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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 32,1.1918

DOI Heft:
Heft 6 (2. Dezemberheft 1918)
DOI Artikel:
Bonus, Arthur: Weihnacht 1918
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https://doi.org/10.11588/diglit.14375#0203

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Ist es nicht wie geschrieben für die tzoffnungen, welche die Hoffnungs«
vollen von heute erfüllen? And find es nicht Worte, schwer von Güte und
Fülle? Verlieren sie an Wert, wenn man annimmt, daß sie fich wirklich
erfüllen wollen?

Die kirchlich Gesinnten unter uns werden einiges einzuwenden haben,
indem sie darauf verweisen, daß die, welche die „wirkliche Erfüllung"
unsrer Tage eingeleitet haben, wohl selbst die letzten fein möchten, um die
Worte auf sich zn beziehen.

Sie haben unrecht; denn darauf kommt es nicht an. In grauer Zeit
schrie diese Sehnsucht auf nach andern Entwicklungsmethoden als denen
des „Stiefels des Gestiefelten mit Gedröhne" (wie es wörtlich heißt)
und des in Blut gewälzten Mantels. Die Gesinnung, die in dieser Sehnsucht
aufschrie, die von der Kraft im Weltinnern ein Andres, ein Neues er«
wartete und mit hinreißender Zuversicht natze sah, die ist doch dieselbe,
welche — wie langsam immer, durch welche Vermittelnngen und durch welche
Schlußwerkzeuge immer — die heutigen Hoffnungen auf eine Herrschaft ohne
Rute und Stecken und des Friedens kein Lnde beseelt.

Daß Revolutionen nur durch Gewalttat reifen, daß ihre unmittelbaren
Werkzeuge nicht immer einwandfrei sind, daß sie mancherlei Gestalten und
Gewalten entfesseln, die sie selbst nicht entfesseln wollten — das alles ist
menschlich, ist allen kräftigen Wirkungen ins Außere gemein: auch kirchlich
Gesinnte sind erstaunlich leicht für den Krieg zu überzeugen gewesen und
auch für seine immer weitere Fortsetzung mit allem Entsetzen; sie glauben
wohl selbst nicht, daß in diesem Kriege nur Engel gegen Tenfel für
lautere Gerechtigkeit kämpften. Diese Revolution, wie sie bis heute, Ende
November, sich abgespielt hat, ist, wenn man Bluttaten mit Blüttaten ver--
gleicht, doch ein sehr sanftes Ereignis dagegen.

Die Hauptsache bei solchen Revolutionen ist das Neugeborene. Denn
Revolution ist wie das Kreißen eines schwangeren Leibes: ,.denn nns ist
ein Kind geboren, des Name heißt Wunderbar, Rat, Kraft. Friedefürst".

„Der Kleinste im neuen Reich ist größer als der Größte im alten",
sagt Iesus einmal, und „Glaube. so groß wie ein Samenkorn, kann Berge
versetzen".

Laßt uns glauben, denn wir haben Berge zu versetzen!

Nnd dürfen wir den guten Glauben nicht haben? Ist er nicht im Grunde
in uns? diese ganz neue Wertung, die sich in uns aufreckt? Ich nehme
zum Zeugen dafür die Gleichmütigkeit, mit der wir auf Dinge sehen, die
wir noch vor kurzer Zeit als unerträglich empfnnden hätten. Es ist ctwas
ganz anderes als Betäubung oder feiges Sichducken. Ans fehlt ja völlig
das Gefühl, besiegt zu sein. Man hat uns ein Bein gestellt; darüber sind
wir mitten im Sieg gefallen. Das Reich muß uns doch bleiben. Das Reich
des Neuen, das noch klein ist und das wir doch so deutlich heranwachscn
fühlen.

Das ist ja die Weihnachtsbedeutung: der Sinn wendet sich von den großen
Weltdingen ins Stillste, Tiefste, Innerste, „da Fried und Freude lacht",
nicht als in etwas weltabgewandt Andres, ein schmaler Ersatz für Großes,
das wir aufgegeben haben, sondern als in etwas, das aufwächst und einst
die Weltdinge nmstürzt, die Wendung vom Abgelebten zu der neuen
Weltmacht, die aus innerer Tiefe anfbricht, von daher, wo ohne Knarren
unü Achzen leise, wie „auf Taubenflügeln", die Weltachse sich dreht und
die Weltgeschichte sich umstellt.

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