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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 32,1.1918

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Heft 3 (1. Novemberheft 1918)
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Bonus, Arthur: Unsre Trümpfe und die neue Ordnung
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https://doi.org/10.11588/diglit.14375#0099

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gehende Äußerungen irgendwie zusammengebracht werden mußten, nm die
Einheit zu wahren. Diese Dinge müssen aufhören, damit unser wichtigster
Trumpf, die Ehrlichkeit, die Verachtung der moralischen Heuchelei zur
Wirkung kommen kann.

Ter vierte Trumpf: der V ö lke r b und--Gedanke. Er ist ein durch und
durch germanischer Gedanke. (Vgl. meine August (9(^ geschriebene Dürer-
bundslugschrift „Für welchen Weltgedanken kämpfen wir?") Insofern liegt
er gewiß auch den Angelsachsen nahe, ist ihnen aber durch das Vorwiegen der
Weltherrschaftidee praktisch unmöglich; über die Beherrschung der Meere
sprechen sie ja völlig unbekümmert. Ls mag unfruchtbar sein, zu untersuchen,
wann und wo der Gedanke des Völkerbundes zuerst geäußert wurde. Ieden-
salls ist er auch bei uns alt. Wolzendorf wies (Frkf. Ztg. (7. Sept. (9(8) dar-
anf hin, daß der deutsche Liberalismus bereits vor mehr als hundert Iahren
für eine europäische Staatengemeinschaft nach der Rechtsidee eingetreten
ist, aber schon damals erkannt hat — noch während der Waffenbrüderschaft
mit England —, daß dessen Seeherrschaft das unbedingte tzindernis ist.
Er zitiert dafür mehrere Schriften von (8(H und (8(5. Wichtig aber ist,
daß diese englische Seeherrschaft auch heute noch das unbedingte Hindernis
ist. Könnten wir dies Hindernis durch unsern Anterseekrieg heben, so würde
sich die allgemeine Feindschaft auch heute noch in eine ebenso allgemeine
Begeisterung und Freundschaft wandeln. Noch wichtiger, ja das schlecht-
hin Wichtige ist, daß die psychologische Grundlage für diese Idee nnr von
uns gegeben wird. Die Hetze der Ententeminister und Wilsons „Gewalt"-
Ruf sind praktisch ebenso eine Widerlegung des Willens zum Völkerbund,
wie unsre vielen Friedenangebote vielleicht nicht besonders klug und würdig,
aber jedenfalls ein unwiderlegliches praktisches Bekenntnis zum Völker-
bund und zur Völkerverständigung sind.

Der fünfte und letzte Trumpf ist vielleicht der stärkste: gewiß mehr ver-
borgen als die andern, aber unschwer ans Licht zu heben: der Amstand,
daß wir in der Lage waren, der ausgeleierten liberalen Phrase der West-
mächte die siegreiche, neu aufsteigende Parole der sozialen Befrei-
ung entgegenzuwerfen. „Der Internationalismus vor dem Kriege war
deutsch; die Sozialdemokratie ist eine deutsche Erfindung!" sagte noch
ganz neuerlich eine englische Zeitung (Daily Expreß vom 3(. 8. (8). And
dazu die Tatsachen. Von den großen der dentschen Versichernngsgesetz-
gebung und der straffen sozialen Organisation in Deutschland bis zu den
kleinen, so sehr bezeichnenden: die Sozialisten der Entente bekommen keine
Pässe: sie könnten von den deutschen überzeugt werden; die deutschen erhalten
sie vorbehaltlos. Selbst zum interalliierten Kongreß erhalten die radikaleren,
gegen den Krieg gesinnten Abgeordneten unter den Amerikanern keine Er-
laubnis; die Referate der französischen Presse werden unterdrückt; der Führer
der amerikanischen Sozialdemokratie wird, weil er den Krieg gegen Deutsch-
land für ein Verbrechen erklärt, zu einem Iahrzehnt Gefängnis verurteilt.
Was für eine sprechende Lage! Ilnd was für Gelegenheiten, in den Ostfrieden-
schlüssen sie zu demonstrieren! Man hat diese Gelegenheit unbenutzt vor-
übergehen lassen. Aber an diesem Punkt ist vielleicht am schnellsten Klar»
heit darüber zu gewinnen, ob das neue Regierungsprogramm geeignet er-
scheint, unsre Trümpfe zur Geltung zu bringen.

Wird unsre Demokratie die Nerven haben für das, was vor allem da
sein muß, damit die Trümpfe fallen können: das ruhige Weiterspielen?
Das erneute Friedenangebot will ich nicht dagegen rechnen. Aber hinter

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