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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 32,1.1918

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Heft 5 (1. Dezemberheft 1918)
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Avenarius, Ferdinand: Um Kaiser und Könige
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https://doi.org/10.11588/diglit.14375#0184

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außen die Zweifel an der Aufrichtigkeit unsrer Neuordnung und im
Innern den Einfluß der Radikalsten. Der Kaiser hat allein durch die
Verzögerung seines Rücktrittes einen schweren, schweren Schaden und
eine unermeßliche Gefährdung über das gebracht, dem er durch diese
Verzögerung zu nützen glaubte. Es war der letzte schwere Irrtum dieses
mit tragischen Irrungen überlasteten Lebens.

Wilhelm II. war in einem Maße „Romantiker auf dem Thron", daß
man zu Zeiten versucht war, aus der Verwandtschaft mit Friedrich Wil--
helm I V. Vermutungen auf krankhaften Ausgang zu ziehn. Konnte es
Weltfremderes geben, als noch vor kurzem die Rede an die Krupp-
schen Arbeiter, die als menschliches Zeugnis erschütternd war? Welt-
fremd war der Kaiser, solange wir von ihm wissen. Weltfremd trotz der
so regsam flackernden Interessen, weltfremd inmitten seines großen Kreises
auch von gescheiten und sehr gescheiten Menschen — weltfremd war er auf
dem Thron eines mit allen Gliedern im Wachstum sich dehnenden höchst
modernen Reichs. Sah er die neuen Aufgaben etwa nicht? Er sah sie,
allen wollte er dienen und allem Modernen diente er — weltfremd. Aberall
im Hintergrund seines Denkens lag ja das mittelalterliche Gottesgnadentum-
Gespenst, das in die Klarheit Nebel blies. Ohne es zu ahnen, lebte der
Kaiser durch diese unvertilgbare Suggestion von der Welt getrennt wie
durch eine unsichtbare siebende Wand, die nur durchstrahlen ließ, was ihm
genehm war. Während er doch glaubte, die Welt zu durchschauen! Ohne
es zu ahnen, hat der Kaiser einsam gelebt, er, der meistgekannte und
trotz aller Gegnerschaften auf weite Strecken seines Lebens hin auch meist-
umjubelte Deutsche. Ihn immer wieder umjubeln zu lassen, dazu kam gar
so viel zusammen. Monarchisch war unser Volk bei seiner Thronbesteigung
noch in immerhin ganz überwiegender Mehrheit, da kam von Wilhelm
„dem Großen" her zunächst einmal der reichste Erbe an Volksgunst. And
er kam jung, glänzend, tatfroh, offenherzig, gab sich als Volkskaiser, als
Ia-also-Mann, als Heraufführer „herrlicher Tage". Sein Großvater war
gewohnt, nur da zu sprechen, wo er genau Bescheid wußte, man nahm
das gleichc beim Enkel an — wenn dieser nun über so vieles redete, wie
viel mußt' er doch verstehn! Immer und immer wieder glaubte man ihm,
noch vor zwei Iahren war er für viele, auch für Auslandsdeutsche, der
eigentliche Wilhelm der Große. Das ist mit dem außerordentlichen
„Channe", den er ganz unzweifelhaft ausübte, nicht erklärt, und daß er
eben ein „Blender" gewesen sei, sagt doch auch nicht alles. Er gewann
immer wieder, erstens weil er von dem, was er sprach, selbst durchaus über-
zeugt, und zweitens, weil er eben der Kaiser war. Was strömt von Ge°
danken in einem Kaiser zusammen, und welcher sachlich interessierte Kopf
freut sich nicht, wenn ein Kaiser seine Gedanken guten Glaubens als
kaiserliche Gedanken fördert! Dann hilft ihnen ja beim Bürger auch
das seltsame „Äberstrahlen der Werte": für den Gefühls-Monarchisten wird
der Höchste im Staate leicht zum höchsten Sachverständigen für alles —
lobte der Kaiser was, so mußte für solche Leute etwas daran sein. Schließ-
lich: der Kaiser war „Repräsentant des Kaisertums", dessen also, was
Deutschland einte. In seiner Anwendung aufs Persönliche ein äußerst un°
klarer Gedanke, aber gerade darum ein starker an Massen-Suggerierkraft.
So wuchs dem Kaiser von allen Seiten immer wieder ein ganz chrliches
Bewundern entgegen — und steigerte seinerseits wieder i hn. All sein
Verkehr bestätigte ihm ja, was ihm sein Gottesgnadentum sagte. Es ist

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