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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 32,1.1918

DOI Heft:
Heft 5 (1. Dezemberheft 1918)
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Avenarius, Ferdinand: Um Kaiser und Könige
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https://doi.org/10.11588/diglit.14375#0185

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zum Staunen, daß er trotzdem entschiedenem Widerspruch zugänglich war,
wie bei der „Mundschloß"-Auseinandersetzung mit Bülow. Gelang es, ihn
zu überzeugen, so fügte er sich zunächst. Aber allmählich kam die Gottes-
gnaden-Vorstellung immer wieder herauf, wie damals in der Königsberger
Rede: Gott habe ihn berufen, zu seinem Volke zu sprechen. Daß er sich auch
jetzt noch für fähig zu bleiben hielt, erklärt sich aus derselben Quelle:
hatte ihn Gott das erkennen lassen, von jetzt ab sei demokratisch zu regieren,
so konnte er das auch. Nein, Wilhelm II. mußte gehen, auch wenn sonst
gar nichts mitspräche, einfach um seines Wesens willen. Denn unser
Reich braucht an der Spitze Männer, deren ganze Einsicht, deren ganzes
Wollen, deren ganze werkfrohe Lebensleidenschaft aus den neuen Kräften
quillt. Braucht Männer, die nicht mitgehn, weil das Neue sie mitführt,
sondern die am Neuen mitschaffen können. Aber wir meinen: leicht-
fertige Rede, Geschelt oder gar Spott kann selten weniger angebracht sein,
als gegenüber diesem dom Schicksal so furchtbar Geschlagenen, dessen Fehler
zudem tn so hohem Maße soziologische Folgen waren. In der Stille seines
ferneren Lebens wird sich zeigen, daß Wilhelm II. auch Liebe begleitet,
viel mehr, als jetzt scheinen mag, und von nicht wenigen Menschen auch
Dank.

«vrird aber die geplante „Nationalversammlung" des Deutschen Reiches
^^überhaupt ein Kaisertum wieder aufrichten?

Sicherlich nicht in setner jetzigen Form. Iedes Gespräch darüber wäre
vor dem Beginn erledigt, wenn uns das „preußisch deutsche Regieren*
dahin geführt hätte, wo wir jetzt stehn. Das hat es kaum, aber jeden-
falls: es hat uns von diesem Leidenswege nicht abhalten können.
Das «Preußische" im deutschen Wesen hat seit dem Großen Kurfürsten
geschichtliche Derdienste, die ihm kein Radikaler wegstreiten wird, und ich
glaube auch nicht, daß seine Zeit dahin ist. Das Gute, das uns das
„Preußische" gebracht hat, Pflichtbewußtsein, gute Zucht, Fleiß, Genüg-
samkett, das werden wir in kommenden Zeiten sehr brauchen können —
hoffen wir, daß es schon tief genug auch in unserm Staat-Denken steckt,
um zu bleiben. Aber das Enge und Kleinliche, das Bürokratische und
Militaristische im „Preußischen" samt dem undeutschen Servilismus und
der undeutschen Intoleranz darin hat sich denn doch während der Kriegs-
jahre unsanierbar bankerott gewirtschaftet, seit seine Ideal-Verschreibungen
zu Assignatenpapieren geworden sind. Zudem spricht schon das Wachsen
des süddeutschen Etnflusses gegen die weitere „Verpreußung" Deutschlands,
und wenn Deutsch-Osterreich zu uns kommt, so ist sie vollends unmöglich.
Und dann: was gab dem zentralistischen Monarchisieren im Reiche bei uns
die Hauptbegründung? Doch wohl die Eroberungsgefahr aus dem Osten,
die man jetzt als „erledigt" betrachtet.

Weit wahrscheinlicher als eine Erb-Monarchie mit einem wirklich regie-
renden Kaiser ist es wohl, daß Knospenträume aus der Paulskirchc aufblühn.

>,end die Einzelmonarchien, was wird aus denen?

^ Manche Fürstenhäuser sind sicherlich im Volke noch heute beliebt.
Insbesondere die kleinen Höfe, die sich um die Bildung von Kulturzentren
bemühten, haben nicht nur einen Interessenten-, sondern auch einen Freun-
deskreis. Trotzdem scheint während des Krieges die Möglichkeit viel näher
gerückt, daß die „Nationalversammlung" aus Deutschland einen Republiken-

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