Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutscher Wille: des Kunstwarts — 32,1.1918

DOI Heft:
Heft 5 (1. Dezemberheft 1918)
DOI Artikel:
Avenarius, Ferdinand: Um Kaiser und Könige
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14375#0186

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Bund nach Art der Schweiz formen wtrd, der höchstens einige Kleinstaaten
mit monarchischer Spitze mit aufnähme, wie stch ja umgekehrt unter den
Monarchien des Deutschen Reiches drei Republiken befanden. Denn was
haben die Einzeldynastien während des Krieges getan, um ihr Erbe an
Anhänglichkeit zu erhalten? Die meisten haben wie der Kaiser welt-- und
zeitfremd gelebt. In dem naiven Glauben, ein paar Reden, Depeschen,
Protektorate, Reisen und bescheidene Spenden genügten, um das ,Band
zwischen Fürst und Volk" zu erhalten, an dessen Dauerhaftigkeit man
glaubte, einfach, weil man daran gewöhnt war. Aber ein crregtes und
leidendes Volk beobachtet schärfer, als ein ruhiges, dem's gut geht. Schon
der Ton, in dem manche Fürsten sprachen, war, wie der des Kaisers, ost
unbegreiflich vergriffen: man sprach, als seien das Volk hier und der Fürst
dort ungefähr gleichwichtige Mächte, die eben zusammenhalten sollten.
Dazu kam, daß dynastische Wünsche mehr als einmal in die Gesamtpolitik
hineinstörten, wie solche um neue Throne — behauptet man doch sogar,
daß die Rechtzeitigkeit der Reformen im Elsaß durch solche Wünsche ver-
schleppt worden sei, bis uns Las Elsaß entfremdet war. Drittens trat
als Antwort auf die Frage: was haben uns denn die dynastischen Einflüsse
politisch genützt, immer kenntlicher eine Null hervor, hinter der viele noch
ein Minuszeichen wachsen sahn. Viertens fragte man, was selbst in
so ernsten Zeiten, wo alles aufs Können ankam, die Bevorzugung von
Prinzen nicht nur beim Orden-- und Titelwesen, sondern sogar beim Besstzen
hoher Kommandostellen bedeuten sollte, wie z. B. die Ernennung eines
freilich kaiserlichen Husarenobersten zum Armeechef. Waren die Gründe
zu derlei Ernennungen sachlich oder dynastisch? Und schließlich: bei all
den ungeheuren Anforderungen, die der Krieg an alle stellte, legten die
Dynastien nicht einmal von ihren Geldvorrechten irgend etwas Wesent--
liches freiwillig auf den Vaterlandesaltar. Ich habe davon schon im
ersten Oktoberhefte gesprochen. Kein Darbringen aus dem eigenen Privat--
reichtum, der bei einigen Fürsten gewaltig war, in irgend großzügiger
Weise, kein Verzicht auf Zivillisten, keiner auf Steuerfreiheit, so viel ich
weiß, nicht einmal einer auf Freipost. Sie sprachen von „Treue" zwischen
Volk und Fürst und bedachten nicht, daß gegenseitige „Treue" doch nicht
bedeutet: Genuß auf der einen und Opfer auf der andern Seite. Nun ließ
der Loyalitätsphrasennebel sie gar nicht bemerken, wie der Boden rings
um sie abglitt. Gewiß, wer unsre Dynastien sittlich „richten" will, der
soll vorher in den Spiegel sehn: jeder Zug von Bedientenhaftigkeit, den
er da bemerkt, wirbt mildernde Nmstände sür jene. Wo waren die Männer,
welche die Langschläfer weckten? Aber das ändert an der Tatsache nichts,
daß unser Volk die Fürsten nicht mehr als Genossen in Freud und Leid
fühlt. Manche meinen, es sei gar kein Nnglück gewesen, daß man sie
nicht „weckte", denn sonst wäre das deutsche Volk nicht über ste aufgeklärt
worden. Gewiß, es gab und gibt unter den Fürsten auch Ausnahmen,
nicht nur Männer, die mit dem Blute zu opfern bereit waren und opferten,
auch solchc, die das mit Geld und Gut taten oder gern getan hätten. Ich
glaube, manche feine Menschen in den Fürstenhäusern fühlen das Peinliche
auch selbst, und ich glaube ferner ganz bestimmt: sie könnten auch fürder
dem Vaterlande nützen. Möge man ihnen das möglich lassen, auch
psychologisch möglich! Die Masse> jedoch unterscheidet nicht viel, wenn
sie auch ein paar Lieblinge oft aus sehr bescheidenen Gründen verhätschelt.
Ietzt hält sie die Fürsten meist eben für Leute, die in den Tagen der
 
Annotationen