 1918)
DOI Artikel:
Bonus, Arthur: Unsre Trümpfe und die neue Ordnung
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14375#0098

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
unsre Kulturaufgaben anderswo zu sehen. Die neuaufstehenden Ansprüche
aber stellten sich in die Linie, in der einst groß nnd einigend und be-
geisternd die Freiheit Deutschlands gestanden hatte. Der große Trnmpf:
wir wollen nichts, das wir nicht im Frieden besser erreicht hätten; die
Feinde allein hatten Kriegsziele — war überdeckt von einem Wust un>»
nötiger und zum Teil kleinlicher Forderungen.

Der zweite Trumpf hängt eng damit zusammen: England frißt seit
Iahrhunderten um sich, frißt seit Iahrhunderten Völker in sich, fraß
noch vor kurzem zwei blühende Staaten germanischer Herkunft in sich.
Andre unterwarf es sich ohne Hoheitstitel. Ietzt sollten wir herankommen.
Wir waren die Widerspenstigen gegen das werdende, sast schon ge-
wordene Weltreich, geborene Freiheitskämpfer, Vorkämpfer aller
kleinen Völker. Bethmann Hollweg hat gelegentlich darauf hin»
gewiesen. Aber unsre ganze Politik mußte das ausdrücken und
verkündigen. Wie' verstand England es, den Durchmarsch durch Belgien
ins Licht zu halten, der gewiß, wie Bethmann Hollweg zugab, ein Uurecht
war, aber doch gegen die ungeheuerlichen Rechtsbrüche Englands durch
Iahrhunderte hindurch ein Splitter gegen einen Balken, — was verstand
England aus diesem Splitter zu machen, während der Balken im Nebel
verschwandl Unsre geistige Rüstung dagegen, wie wir sie für den Krieg
nötig hatten, versagte vollständig. Hier rächte sich die naive Geringschät-
zung grimmig, die unsre Regierenden seit je gegen alles sreie Wirken
auf freie Äberzeugung erfüllte. Gewiß, es ist leicht zu sagen: die Tatcn
müssen es machen, die Lügen überlassen wir den Feinden. Daß die Feinde
den geistigen Kampf in einen Kampf der Lüge und Verleumdung um--
arbeiten konnten, lag doch zum guten Teil daran, daß wir ihnen das
Feld überließen, nicht nur gezwungen, sondern auch sreiwillig, und wo
das nicht geschah, es ohne die geistige Disziplin, die nur eine längere
Äbung gibt, und ohne jedes psychologische Geschick betraten.

Dahin gehört nun auch der dritte Trumpf. Dem Weltwahn gegen-
über, wie ihn die Avenariusschen Sammlungen („Das Bild als Verleum-
der", „Das Bild als Narr") am schlagendsten zur Anschauung bringen,
hatten wir den Trumpf auszuspielen, daß ein solches Hochmaß von un-
reinlicher Gesinnung im Kampf bei uns unmöglich war. Man denke allein
daran, daß unsre Regierung trotz des reichen, bösen Materials der Russen-
einfälle in Ostpreußen die Greuelhetze zu erwidern ausdrücklich ablehnte.
Wir hatten den Kampf der blanken Waffe. Leider aber kam dieser Tat-
bestand durch die Eigenart unsrer bisherigen Regierung für die Welt-
meinung nicht zur Anschauung. Es gab zwei Regierungen in Deutsch-
land. Die offizielle — Reichskanzler und Reichstag —, welche die Ver-
teidigung, den Verständnisfrieden, die innere Neuorientierung wollten
und das Nnrecht an Belgien zugaben und gutmachen wollten, und die
heimliche Nebenregierung in allen hohen Ämtern und hinter ihnen, welche
mit dem Säbel rasselte, Annektionen forderte, die Ostfriedenschlüsse als
Gewaltfrieden ausgestaltete, das Nnrecht gegen Belgien in eine belgische
Schuld umzukonstruieren suchte und mit englischer Moral ohne eng-
lisches Geschick und ohne englische Machtmittel hetzte. Das gab unsrer
Politik den Anschein der Zweideutigkeit. Ich sage: den Anschein; denn
es handelt sich nicht um eine hinterhältige Absicht, wie es den Nneinge-
weihten leider scheinen mußte, sondern um das Ringen zweier entgegen-
gesetzter Richtungen innerhalb unsrer Regierung, deren auseinander-
 
Annotationen