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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 32,1.1918

DOI Heft:
Heft 6 (2. Dezemberheft 1918)
DOI Artikel:
Bonus, Arthur: Weihnacht 1918
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https://doi.org/10.11588/diglit.14375#0204

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Daß dies heute noch klein und neu anmutet, wo es vor nennzehn
Iahrhunderten doch schon ein Heilandleben hinstellte, vor mehr als dritt-
halb Iahrtausenden diese Prophetenstimme vor sich hersandte? Nun, es ist
nicht mehr im selben Sinne klein wie damals, es hat die Gewalt im Dolk
ergriffen. Klein im Dergleich zu den großen Weltdingen bleibt nur das
Treibende dahinter, die Gemütskraft, die immer unscheinbar ist im Ver-
hältnis zu den großen Dingen, gegen die sie sich stemmt sowohl, als auch
die sie selbst bewegt. Immer unscheinbar und doch sich des Sieges bewußt.

Von was für einem Treiben sind wir erlöst! Dies ganze Hin und Her
um die Annexionen oder Abtretungen. Ieder Kilometer war eine Auf-
regung und ein Kampf. Auf einmal kommt uns alles einfach und klar vor.
Was wirklich deutsch ist, wird deutsch bleiben; und wird es uns mit Gewalt
genommen — nun, dann wird sich zeigen, ob es deutsch war. Da sind wir
unbesorgt. Die fratzenhaften Mißgrifse im Elsaß, wie sie in den Schneidig-
keiten von Zabern gipfelten, werden verwehen. Alles das, worunter wir
mit Zähneknirschen litten seit jener Zeit, von der Nietzsche sagte: „Macht
verdummt!" durch die Nichtswürdigkeiten unsrer Dänen-- und Polenpolitik
bis in die entsetzlichen und in der Tat verbrecherischen Fehler den befreiten
Ostvölkern gegenüber, das alles wird verwehen mit den Mächten, welche
ditz Revolution gestürzt hat und die ihren Sturz verdienten. Aber deutsch
wird deutsch bleiben.

Der elsässische Abgeordnete Wolf, der noch vor kurzem um Vertrauen
auf die kerndeutsche Gesinnung seines Stammes warb, ruft uns bittere
Hohnworte zu — jetzt, wo wir sie doch wirklich nicht mehr verdienen. Wie
wenig berührt uns das! Zieht in Frieden, Brüder, wenn ihr meint,
im fremden Land glücklicher sein zu können. Lebt dem Besten in euch,
so werdet ihr dennoch Deutschland leben. Einst findet ihr euch zurück.
Im Namen Goethes und Herders und alles des, was das Herzstück von
Goethes Wahrheit und Dichtung aus dem Elsaß erzählt. Deutschsein
ist nun wieder etwas geworden, davon man nicht sagen kann: Siehe hier!
siehe da! sondern es ist inwendig in uns.

So ist's mit dem Völkerhaß. Wenn wir ihn gegen unsre nun nicht mehr
verteidigte Grenze schäumen sehen — wir waren ja nie groß !in der Er-
widerung von Volkshaß, aber jetzt wird uns mitunter, als ergriffe es
uns wie Mitleid. Menschen, die an so fremdartige Dinge noch ihr Herz,
noch Kraft verschwenden mögen! Die Schimpfenden und Sichereifernden
erscheinen uns fern und klein. Selbst wenn jetzt Leute unter uns aufstehen,
die die Weltgeschichte gegen uns umlügen, um sich drüben anzuschmeicheln,
so berührt uns auch das nur klein und nichtig. Wir haben andres, Größeres
zu tun. Wir sind nun Bauleute geworden. Wir werden zeigen, was die
Russen nicht zeigen konnten.

Laßt uns sie nicht gar zu sehr deswegen verachten. Laßt uns sie ver-
stehen. Laßt uns bedenken, aus welchen Schlünden der Knechtschaft sie sich
erhoben, aus welchen Abgründen wie lange Iahrzehnte hindurch ohnmäch-
tiger und immer wieder ohnmächtiger Wut sie erwachten. Es ist fast
immer so, daß eine Befreiung da anfängt, wo sie am nötigsten ist, da aber
auch am ergebnislosesten verpufft. Alle stark umwälzenden Religionen
sind groß geworden außerhalb ihres Arsprunglandes. Die Reformation
machte Holland, England, Amerika stark, während sie Deutschland versenkte.
Das laßt uns bedenken: Was in Rußland entschuldbar ist, wäre es in
Deutschland nicht.
 
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